Hercule-Poirot schrieb:Kann es sein, dass da einer der Brüder evtl. doch noch eine wahrheitsgemässe Aussage machen möchte? Für Angehörige gilt doch, dass sie entweder die Aussage verweigern dürfen oder aber wahrheitsgemäss aussagen müssen.
Soweit ich weiß und den Richter verstanden habe gilt nicht "sag oder schweig" sondern "Wozu willste was sagen und wozu eher nicht?"
Wenn also sein Bruder aussagen will:
"Ja die waren bei uns abends zum Grillen, haben um x Uhr den Heimweg angetreten und für mich war an diesem Abend nichts auffällig."
Dann kann er das tun und trotzdem dabei bleiben, dass er zu Themen wie Spaten, Verliebtheit seines Bruders in eine andere Person usw bei seinem Zeugnisverweigerungsrecht bleibt.
dievo schrieb:Ein Familienangehöriger des TV hat kein wie auch immer geartetes Motiv.
Diesen Einwand finde ich auch für die Betrachtung der mDNA-Analyse der Haare am Fundort wichtig.
Es ist korrekt, dass mDNA nur einen Personenkreis benennt.
Aber selbst wenn die Haare seiner Großmutter, Mutter oder seinem Bruder zugeordnet werden könnten, dann wäre (grade bei so wenigen Haaren) trotzdem eher zu vermuten, dass C.F. diese Haare durch Kontakt mit diesen Personen an seine Kleidung bekommen und sie von dort an Maria gelangt sind.
Das wäre dann immer noch wahrscheinlicher, als Mordanklage gegen seine Großmutter zu erheben.
Im Hinblick auf diese Spur kann die Verteidigung also entweder nur argumentieren, dass sie auch z.B. durch die Nutzung eines gemeinsamen Autos an Maria und somit an den Tatort gelangt sind.
Oder (was nicht so klug wäre) man versucht sich darauf einzuschiessen, dass statistisch betrachtet ja auch eine Chance von 1:15000 besteht, dass die Haare doch keinem Verwandten zuzuordnen sind.
Das wäre aber dann wirklich nicht so clever.
annichen schrieb:Aber da sich ein Geständnis ja strafmildernd auswirkt...
Heißt es dann nicht im übertragenen Sinne, dass Lügen bzw. Schweigen zu einer längeren Strafe fügen?
Ist Beides so nicht korrekt.
Deus_Ex_Machin schrieb:Ein Geständnis wirkt nur dann strafmildernd, wenn es so rechtzeitig erfolgt ist, dass dem Gericht viel Arbeit erspart wird.
Außerdem ist die Chance auf Strafmilderung ja auch davon abhängig wieviel Spielraum dem Richter bei dem jeweiligen Verfahren überhaupt bleibt.
Sieht der Richter die Indizien als ausreichend an um einen Mord aus Heimtücke nachzuweisen und berücksichtigt die anderen Straftaten des TV, dann ist da nicht viel Spielraum für eine Strafmilderung.
Deus_Ex_Machin schrieb:Nein, das wäre ein klassischer Revisionsgrund. Legt ein Gericht dem Verurteilten Lügen strafschärfend zur Last, wird das Urteil vom BGH aufgehoben und an eine andere Strafkammer verwiesen. Damit geht das ganze Verfahren von vorne los.
Das Gleiche gilt übrigens auch, wenn sich die Staatsanwaltschaft noch weiter aus dem Fenster lehnt und z.B. behauptet, dass der Bruder ja vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht um nicht zugeben zu müssen, dass er den zweiten Spaten platziert hat.
Zeugnisverweigerungsrecht darf dem Angeklagten nämlich auch nicht nachteilig ausgelegt werden.
PurePu schrieb:Wie kam der überhaupt an einen Studienplatz? Ich unterstelle mal, dass der kein 1,0 Abi hat.
1. warum ist das wichtig?
2. klar kann er ein 1er Abi haben (muss er aber nicht, denn es wird nicht nur über den N.C. vergeben)
Ich hab auch einen Abischnitt, der für einen Studienplatz an meiner Wunschuni für Tiermedizin locker gereicht hat.
Sich Sachen gut merken und verknüpfen können um gute Noten zu kriegen hat mit "klug sein" nicht wirklich viel zu tun.
Deus_Ex_Machin schrieb:Davon ist auszugehen. Daher hat er vermutlich erst die Ausbildung absolviert.
Das ist ebenfalls Spekulation.
Grade in medizinischen Berufen ist die Anzahl an Leuten, die nach einer Ausbildung in dem Fachbereich doch noch studiert extrem hoch.
