vorab: tut mir leid, dass ich auch immer wieder nur um das Gleiche kreise.
Ich rätsel auch seit Jahren, was man von den Briefen zu halten hat.
- die Mutter, die findet, dass der Schreibstil nicht zu Tanja passt.
=> Dieser Interpretation bin ich nie so ganz gefolgt, weil aus den paar Zeilen ein ganz klarer, direkter und kurzgehaltener Ausdruck, der nur das Nötigste enthält und aus meiner Sicht total eine Situation widerspiegelt im Sinne von: Jetzt ist der Moment, wo ich Euch sage: das Fass ist übergelaufen, ich bin jetzt mal weg. Aber: es ist nicht SO schlimm. Macht euch keine Sorgen!
Aus meiner Sicht passt das total zu der Situation, wie man sie sich real vorstellen würde.
=> Allerdings kennt die Mutter ihre Tochter + deren Ausdruckstil im Gegensatz zu allen Ermittlern und Menschen hier am Besten
- die inhaltlichen Fakten/Details: die Hasen, das Babysitting, die Bestellungen. Das sind Details, die Tanja nicht hätte nennen müssen, wäre sie unter Druck gesetzt worden. Man kann sich zwar vorstellen, dass ein Täter, der bezweckt die Ermittlungen aufzuhalten, genau sowas sucht, nämlich Insiderdetails, die suggerieren, als hätte Tanja ihr Weggehen aus freien Stücken entschieden und den Brief selbst formuliert; sie hierzu zwingt, irgendetwas dieser Art hinzuschreiben.
Und ich könnte mir auch vorstellen, dass wenn mir Jemand mit dem Leben droht, ich so verängstigt wäre, dass ich in so einer Momentsache gar nicht so schnell irgendwie "clever" denken könnte, sondern mental dafür zu blockiert wäre. D.h. ich würde vermutlich keinen versteckten Hilfeschrei zu Stande bekommen. Und evlt. würde ich sogar vom Täter geforderte Insiderbotschaften in so einen Brief einfach hinschreiben. Allerdings würde ich unter Zwang keine DREI Insiderdetails reinschreiben, die der Täter/Entführer gar nicht wissen kann. Aber welcher Täter soll solche 3 Deatils kennen?
Die 3 Details in Bezug auf einen Täter:
- Man könnte jetzt natürlich mutmaßen, dass der Täter diese Details bereits wusste, weil er Tanja und ihr Leben so gut kannte. Aber so einen Tätertyp gibt es kaum.
- Wenn man mit einer losen Bekanntschaft abhaut, erzählt man ihr dann unterwegs über Hasen, Job und Bestellungen?
- Wenn man in ein Auto von einem Unbekannten gezerrt wird, redet man ganz bestimmt nicht über Hasen, Job und Bestellungen.
Man kommt also immer wieder an den gleichen Punkt, dass man denkt: Tanja schrieb die Briefe aus eigenen Stücken. Das wiederum würde bedeuten, dass sie (zunächst) freiwillig abgehauen ist, was ja mittlerweile die meist vertretenste Annahme ist.
Dagegen spricht für mich jedoch, dass sie NICHTS weiter (lassen wir mal den Kinderausweis weg) mitnahm. Haue ich ab und schreibe dann kurze Zeit später an meine Eltern einen Brief (freiwillig), dann hätte ich doch gleich die Tasche packen können. Hätte mich spontan Jemand besucht, weil die Gelegenheit fürs Abhauen gerade günstig ist (weil er z.B. gerade ein Auto hat), dann nehme ich doch mindestens paar Klamotten mit. (Zumal als junges pubertierendes Mädel. Da spielt Kleidung doch eine recht große Rolle.) Ich kenne Tanja nicht, aber sie wirkt auf mich absolut nicht wie der Typus Mädchen, der vorhatte auf der Straße zu schlafen und sich in Großstädten herumzutreiben, sondern eher wie Jemand, die wusste, was sie will.
Es ist eigenartig. Es passt alles nicht wirklich zusammen.
Ich falle da auch in Klischees. Die einen sehen den Loverboy hier, obwohl Tanja einen Freund hatte. (und auch für den Ausflug mit dem Loverboy, der einem Honig ums Maul schmiert, nimmt man sich doch paar Teile mit.) Ich sehe phantasierend den Berater aus der Jugendeinrichtung, dem man zuerst alles erzählt hat, sich beraten ließ und der dann mit seinem Auto ganz zufällig vorbeikam und anbot, sie zur Schule mitzunehmen, weil es auf dem Weg liegt.
Glauben, tue ich das aber auch nicht wirklich.