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Mordfall Charlotte Böhringer

28.936 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, München, 2006 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Charlotte Böhringer

Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 14:55
Zitat von LivingElvisLivingElvis schrieb:Was dafür sprechen würde, dass der Täter das Opfer gut kannte...
Was aus meiner Sicht eher dafür spricht, dass es so nicht gewesen sein kann. Das "Testaments"-Indiz ist in Wirklichkeit überhaupt kein Indiz.

Es fängt schon damit an, dass es für B. T., wenn er denn der Täter gewesen wäre, überhaupt keinen Sinn ergeben hätte, das Testament NACH der Tat zu lesen.
Zumal die vom Gericht angenommene Motivkonstruktion auch darauf fußt, dass B. T. von einem Erbe ausging. Wozu dann die ganze Aktion nach dem Mord? In diesem Zusammenhang entblödet sich das Gericht auch nicht anzubringen, dass er ein Verschwinden lassen nicht riskieren konnte, da er nicht habe sicher sein können, wer von der Existenz Kenntnis gehabt habe und wer nicht?

Es ist hier viel plausibler anzunehmen, dass die Spuren in einem anderem Zusammenhang (Briefpapier) entstanden sind.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 14:58
@muscaria

13 Minuten Fahrt (wobei der Routenplaner 16 sagt, aber nehmen wir ruhig die Zahlen der Polizei) + 20 Minuten Tatbegehung = 33 Minuten.

Dann hätte der Mord gegen ca. 19.00 Uhr stattfinden müssen.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:01
Zitat von aberdeenaberdeen schrieb:Dann hätte der Mord gegen ca. 19.00 Uhr stattfinden müssen.
Was spricht dagegen?


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10.08.2013 um 15:05
Zitat von tracestraces schrieb:Bei seiner Version, wie sich seine Tante des GF entledigen wollte und bereitwillig der Idee folgte, mit fingierten Tatsachen einen Kündigungsgrund herbeizuführen, wird von ihm gleichzeitig ein entsprechendes Bild der Person und des Geschäftsgebarens seiner Tante gezeichnet.
Würd ich nochmal lesen an Deiner Stelle. In meiner Quelle steht da überhaupt nichts von "bereitwillig". Oder ist das vielleicht Deine Interpretation?
Zitat von tracestraces schrieb:Wie ich bereits an früherer Stelle mal darlegte, wird mangelnde Empathie meist mit Manipulation kompensiert. Es ist fraglich, ob ein solch gerechtigkeitsliebender Mensch, der sich später angeblich für den GF einsetzt, überhaupt zunächst an einem solchen Komplott teilnimmt. Von "Empathielosigkeit" habe ich darüber hinaus erstens nicht gesprochen und zweitens habe ich die Frage nach dem Empathievermögen Bences in Bezug auf @dundee10 Posting aufgeworfen (s.o.).
Und wer außer Dir hat von einem "gerechtigkeitsliebenden" Menschen gesprochen? Oder ist das irgendwie ungewöhnlich, dass Menschen Verhalten auch schon mal korrigieren?

Wieso siehst Du eigentlich mit dem eingeschränkten Informationshintergrund Dinge, die der psychatrische Sachverständige Prof. H. Saß nicht gesehen hat?


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:07
@muscaria

Der vom Gericht angenommene Ablauf: Frau Ch. B. auf dem Weg zu ihrem Stammtisch, zu dem sie stets zu spät aufzuschlagen pflegte.

Dies wird als belastend für B. T. angenommen, da hierdurch konstruiert wird, dass der Täter gute Kenntnisse von den Gewohnheiten der Getöteten hätte haben müssen.


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10.08.2013 um 15:08
Zitat von meerminmeermin schrieb:Ich finde berufliches Scheitern einfach nicht so schlimm sofern damit nicht ein berechnendes jemand anderem auf der Tasche liegen und auf Kosten von jemand anderem Leben verbunden ist.
Mich wundert zwar dass Aberdeen das noch nicht diagnostiziert hat, aber aus irgendeinem Grunde wirst du von diesem User geschont. Mach ichs halt:

Du kannst dich nicht abgrenzen. Du überträgst deine eigene Erfahrungen 1:1 auf die Bencegeschichte und kannst dir nicht im Ansatz vorstellen, dass andere Menschen anders denken handeln und fühlen als in deiner idealisierten Erfahrungswelt. Im Grunde sprichst du wenn du von dem Fall redest mehr über dich als über irgendetwas anderes. Dein Urteilsvermögen ist dadurch schwer eingetrübt und das macht die Diskussion so mühsam.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:12
@aberdeen

