Doppelmord in KO-Horchheim - Die Tat und der Prozess
25.04.2013 um 00:34@Tom_Ripley
@all
Um nochmal etwas deutlicher zu machen, warum die Familie schweigen könnte, selbst wenn sie entlastendes berichten kann: Wenn ich mich recht erinnere, dann ist es so, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nur ganz oder gar nicht in Anspruch genommen werden kann. Wenn die Familie also bereit ist auszusagen, kann sie nicht nur entlastendes vorbringen, sondern begibt sich in die Gefahr auch eventuell belastendes aussagen zu müssen. Dabei kann es völlig unklar sei, was sich im Nachhinein eventuell als belastend herausstellt. Dazu kommt, dass derartige Aussagen vor Gericht - wenn die Freiheit der Mutter und Ehefrau auf dem Spiel steht - eine erhebliche psychische Belastung für die Aussagenden darstellen. Als Verteidiger hat man also nicht nur die Risiken, sondern auch die Folgen für die Aussagenden gegen den etwaigen Nutzen einer Aussage abzuwägen und entsprechend eine Strategie vorzuschlagen.
Das Problem besteht immer, wenn man als Tatverdächtiger kein Alibi hat, weil es sich Ermittler und StA zuweilen recht leicht machen: Motiv -> kein Alibi -> Täter, obwohl dieser Schluss in dieser Form so nicht zulässig ist.
Relativ unstrittig bestehen im konkreten Fall Motiv und HS hat auch kein brauchbares Alibi. Auf diesen beiden Punkten beruht im Wesentlichen die Beweisführung. Und wenn die Familie eben kein Alibi liefern kann, gibt es da auch kaum noch viel entlastendes, was sie aussagen könnte. Auch wenn dem einen oder anderen manches besonders wichtig erscheint - wie etwa die Fahrt nach Neuwied oder der Taucheranzug - bezweifle ich, dass das im Prozess eine wesentliche Rolle bei der Urteilsfindung spielen wird. Die Zeugenaussagen hinsichtlich der Fahrt nach Neuwied halte ich für wenig glaubhaft und nach dem was ich so hier gelesen habe, vermute ich mal, dass der Richter das ähnlich sehen wird.
Entscheidend wird es in der Kette der Indizien vor allem auf die Aussage des Motorradfahrers ankommen. Glaubt ihr der Richter, kann er zusammen mit der Suche nach einem Auftragsmörder, dem Leihauto und dem Motiv und dem einen oder anderen Detail am Rande auf dieser Grundlage verurteilen. Glaubt der Richter dem Motorradfahrer nicht, wird es wirklich schwierig, weil das fehlende Alibi nunmal kein Indiz ist und dann bleibt mehr oder weniger nur das Motiv übrig.
Und darum bringt auch eine Aussage der Familie nur etwas, wenn sie gerade diesen Punkt widerlegen könnte. Das kann sie aber nicht, denn dann hätte HS ja ein Alibi. Folglich kann man der Familie diese Tortur auch ersparen.
Und um das nochmal klarzustellen: Kein Alibi zu haben ist kein Indiz für einen Mord. Dass die Familie nichts entlastendes aussagt, ist auch kein Indiz für einen Mord. Die StA muss belastendes vorbringen! Und da gibt es im konkreten Fall leider sehr wenig. Eventuell drei Zeugen, die den BMW in Tatortnähe gesehen haben (zwei davon mit eher wenig glaubhafter Aussage), die Suche nach dem Auftragsmörder (ist schon ne ganze Weile her) und die Frage nach dem Leihauto. Was fehlt sind Hinweise auf ihren Aufenthalt am Tatort, die Tatwaffe und einen Bezug dazu usw.
Dass die gute Frau irgendwelchen Quark am telefon daher geredet hat, finde ich auch, wenn sie nicht die Täterin wäre, absolut verständlich. Wenn man kein Alibi hat, ein Motiv und im Fadenkreuz der Ermittler steht, dann kann man schon nervös werden. Und die Ermittler wollten auch genau das erreichen. Das haben sie geschafft, aber das hätten sie unter den Umständen auch bei jedem zweiten Unbeteiligten geschafft. Dem kann man mE nicht wirklich viel Gewicht beimessen. Bei Handlungen vor der Tat ist das etwas anderes, weswegen die ganzen Aktion mit Auftragskilleranfrage, Leihautoanfrage usw. weitaus mehr Gewicht haben werden.
