@xyfan72Ich möchte einen Punkt aus Deiner Argumentation aufgreifen, den ich so nicht haltbar finde, und zwar die Such von HS nach einem Alibi und ihre Lügen in Zusammenhang damit.
ME ist es falsch, daraus eine Tatbegehung von HS zu folgern oder auch nur als wahrscheinlicher anzunehmen. Es ist doch so, dass HS sicherlich wusste, dass sie blöde Bemerkungen über ihre Schwiegermutter getätigt hat, bis hin zum Scherz-oder-nicht-Scherz einen Auftragsmörder zu suchen. Ferner ist es doch auch so, dass der Tod der Schwiegereltern auf jeden Fall für die Familie und damit auch HS sehr profitabel war. Hinzu kommt, dass HS wohl auch wusste, dass es nachweislich zwischen ihr und der Schwiegermutter einiges an Streit gab. Das liefert für HS ein recht klares Tatmotiv. erfährt man dann auch noch, dass nicht eingebrochen und nichts gestohlen wurde, sieht man doch selber, dass die Indizien auf einen selbst zu weisen beginnen. Dass man in dieser Situation - angesichts der Tatsache, dass man kein Alibi hat - sich bemüht ein falsches zu bekommen, um einer etwaigen Verurteilung trotz Unschuld zu entgehen, finde ich weder verdächtig noch unverständlich ganz im Gegenteil. Ich finde es verständlich, dass man dann nicht darauf vertraut, dass Polizei und StA schon noch den wahren Täter finden werden. Das deutsche Justizsystem hat mehr als genug Justizirrtümer produziert. Dass das bei einer entsprechend schlechten Indizienlage HS auch passieren könnte, ist doch nachvollziehbar, und dann finde ich es auch nachvollziehbar, dass man lügt um ein Alibi zu bekommen.
Im Übrigen möchte ich auch hierzu nochmals auf den Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" im deutschen Strafrecht verweisen, der Ausfluss ua des obersten Verfassungswertes ist, nämlich der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG und seine einfachgesetzliche Ausformung zB in § 136 StPO findet. Man kann es auch einfach formulieren: Der Beschuldigte und der Angeklagte dürfen lügen, gerade auch um sich nicht selbst belasten zu müssen. Und kein Alibi zu haben ist nunmal eine Belastung, besonders wenn schon andere Indizien gegen einen sprechen.
Wie ich bereits oben darlegte, ergibt sich aus dem Versuch sich selbst ein Alibi zu konstruieren noch lange keine Täterschaft, das ist noch nicht einmal ein Indiz für eine solche.
Was Indizien für eine Täterschaft sind:
- dass sie ein Tatmotiv hat (Geld, Streit mit der Schwiegermutter)
- dass sie entsprechende Kommentare über eine etwaige Tötungsabsicht geäußert hat, einschließlich der Frage nach einem Auftragsmörder
- dass sie tatsächlich kein Alibi hat
- dass sie die Möglichkeit hatte, in die Wohnung einzudringen ohne einbrechen zu müssen (weil sie einen Schlüssel hatte bzw. die Schwiegereltern sie auch kannten)
- dass sie nach einem Leihauto für die Tatnacht gefragt hat
- dass es Hinweise (Audi nicht mehr bewegt, Rolläden, Zeitungen im Briefkasten) darauf gibt, dass die Schwiegereltern am Freitag morgen bereits tot waren
- dass der generelle Rahmen für den Todeszeitpunkt zu einem Großteil innerhalb ihres möglichen Zeitfenster für eine Tatbegehung liegt
Was keine Indizien für eine Täterschaft sind:
- dass sie gelogen hat, als sie befragt wurde
- dass sie andere zur Lüge aufgefordert hat
Was Zweifel an der Indizienkette aufkommen lassen könnte:
- dass sie einen schwarzen Humor hatte, und die Äußerung der Tötungsabsicht einschließlich der Frage nach einem Auftragsmörder mglw. nicht ernst gemeint war
- dass mglw. auch Dritte die Möglichkeit hatten, mit einem Schlüssel oder aufgrund von Bekanntschaft mit den Schwiegereltern in das Haus einzudringen, ohne Einbruchsspuren zu hinterlassen
- dass es Hinweise (Bäckereizeugen) gibt, dass die Schwiegereltern am Freitag morgen noch gelebt haben
- dass der Todeszeitpunkt auch außerhalb ihres möglichen Zeitfenster für eine Tatbegehung liegt
- dass manche belastenden Zeugenaussagen eventuell nicht glaubwürdig sind, insbesondere dass sich Unregelmäßigkeiten seitens der Polizeiarbeit mit Zeugen ergeben haben
- dass keine Spuren der Angeklagten am Tatort gefunden wurden
Zu guter Letzt ein Hinweis in eigener Sache: Ich weiß nicht, ob HS schuldig oder unschuldig ist. Ich sitze nicht im Gericht, kann die Zeugen nicht selber sehen, nicht selber befragen und habe keinerlei Einblick in die Akten. Alles was ich habe sind Berichte über das, was andere anderthalb Jahre nach der Tat aussagen. Mir bleit also nichts weiter, als auf die Rechtsfindung von Richter Bock zu vertrauen und erwarte gespannt dessen Urteil.