Du sagst es, es ist ein angenommener Ablauf. Im Urteil wird von einer möglichen oder wahrscheinlichen Uhrzeit ausgegangen. Die tatsächliche Zeit der Tatausführung kann doch davon abweichen, nicht mal der Täter könnte ein minutiöses Protokoll liefern.
muscaria schrieb:
Und theoretisch kann es doch sein, dass B.T. ab 18:30 Uhr gelauert hat und die Tante dann um zehn vor sieben die Treppe runterkam. Aus welchen Gründen auch immer, auch wenn sie normalerweise später zu ihrem Stammtisch ging. Falls sie vorher noch kurz etwas erledigen wollte und niemandem davon erzählt hat, gehört das zu den Punkten, die nie geklärt werden können.
Wäre C.B. erst später runtergekommen, dann hätte Bence zu Hause halt statt um 19:34 erst um 19:52 telefonieren können. Für die Tat kann es doch nur einen ganz groben Plan gegeben haben, jedes eintreffende Ereignis hätte eine Änderung im Ablauf erforderlich gemacht.



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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:12
@aberdeen

ehrlich gesagt empfinde ich mittlerweile Diskussionen mit dir als müßig. Ich hab den Eindruck, dass du nur das verstehst, was du verstehen willst und auch nur das liest, was du gern herauslesen möchtest. Und ja, ich habe daher keinerlei Drang mehr, auf deine Postings einzugehen.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:13
@traces

Na, dann lass es eben einfach. Ist auch blöd, wenn einer auf einer Party, wenn die Stimmung gerade schön ist, das Licht anknippst.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:16
@muscaria

So etwas zu behaupten, hat sich sich aber noch nicht einmal das Gericht getraut, denn dann müsste man davon ausgehen, dass B. T. (oder der Täter) eine ziemlich lange Zeitspanne im Mord-Outfit vor der Tür rumgelungert hat. In einem öffentlich zugänglichen Raum wohlgemerkt. Für B. T. dann besonders brisant: alle kannten ihn dort und er war überdies für den Tag auch noch krank gemeldet.

Passt nicht.

@KonradTönz1 hat sehr vehement darauf hingewiesen, dass jeder Mörder ein vitales Interesse daran habe, sich so kurz wie nur irgend möglich in Tatortnähe aufzuhalten.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:18
@muscaria
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Du sagst es, es ist ein angenommener Ablauf. Im Urteil wird von einer möglichen oder wahrscheinlichen Uhrzeit ausgegangen. Die tatsächliche Zeit der Tatausführung kann doch davon abweichen, nicht mal der Täter könnte ein minutiöses Protokoll liefern.
Noch zur Ergänzung: in Deutschland sind die Gerichte zur Wahrheitsfindung verpflichtet. D. h., es genügt nicht, irgendeinen möglichen Tatablauf darzustellen.


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10.08.2013 um 15:19
@KonradTönz1
Zitat von KonradTönz1KonradTönz1 schrieb:Du kannst dich nicht abgrenzen. Du überträgst deine eigene Erfahrungen 1:1 auf die Bencegeschichte und kannst dir nicht im Ansatz vorstellen, dass andere Menschen anders denken handeln und fühlen als in deiner idealisierten Erfahrungswelt
Warum hätte ich das tun sollen? Erstens steht mir so etwas bei anderen Usern überhaupt nicht zu und zweitens, nehme ich die meisten User hier so wahr :-)


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:25
Zitat von aberdeenaberdeen schrieb:In einem öffentlich zugänglichen Raum wohlgemerkt.
Er hätte es leicht hören können, wenn sich entweder vom Treppenhaus oder vom Parkdeck jemand genähert hätte. Wo ist denn da das Problem?
Zitat von aberdeenaberdeen schrieb:D. h., es genügt nicht, irgendeinen möglichen Tatablauf darzustellen.
Wie soll es denn anders gehen?


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:27
@muscaria
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Er hätte es leicht hören können, wenn sich entweder vom Treppenhaus oder vom Parkdeck jemand genähert hätte. Wo ist denn da das Problem?
Und was hätte ihm das genützt?

Zumal der Eingangsbereich zur Wohnung von der Auffahrt zum 4. Parkdeck aus einsehbar ist.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:28
@muscaria
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Wie soll es denn anders gehen?
Den tatsächlichen ... oder die bestmögliche Annäherung hieran.


