Der Fall Tanja Mühlinghaus
08.08.2019 um 22:11
Was ich an dem Fall um Tanja so schwierig finde ist, dass man so gar keine Anhaltspunkte hat, was an dem Tag noch weiter passiert ist und wie dieser abgelaufen ist.
Alles sind nur Überlegungen, und die Tendenz, wie man Tanjas Verschwinden interpretiert, hat immer damit zu tun, was man gedanklich verstärkt:
Grundsätzlich gibt es bei so einem Vermisstenfall 3-4 Möglichkeiten, 1).freiwilliges Verschwinden, 2).Verbrechen, 3).Unfall (Reihenfolge sagt hier nix aus.), und es gibt die Kombination 1).+2).=4).
"Normaler" Unfall kann man komplett ausschließen, denn Tanja war zunächst zu Hause und dann in der Stadt maximal...
Ok, es gäbe noch die Kombination aus: 1).+3).=5). --> Aber auch diese Möglichkeit dient nur der theoretischen Vollständigkeit halber, bringt aber Null weiter.
Und genau genommen gibt es noch eine andere Kombinationen, nämlich 6).: sie ist nicht verschwunden, sondern hat sie zunächst völlig belanglos mit Irgendwem getroffen, und dann kam es zu einem Vorfall. (2. oder 3.)... = 7.)+8.)
Unfall wirkt nahezu ausschließbar, denn man hat nirgendwo eine Tanja gefunden. Natürlich gäb es die Möglichkeit Unfall und irgendwem, der da beteiligt war, sind die Nerven durchgegangen...und hat sie versteckt danach.
Aber schon allein dieses Durchspielen an Möglichkeiten bleibt relativ "trocken", also irgendwie inhaltslos. Da fehlen die konkreten Bausteine, die der jeweiligen Theorie ne Gewichtung geben. Ok, die Briefe, ja die Briefe sind die einzigen Puzzelteile, die das "danach" betreffen, dennoch geben die Briefe allein auch keine klare Richtung an. (Selbst, wenn die Mutter sich dazu äußert.)
1.) Die "freiwillig Abhauen" -These greift auch nur deshalb, weil die nahezu immer funktioniert, denn in jeder Familie gibt es Streit, in jeder Familie kann es vorkommen, dass es Zusammenstöße mit pubertierenden Jugendlichen gibt, dass im Nachhinein manch schlimmes Wort wie eine Drohung erscheint. Es ist auch normal, dass Eltern danach so verzweifelt sind, dass sie die Schuld bei sich suchen oder im Hilferuf ans verschwundene Kind sich öffentlich entschuldigen oder suggerieren, dass man Fehler gemacht hat. Die Öffentlichkeit interpretiert das dann oftmal mit: da muss was gewesen sein, da steckt mehr dahinter, etc.
2.) Für das Verbrechen fächern sich diverse Fragen auf: wo wie wer, vorher bekannt oder total unbekannt???? Was heißt "vorher bekannt", wie denn bekannt und wodurch? Für Unbekannt denkt man: naja, das müsste dann ja auf offener Straße passiert sein. Und da gibt es keine Zeugen? ....usw. usf.
Es fehlt jegliches Täterprofil. Man weiß (anscheinend) nicht mal, ob man den Bekanntenkreis überhaupt erfasst hat.
Das ist aber auch wiederum normal, dass die Eltern nicht wissen, wen das Kind wie wo alles kennt oder flüchtig kennt, usw.
(Ich erinnere mich da an die unüberschaubare Situation bei Tanja Gräff.)
Die große Chance ist da die sog. "beste Freundin", wenn Tanja denn so Jemanden hatte. Normalerweise wissen beste Freundinnen Dinge, die sonst Niemand weiß. Aber hatte Tanja eine solche Person? Anscheinend nicht. Vielleicht war sie auch nicht der Typ für sowas. Hatte Tanja nicht sogar einen Freund? (Ich will keine Gerüchte in die Welt setzen. Ich meine, es geisterte so eine Info hier herum. Aber wer weiß, vielleicht stimmt das gar nicht. Das ist sehr gut möglich, dass das nur Gerücht ist. Wäre auch ein Wunder, wenn bei allmy mal nicht ein solches Gerücht entstehen würde. Fazit: keine Ahnung)
Jede mögliche Variante, was mit Tanja passiert ist, bleibt eine Phantasiestory. Es fehlen einfach klare Anhaltspunkte.