Eine abgeschlossene Ausbildung ist zum Einen eine "Standbeinsicherung" und mach es oft einfacher neben dem Studium zumindest ein bisschen zu arbeiten.
Zum anderen ist grade bei Medizinern (Human- ebenso wie Tiermedizinern) die Praxis durch Ausbildung und Arbeitserfahrung gold wert.
Auch wenn die Studienpläne sich bemühen sind die Studiengänge sehr theoretisch.
Obwohl ich für die Ausbildung zur Tierarzthelferin eigentlich nur Hauptschulabschluss gebraucht hätte brachten mich die Lehrinhalte und das Praxiswissen durch so einige Teile des Studiums deutlich leichter als die "Vom Abi zur Uni-Fraktion". Auch der Berufseinstieg ist für die Leute, die zuvor eine Ausbildung in dem Feld gemacht haben oft leichter, u.A. auch, weil es ihnen aufgrund ihrer Praxiserfahrung oft sehr viel früher möglich ist sich für eine Fachrichtung zu entscheiden und in die Richtung dann Gas zu geben.
Spekulationen diesbezüglich sind also wirklich so gar nicht hilfreich.
Kreuzbergerin schrieb:Wie soll es in der kurzen Zeit gelungen sein, Anlaufschwierigkeiten zu überwinden?
Dazu wärs gut zu wissen, was sie als "Anlaufschwierigkeiten" angesehen hat.
Ich tu mich ganz schwer mit fremden Leuten, ein neuer Arbeitsplatz war für mich nach jedem Umzug erstmal absoluter Horror.
Aber wenn die Kollegen nett sind und man das Eis ein bisschen bricht (Torte hilft) war das Thema immer nach wenigen Tagen durch.
Ich denke zu dem Thema könnte am ehesten Marias Zwillingsschwester etwas sagen, ich vermute mal, dass sie diesbezüglich im Bilde war.
Aggie schrieb:MMn hätte die StA hier besser ein 'größeres Besteck' auspacken sollen, um die Monstrosität all dessen, was ihr über den TV bereits bekannt war, umissverständlich klarzumachen.
Das ist immer heikel.
Viele Richter sehen es nicht gerne, wenn die StA (grade in Fällen in denen handfeste Beweise Mangelware sind) andere Straftaten aufzählt.
Wenn es zu einem Schuldspruch kommt, dann spielen die nachgewiesenen anderen Straftaten des TV für das Strafmaß aber durchaus eine Rolle.
Hier würden im Falle eines Schuldspruches alles dafür sprechen, dass der TV wirklich, wirklich gefährlich ist.
Also keine Sorge, im Falle eines Schuldspruches werden die vorherigen Verurteilungen durchaus berücksichtigt werden.
Soweit ich weiß darf die StA auch vor der Urteilsfindung darauf hinweisen.
Aber während der Beweisaufnahme ist das dünnes Eis und meiner Ansicht nach zurecht.
Das der TV ein Ekel ist, das steht nicht zur Debatte, das nehme ich bei seinen vorherigen Verurteilungen mal als gegeben hin.
Aber bei der Beweisaufnahme darf es nicht darum gehen ob die Täterschaft bei einem Ekel eh erwiesen ist oder ein bisher unbescholtener Mensch "sowas" doch gar nicht gewesen sein kann.
Es muss darum gehen ob man diesem TV zu diesem Zeitpunkt diese Tat so nachhaltig nachweisen kann, das ein Schuldspruch gerechtfertigt ist.
Aus "Mangel an Beweisen" auf dem Charakter des Angeklagten rumzuhacken wäre da wirklich, wirklich schlechter Stil und es würde mich sehr enttäuschen, wenn die StA so unprofessionell ist.
Soweit er es darf ohne danach voreingenommen zu sein wird der Richter sich schon sein Bild von dem Angeklagten machen, da habe ich keine Zweifel.
Aggie schrieb:Mittlerweile würde ich angesichts der Abgründe, die sich im Prozess auftun
Darf ich so aus Neugier fragen was Du genau meinst?
Also nicht, dass ich abstreiten will, dass die Faktenlage in diesem Fall erschreckend ist und sich bei Nachweis der Täterschaft bestätigt wie gefährlich der Angeklagte ist.
Aber meiner Ansicht nach kam im Prozess bisher nicht wirklich großartig was zur Sprache was nicht zuvor bereits bekannt war?
pannettone schrieb:man ist immer wieder sprachlos ob des kindesglaubens hier... doch, angehörige dürfen vor dt. strafgerichten lügen und das auch noch straflos! nennt sich strafvereitelung, § 258 VI stgb...
Das ist so nicht korrekt.