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10.08.2013 um 15:31
Die Überzeugung des Gerichtes nach Ausschöpfen aller möglichen Beweismittel reicht völlig aus. Da wird natürlich auch viel spekuliert. Es handelt sich ja stets um eine Interpretation der Beweise in ihrer Gesamtschau.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:33
Zitat von aberdeenaberdeen schrieb:Und was hätte ihm das genützt?
Es wären nur wenige Schritte zum eigenen Auto gewesen, um sich dort z.B. über den Kofferraum zu beugen. Niemand hätte sich darüber gewundert. Wäre es ein Parkhaus-Mitarbeiter gewesen, hätte er die Aktion zu diesem Zeitpunkt immer noch abbrechen können.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:36
@muscaria
Zitat von muscariamuscaria schrieb:Es wären nur wenige Schritte zum eigenen Auto gewesen, um sich dort z.B. über den Kofferraum zu beugen. Niemand hätte sich darüber gewundert. Wäre es ein Parkhaus-Mitarbeiter gewesen, hätte er die Aktion zu diesem Zeitpunkt immer noch abbrechen können.
Woher weißt Du das mit den "wenige Schritte zum eigenen Auto"?

Echte Assassinen-Fertigkeiten und Nervenstärke werden da unterstellt.

Und das gilt nur, wenn man sich sicher ist, dass man eventuelle Zeugen auch selbst wahrnimmt. Bei unbemerkten Annäherungen ist man gleich im Arsch.

Wäre da nicht von einem Täter mit Schlüssel-Besitz mehr zu erwarten gewesen?


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:37
Zitat von LivingElvisLivingElvis schrieb:Die Überzeugung des Gerichtes nach Ausschöpfen aller möglichen Beweismittel reicht völlig aus. Da wird natürlich auch viel spekuliert. Es handelt sich ja stets um eine Interpretation der Beweise in ihrer Gesamtschau.
Ist das Gericht hierin völlig frei oder gibt es da Richtlinien?


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:44
Vielleicht hab ich das vergessen

Der Mordprozess Böhringer zeigt die Schwächen des Zeugenbeweises und bietet ein Kaleidoskop der Münchner Gesellschaft
Von Alexander Krug