Mir kommt vor, als gäbe es nicht mal, einen oder mehrere Verdächtige. Und das ist besonders an dem Fall. In anderen bekannten Fällen kaut man die Jungs/Männer durch, die durch Zufall am besagten Tag irgendwie hätten...können, oder die für Tanja geschwärmt haben, oder die - für die sie geschwärmt haben könnte, oder die, die sich bei der Suche nach ihr besonders engagiert haben, ....usw. usf.
Hier: nix! Deshalb springen wieder viele auf die freiwilliges Verschwinden - Theorie auf. Obwohl wir lediglich keine öffentlich bekannten Verdächtigen oder ehemals Verdächtigen haben. Es gibt keine Männer/Jungs, die in den Medien hier aufgetaucht sind. (Die damals konkret nachweislich mit Tanja zu tun hatten.)
Somit bleiben die Kombinationsvarianten, also 4.), und 7.)+8.) genauso leer, ohne Anhaltspunkte.
Die Briefe: für uns Außenstehende sind die Briefe noch weniger zu deuten.
Es wurde hier noch und nöcher über die Briefe philosophiert: ....der Täter konnte dadurch Zeit gewinnen, vielleicht musste Tanja die Briefe gezwungenermaßen sofort schreiben und sie wurden erst später vom Täter verschickt, vielleicht wollte Tanja Zeit gewinnen, .... usw. usf.
Das einzig interessante und verwertbare meiner Meinung nach: gab es irgendwas in oder an den Briefen, was Rückschlüsse auf eine fremde Person gibt. Hat man Speichel unter der Briefmarke untersuchen können? Gab es Fingerabdrücke auf dem Papier, die irgendwas Verwertbares ergaben haben?
Aber die Ermittler sind nicht blöd. Das wurde doch sicher untersucht, nehme ich mal an. Der Täter, sofern es einen gibt/gab, war wahrscheinlich auch nicht blöd. ...
Es ist zum Verzweifeln.
Dann wieder kurz der Gedanke an die Starre durch die vielen vergangenen Jahre. Die Scham. Die Angst sich zu melden, weil man so viel Kummer verursacht hat, weil alle sich das Schlimmste ausgemalt haben, der Fall Kosten verursacht hat, etc etc. , dabei würde ein sich-Melden-von-Tanja all diese Dinge in den Schatten stellen. Mütter, Väter, Familie vergeben alles, und es wäre einfach das größe Glück, wenn Tanja leben würde.
Aber dann wieder Gedanke, auch hunderte Male hier durchgekaut, wie soll das eigentlich funktionieren: sich so lange Zeit durchs Leben unterer anderer Identität durchzuschlagen. Naja, früher zu Zeiten der Karteikarten ging das sicher noch einfacher, heutzutage? sehr sehr unwahrscheinlich.
Was ist aus den Hippieaussteigern aus La Gomera usw. geworden? Haben die ins bürgerliche Leben zurückgefunden?
Was ist mit den Leuten, die in Glaubensgemeinschaften oder Sekten leben? Was ist mit Kommunen?
Aber dann wieder die Ernüchterung: war Tanja überhaupt der Typ dafür? Und gibt es da keine Mitmenschen, die nicht Mitleid hätten oder Aussteiger, die einen Tip geben würden? Ich glaub, die würde es geben.
Und überhaupt...die Hippie- und Sektentheorie ist natürlich auch immer das Klischee, wenn man beim Vermisstenfall nicht weiterweiß.
Ach ja, ganz vergessen ganz oben: normalerweise gibt es noch die Suizidtheorie. Aber die schließen wir bei Tanja auch aus. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Ja ok, auch hier gäb es Kombinationen: erst ausgestiegen, dann komplett gegangen. ...Diese Überlegungen ergeben auch bezgl. dem Verschwinden von Tanja keinen Sinn.
Für mich setzt das Ganze immer noch an den Freunden, Bekannten, Klassenkameraden, Schulkameraden, Mitschüler - die man nur vom Sehen her kennt, die Clique, Freizeitkontakte, Discobekanntschaften, der nette Nachbar von nebenan, etc. an. Wie kommt man an all die Leute ran. Ein Adressbuch von Tanja haben die Ermittler sicher durchforstet. Jeder Notizettel wird wahrscheinlich beguckt worden sein.
Trotzdem hätte vielleicht eine Chance gelegen: die Bekannten, der Bekannten, .... das kaum erfassbare Umfeld
Aber es ist so furchtbar lange her.