Du hast Recht, Angehörige dürfen straflos Strafvereitelungen betreiben.
Aber wer vor Gericht als Zeuge aussagt, der muss die Wahrheit sagen.
Hier gibt es keine Ausnahme wie im
§153 StGB nachzulesen ist.
Deswegen gibt es für einen gewissen Personenkreis das Zeugnisverweigerungsrecht, das heißt dann aber "Schnabel halten."
Was man im Zeugenstand sagt muss der Wahrheit entsprechen, sonst setzt es Ärger und zwar gewaltig.
pannettone schrieb:die staatsanwaltschaft behauptet, die wohnung war der tatort
Das ist so auch nicht ganz korrekt.
Um ihn vor Gericht zu bekommen muss es eine Anklageschrift geben.
Da wir in Deutschland sind gibt es natürlich auch für diese Anklageschrift hübsche Formvorschriften (§200 StPO).
Zu diesen Formvorschriften gehört, dass in der Anklageschrift ein Tatort zu benennen ist.
Ob dieser Tatort im Verfahren in Frage gestellt wird, das spielt hier keine Rolle.
Es gibt zwei Gründe, warum als Tatort die Wohnung angegeben sein könnte:
1. Der Angeklagte hat behauptet, das Opfer zuletzt in der gemeinsamen Wohnung gesehen zu haben und wenn man ihn wegen Mordes anklagt ist es verständlich diesen Ort dann als Tatort zu benennen
2. Es ist anzunehmen das "Irgendwann, irgendwo, im Auto, auf der Straße, im Wald" der Formvorschrift, dass Tatort und -zeit in der Anklageschrift zu benennen sind nicht wirklich erfüllt.
Die Anklage wird (hoffe ich mal) wissen, dass die Beweislage super dünn ist. Grade das dürfte dazu motivieren das Ganze nu nicht auch noch mit einem Formfehler zu versauen.
Ich glaube nach wie vor nicht, dass die StA wirklich von einer Tötung in der Wohnung ausgeht, das könnte auch erklären warum man diesbezüglich bisher keinerlei Einlassungen findet.
pannettone schrieb:er gibt ihr das lorazepam im kaba (an die pharmakologen: würde man das schmecken?)
Die meisten Benzodiazepine schmecken sehr bitter.
Lorazepam bzw die sogenannten "Schmelztabletten" mit dem Markennamen "Tavor" sind da aber leider eine Ausnahme.
Die sind darauf ausgelegt, dass man sie auch Patienten die keine Medikamente mehr schlucken können auf die Zunge legt, die Aufnahme erfolgt über die Mundschleimhaut.
In dieser Applikationsform ist Lorazepam nicht nur nahezu geschmacksneutral, sondern auch bestens Wasserlöslich und der Wirkungseintritt erheblich beschleunigt.
Da bei seinem anderen Verfahren vom "Auflösen in Tee" die Rede war um sein Opfer zu sedieren und Tavor namentlich erwähnt wird hatte er diese Schmelztabletten in seinem Besitz, Zugriff hatte er darauf auf jeden Fall (wie jeder seiner Kollegen).
pannettone schrieb:einziges schwaches indiz, der ec karten spaten
Nicht wirklich.
Die Haare im Kalk, die die mDNA die auch der TV trägt sind meiner Ansicht nach das einzige Indiz, dass am ehesten an den Begriff "schwacher Beweis" herankommt.
Der Rest sind eben Indizien, einzeln für sich genommen allesamt wertlos und im Gesamtkontext komplett Auslegungssache.
Das macht den Fall für mich persönlich so interessant:
Der "Beweisgehalt" der Anklage ist so schwach, aber die Indizienlast so gewichtig, dass hier sowohl ein Schuld- als auch ein Freispruch dem Prinzip des Rechtsstaates gerecht werden.
Ich bin von der Schuld des Angeklagten überzeugt, würde als Richter bisher aber wohl eher freisprechen.
Primär weil die Beweislast gleich Null ist und die Staatsanwaltschaft die "Indizienkarten" auf ihrer Hand teilweise so massiv unprofessionell ausspielt, dass mir als Richter Zweifel kämen, ob sie den Unterschied zwischen "Ich glaube der wars." (nachvollziehbar) und "Wir können dem TV die Tat hinreichend sicher nachweisen." (schwierig... ganz schwierig) kennen.
Rechtsstaat heißt eben auch, dass mal ein Schuldiger davon kommt, wenn der Beweis der Tat nicht gelingt.
Keine Pille die jeder gerne schluckt, aber ganz wichtig für jeden, dem es etwas bedeutet in einem Rechtsstaat zu leben.