Wenn sich Benedikt T. auf der Anklagebank nach vorne beugt, fallen ihm regelmäßig die langen Haare ins schmale Gesicht. Vermutlich nimmt er es gar nicht mehr wahr, wenn er sie mit der immer gleichen Bewegung hinter den Ohren zu bändigen versucht. Benedikt T. beugt sich oft nach vorne, als wolle er die Worte aufsaugen, die die Männer und Frauen auf dem Zeugenstuhl vor ihm zum Besten geben. 63 Zeugen waren es bislang in diesem Prozess, der seit nunmehr vier Monaten das Schwurgericht beschäftigt. Nimmt man einige der Zeugenauftritte zum Maßstab, dann bietet sich hier im Saal A 101 ein Kaleidoskop der Münchner Hautevolee. Vielen scheint ihr eigener Auftritt wichtiger als der Umstand, dass hier um Schuld oder Unschuld, um lebenslange Haft oder Freispruch gerungen wird. Manchem ist anscheinend nicht bewusst, dass es nicht um ein gesellschaftliches Ereignis, sondern um Mord geht. Und so wächst mit jeder weiteren Aussage der Zweifel am Sinn des sogenannten Zeugenbeweises, der im Strafrecht noch immer eine herausragende Stellung einnimmt.
Die Tatwaffe fehlt
Benedikt T., 32, ist angeklagt wegen Mordes an seiner Tante Charlotte Böhringer, der Parkhaus-Millionärin, wie sie umgehend von den Medien tituliert wurde. Böhringer war eine vermögende Frau und das wurde ihr aus Sicht der Staatsanwaltschaft zum Verhängnis. Am 15. Mai vorigen Jahres wurde die 59-jährige Geschäftsfrau in ihrer Dachgeschosswohnung des Parkhauses an der Baaderstraße in den frühen Abendstunden mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Wahrscheinlich war es ein Hammer oder eine Brechstange, gefunden wurde die Tatwaffe nie.
Der Täter muss in Rage gewesen sein, er schlug rund zwei Dutzend Mal zu. Das Blutbad machte die Ermittler sicher, es mit einer Beziehungstat zu tun zu haben. Zumal es auch keine Aufbruchspuren gab und keine Wertgegenstände fehlten. Nur einen Tag nach dem Mord fragte bereits ein Kripobeamter die Verlobte von Benedikt T., ob sie diesem eine solche Tat zutrauen würde. Die junge Frau war fassungslos: Er sagte, ich wäre nicht die erste Frau, die nicht weiß, was ihr Mann so treibt. Die lockeren Redensarten der Ermittler sollten sich fortsetzen. Ein Kriminalbeamter sagte einer Zeugin später bei einer Vernehmung scherzhaft: Wäre das meine Tante gewesen, hätte ich sie längst erschlagen.
Charlotte Böhringer war eine Frau mit zahlreichen Facetten. Viele Zeugen, vor allem ehemalige Angestellte ihres Parkhauses, lassen kaum ein gutes Haar an ihrer Chefin. De mortuis nil nisi bene über Verstorbene solle man nur Gutes sagen, dieser Spruch gilt offenbar nicht für Böhringer. Egoistisch sei sie gewesen, geizig, herrisch, aufbrausend, cholerisch, herablassend und besitzergreifend. Selbst Freunde sprechen von der Ermordeten als Person mit zwei Gesichtern. Einerseits die toughe Geschäftsfrau, andererseits die charmante und perfekte Gastgeberin, die als Witwe schwer mit ihrer Einsamkeit zu ringen hatte.
Die Ermittler stützten sich in ihrer Indizienkette vor allem auf das Bild der dominanten und herrschsüchtigen Böhringer. Unter ihren Launen und Ausbrüchen musste besonders der Lieblingsneffe Benedikt T. leiden. Der 32-jährige Student war finanziell abhängig von seiner Tante, er arbeitete in der Parkgarage und finanzierte sich so nach außen sein Jurastudium. Seine tatsächliche Leidenschaft galt indes der Kunstgeschichte. Böhringer passte dies nicht, sie wollte einen Juristen im Hause, der sie unterstützt und ihr Parkhaus einmal weiterführt. Sie tat auch alles, um ihren Neffen in die Münchner Gesellschaft einzuführen. Dass ihm daran nichts lag, missfiel ihr ebenso wie die Wahl seiner Verlobten. Für Böhringer war sie schlicht die Ossi-Tussi. Irgendwann, so die Ermittler, war das Maß der Demütigung für den Neffen voll. Als Böhringer auch noch seine Enterbung ins Auge fasste, musste sie sterben.
Brüchige Indizienkette
Garstige Böhringer, gieriger Benedikt, so sieht das Bild der Ermittler aus. Aus Sicht der Verteidiger ist es ein Zerrbild. Die Anwälte Peter Witting und Stefan Mittelbach halten die Indizienkette der Ankläger für brüchig, kritisieren vor allem den Erkenntniswert der vielen Zeugenaussagen. Der sogenannte Zeugenbeweis gilt unter Juristen schon immer als das unzuverlässigste und fehlerträchtigste Beweismittel, das die Strafprozessordnung (StPO) kennt. Kein anderes ist so anfällig für Verfälschung etwa durch Wahrnehmungs- und Erinnerungsfehler oder auch durch Parteilichkeit. Die fehlerlose Erinnerung ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme, hat der Begründer der differenziellen Psychologie, William Stern, schon vor mehr als hundert Jahren konstatiert. Dennoch gilt die Zeugenaussage bis heute als das häufigste Beweismittel.
Niemand wird behaupten wollen, dass die Zeugen im Fall Böhringer bewusst die Unwahrheit sagen. Welchen Grund gäbe es auch dafür? Einen Tatzeugen gibt es nicht, also kann niemand den Angeklagten direkt des Verbrechens bezichtigen. Doch wie verhält es sich mit Aussagen, die bewusst oder unbewusst den Ermittlern helfen wollen? Oder, im Gegenteil, den Angeklagten zu entlasten suchen, sei es aus persönlicher Sympathie oder schlicht aus Abneigung gegen jede Art strafrechtlicher Verfolgung. Wie steht es mit der Aussage, die im guten Glauben gemacht wird, sich aber dann nachweislich als falsch herausstellt?