Tom_Ripley schrieb:1.) Lebenslänglich ohne Bewährung: Ich weiss das, es war ein Vorschlag meinerseits, was geändert werden könnte.OK. Dieser Vorschlag wird in Deutschland aber sehr wahrscheinlich nie umgesetzt werden können. Denn Art. 1 GG - auf dem die Entscheidung des BVerfG beruht - unterfällt der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 GG und ist somit auch nicht durch eine Verfassungsänderung zu beseitigen. Was ich persönlich wiederum sehr gut finde.
@all
Um nochmal etwas deutlicher zu machen, warum die Familie schweigen könnte, selbst wenn sie entlastendes berichten kann: Wenn ich mich recht erinnere, dann ist es so, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nur ganz oder gar nicht in Anspruch genommen werden kann. Wenn die Familie also bereit ist auszusagen, kann sie nicht nur entlastendes vorbringen, sondern begibt sich in die Gefahr auch eventuell belastendes aussagen zu müssen. Dabei kann es völlig unklar sei, was sich im Nachhinein eventuell als belastend herausstellt. Dazu kommt, dass derartige Aussagen vor Gericht - wenn die Freiheit der Mutter und Ehefrau auf dem Spiel steht - eine erhebliche psychische Belastung für die Aussagenden darstellen. Als Verteidiger hat man also nicht nur die Risiken, sondern auch die Folgen für die Aussagenden gegen den etwaigen Nutzen einer Aussage abzuwägen und entsprechend eine Strategie vorzuschlagen.
Das Problem besteht immer, wenn man als Tatverdächtiger kein Alibi hat, weil es sich Ermittler und StA zuweilen recht leicht machen: Motiv -> kein Alibi -> Täter, obwohl dieser Schluss in dieser Form so nicht zulässig ist.
Relativ unstrittig bestehen im konkreten Fall Motiv und HS hat auch kein brauchbares Alibi. Auf diesen beiden Punkten beruht im Wesentlichen die Beweisführung. Und wenn die Familie eben kein Alibi liefern kann, gibt es da auch kaum noch viel entlastendes, was sie aussagen könnte. Auch wenn dem einen oder anderen manches besonders wichtig erscheint - wie etwa die Fahrt nach Neuwied oder der Taucheranzug - bezweifle ich, dass das im Prozess eine wesentliche Rolle bei der Urteilsfindung spielen wird. Die Zeugenaussagen hinsichtlich der Fahrt nach Neuwied halte ich für wenig glaubhaft und nach dem was ich so hier gelesen habe, vermute ich mal, dass der Richter das ähnlich sehen wird.
Entscheidend wird es in der Kette der Indizien vor allem auf die Aussage des Motorradfahrers ankommen. Glaubt ihr der Richter, kann er zusammen mit der Suche nach einem Auftragsmörder, dem Leihauto und dem Motiv und dem einen oder anderen Detail am Rande auf dieser Grundlage verurteilen. Glaubt der Richter dem Motorradfahrer nicht, wird es wirklich schwierig, weil das fehlende Alibi nunmal kein Indiz ist und dann bleibt mehr oder weniger nur das Motiv übrig.
Und darum bringt auch eine Aussage der Familie nur etwas, wenn sie gerade diesen Punkt widerlegen könnte. Das kann sie aber nicht, denn dann hätte HS ja ein Alibi. Folglich kann man der Familie diese Tortur auch ersparen.
Und um das nochmal klarzustellen: Kein Alibi zu haben ist kein Indiz für einen Mord. Dass die Familie nichts entlastendes aussagt, ist auch kein Indiz für einen Mord. Die StA muss belastendes vorbringen! Und da gibt es im konkreten Fall leider sehr wenig. Eventuell drei Zeugen, die den BMW in Tatortnähe gesehen haben (zwei davon mit eher wenig glaubhafter Aussage), die Suche nach dem Auftragsmörder (ist schon ne ganze Weile her) und die Frage nach dem Leihauto. Was fehlt sind Hinweise auf ihren Aufenthalt am Tatort, die Tatwaffe und einen Bezug dazu usw.
Dass die gute Frau irgendwelchen Quark am telefon daher geredet hat, finde ich auch, wenn sie nicht die Täterin wäre, absolut verständlich. Wenn man kein Alibi hat, ein Motiv und im Fadenkreuz der Ermittler steht, dann kann man schon nervös werden. Und die Ermittler wollten auch genau das erreichen. Das haben sie geschafft, aber das hätten sie unter den Umständen auch bei jedem zweiten Unbeteiligten geschafft. Dem kann man mE nicht wirklich viel Gewicht beimessen. Bei Handlungen vor der Tat ist das etwas anderes, weswegen die ganzen Aktion mit Auftragskilleranfrage, Leihautoanfrage usw. weitaus mehr Gewicht haben werden.