Der Irrtum ist der größte Feind der Wahrheitsfindung vor Gericht, konstatierte der Rechtsprofessor Rolf Bender 1982 in einem Aufsatz. Jeder Zeuge kann sich irren, sei es aus Vergesslichkeit, Nachlässigkeit oder auch, weil er von seiner Version überzeugt ist. Hat sich subjektiv ein Eindruck erst einmal festgesetzt, ist die Objektivität meist schon verloren. Beispiele dafür gibt es viele im Mordprozess Böhringer, exemplarisch seien hier zwei herausgegriffen.
Ingrid Holenia, 49, war eine gute Bekannte von Böhringer und ist Geschäftsführerin eines bekannten Münchner Wirtshauses. Sie will erkannt haben, dass der Angeklagte unverhältnismäßig viel hingenommen habe von seiner Tante. Vielleicht war es ihm irgendwann zu viel, gibt sie ungefragt zum Besten. Böhringer habe aus Verärgerung zum Schluss eine Stiftung geplant und gesagt, ihre Neffen kriegen nichts mehr. Die Richter haken nach: Die Stiftung war nur eine Denkvariante, ergänzt die Zeugin daraufhin. Und noch später revidiert sie alles Gesagte: Ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht mehr, ob wir darüber geredet haben. In Momenten wie diesen platzt den Verteidigern der Kragen. Die ganze Beweisaufnahme erschöpft sich in Vermutungen, schimpft Anwalt Witting ein ums andere Mal.
Gerd Käfer, 74, ist Begründer des gleichnamigen Feinkostimperiums. Käfer scheint seine Rolle als Zeuge zu genießen zuvor hatte er bereits ein Interview im Fernsehen gegeben. Den Angeklagten bezeichnet er als Playboy und sehr lebenslustig, gesehen hat er ihn aber nur einige wenige Male, immer im Schlepptau von Böhringer. Zur Sache hat Käfer nicht viel beizutragen, außer einem Detail. Bei einer geselligen Runde im Biergarten habe er einmal eine heiße Diskussion zwischen Böhringer und ihrem Neffen miterlebt. Böhringer sei vom Nachbartisch dann an seinen Tisch gekommen und habe wutentbrannt gesagt, der Benni will immer mehr und mehr. Jetzt ist Schluss. Bei seiner Vernehmung bei der Polizei hat Käfer von dieser angeblich hitzigen Atmosphäre nichts erwähnt. Vielleicht hab ich das vergessen, ringt er um Worte. Verteidiger Witting ist empört und zeigt Käfer wegen des Verdachts der Falschaussage an.
Wir haben viel gesprochen nach dem Mord, was war, wer kann das gewesen sein, räumt Ingrid Holenia an anderer Stelle ein. In diesem Satz offenbart sich das ganze Dilemma des Zeugenbeweises. Der Mord war natürlich Tagesgespräch unter Böhringers Bekannten, alles andere wäre lebensfremd. Manche der sogenannten Freunde hatten nichts besseres zu tun, als den Boulevard mit Klatschgeschichten zu versorgen. Das ging soweit, dass Böhringer Kontakte zum Rotlichtmilieu nachgesagt wurden. Vergil hat die Fama einmal als grausiges Wesen mit zahlreichen unaufhörlich schwatzenden Mäulern und Zungen beschrieben einige von Böhringers falschen Freunden müssen lange Zungen haben.
Der Zeuge, das unbekannte Wesen, tritt im Böhringer-Prozess in vielerlei Gestalt auf. Der eine strotzt vor Eitelkeit und Geschwätzigkeit, der andere glaubt, mit Arroganz das Gericht oder die Öffentlichkeit beeindrucken zu können. Andere wiederum zweifeln, wägen ab und wünschen sich am liebsten weit weg von diesem unbequemen Platz. Je mehr Aussagen sich ansammeln, desto fragwürdiger wird das Procedere. Den idealen Zeugen gibt es nicht, das wusste der Gesetzgeber schon immer. Das Misstrauen der Juristen spiegelt sich denn auch in der Strafprozessordnung, die dem Zeugen allein 24 Paragraphen widmet. Doch obwohl der Mensch in seiner Wahrnehmung fehlerhaft ist, wird er immer wieder zum wichtigsten Beweismittel gemacht.
Kein Ende absehbar
Die moderne Kriminaltechnik, vor allem der genetische Fingerabdruck, hat ein wenig Druck von dem Zeugenbeweis genommen und das ist gut so. Doch hat auch diese schöne neue Welt ihre Schattenseiten. Dass ausgerechnet der Böhringer-Prozess diese zeigt, mutet fast wie ein Witz an. In der Wohnung Böhringers fand sich an einem Glas eine DNS-Spur, die zum allgemeinen Erstaunen identisch ist mit einer Spur aus dem alten Mordfall Ursula Herrmann. Die Schülerin war 1981 entführt und in einer Kiste in einem Wald am Ammersee vergraben worden. Das Kind erstickte qualvoll, der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt.
Ob reale Spur oder Laborversehen, seit der Entdeckung der identischen Muster sind der Fall Herrmann und der Mordprozess Böhringer auf unselige Weise miteinander verquickt. Aus diesem Grund ist es bisher fast unmöglich, ein Ende des Verfahrens am Schwurgericht voraussagen zu können. Intern wird bereits davon gesprochen, dass es in diesem Jahr nicht mehr zu einem Urteil kommen werde. Am kommenden Montag wird das Verfahren nach mehrwöchiger Unterbrechung fortgesetzt. Sechs Zeugen sind vorläufig noch geladen. Benedikt T. wird weiter aufmerksam ihren Aussagen lauschen, sich Notizen machen und sich die langen Haare mit einer unbewussten Geste aus dem Gesicht streichen.
Böse Tante, habgieriger Neffe, so stellt sich der Mordfall an der Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer aus Sicht der Ermittler dar. Der wegen Mordes angeklagte Benedikt T. bestreitet die Vorwürfe, schweigt aber im Prozess. Böhringer (das Foto stammt von ihrer Beerdigung) wurde am 15. Mai vorigen Jahres in ihrer Wohnung erschlagen. Der Prozess wird aller Voraussicht nach noch bis ins nächste Jahr andauern. Fotos: rob/Archiv, ahed/Archiv

Südddeutsche Zeitung, 08.09.2007


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:54
Zitat von aberdeenaberdeen schrieb:Ist das Gericht hierin völlig frei oder gibt es da Richtlinien?
Prinzipiell frei (§ 261 StPO). Es darf halt nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze und Beweisregeln verstoßen.

Der BGH drückt es so aus, dass "die zur Urteilsfindung erforderliche Überzeugung vom Ablauf eines bestimmten geschichtlichen Ereignisses (...) nur darin bestehen (kann), dass der Richter persönlich einen bestimmten Sachverhalt für wahr hält, ohne Rücksicht auf objektiv mögliche Zweifel." (BGHSt 10, 209)


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 15:57
Zitat von aberdeenaberdeen schrieb:Woher weißt Du das mit den "wenige Schritte zum eigenen Auto"?
Sein Auto stand im 4. Parkdeck.


Bei so manchem Verbrechen, über das man in der Zeitung liest, ist man verwundert, was die Täter für Risiken auf sich genommen haben. Bei diesem Fall ist die Vorgehensweise eigentlich nicht besonders spektakulär. Trotzdem man hat den Eindruck, die angebliche "Nichtdurchführbarkeit" soll einem durch unentwegtes Wiederholen eingeredet werden.


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 16:02
Bei so manchem Verbrechen, über das man in der Zeitung liest, ist man verwundert, was die Täter für Risiken auf sich genommen haben. Bei diesem Fall ist die Vorgehensweise eigentlich nicht besonders spektakulär. Trotzdem man hat den Eindruck, eine angebliche "Nichtdurchführbarkeit" soll einem durch unentwegtes Wiederholen eingeredet werden.
Ted Bundy hat seine Opfer ganz offen am See angequatscht und zum Mitfahren überredet. Der ist sogar mit Gipsarm rumgerannt, so dass der auch wirklich auffallen musste.

Jeffrey Dahmer hat sein Opfer bis in die Arme von Polizisten verfolgt und denen da was vom Pferd erzählst, so dass die dem geholfen haben, die arme Sau wieder mitzunehmen.

Also wenn "Blödheit" oder "Dreistigkeit" Faktoren wären, die Täter SICHER abhalten würden, könnten wir einige Knäste nur noch als Museen nutzen.....


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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 16:03
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Mordfall Charlotte Böhringer

10.08.2013 um 17:00
Um Frau Böhringer unmittelbar nach dem Öffnen der Tür erschlagen zu können, wie es das Gericht Bence unterstellt müsste er aber auch unmittelbar vor der Tür gelauert haben und nicht irgendwo bei seinem Fahrzeug mit Kopf im Kofferraum.

Das ganze Tatkonstrukt beginnt mit der Annahme, dass Bence die Gewohnheiten der Tante gekannt hätte und deshalb gewusst hätte wann sie an besagtem Tag die Wohnung verlassen würde.

Weiter wird unterstellt er habe der Tante vor deren Wohnungstür augelauert, und das hätte er vor der Tür machen müssen, nicht im Auto.


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