@Scipper Hier wie gewünscht der Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, 17.07.2007:
Nur eine Fliege könnte ich umbringen
Böhringer-Prozess: Verlobte entlastet den Angeklagten doch ein Alibi kann sie ihm nicht mehr liefern
Es ist der zwölfte Tag im Prozess um den Mord an der Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer und es ist ein wichtiger Tag. Es geht um ein mögliches Alibi des wegen Mordes an seiner Tante angeklagten Benedikt T., 32. Wo war er damals in den Abendstunden des 15. Mai vorigen Jahres? Eine Person kann darüber Auskunft geben und das ist seine Verlobte Anja A. (Name geändert). In einer frühen Aussage hatte sie den Angeklagten noch entlastet und erklärt, dass er zum vermuteten Tatzeitpunkt erkältet im Bett lag. Diese Aussage hat sie nun in Teilen revidiert: Demnach war der Angeklagte über mehrere Stunden hinweg allein zu Hause.
Das Wiedersehen der beiden im Gerichtssaal verläuft unspektakulär, ein Lächeln, eine kurze Handbewegung, dann nimmt Anja A. auf dem Zeugenstuhl Platz. Kennengelernt haben sie sich schon zu Schulzeiten am Max- Born-Gymnasium in Germering. Seit zwölf Jahren sind die 30-jährige Sonderschullehrerin und der gescheiterte Jura-Student ein Paar. Doch über ihren privaten Beziehungsbereich möchte Anja A. nichts sagen. Das ist ihr gutes Recht, als Verlobte (seit 2004) hat sie ein sogenanntes Zeugnisverweigerungsrecht. Auch über das Verhältnis von Böhringer und ihrem Neffen will sie sich nicht äußern. Ihre eigenen Kontakte zu Böhringer beschränkten sich auf wenige und unerfreuliche Treffen. Sie hatte offensichtlich etwas gegen Lehrer, meinte Anja A. Sie sagte, nicht einmal Gymnasiallehrerin und dann auch noch Sonderschullehrerin. Für die Abneigung Böhringers gegen ihre Person hat die Zeugin keine Erklärung.
Am Tattag, dem 15. Mai 2006, waren der Angeklagte und seine Verlobte bei Freunden zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Benedikt habe sich jedoch nicht wohl gefühlt, und sie sei dann allein auf die Feier. Bei ihrer Rückkehr gegen 22.15 Uhr sei er im Bett gelegen und habe gelesen. Seine erste Frage war: Warum kommst du denn so spät? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte vermutlich mit seinem Fahrrad von der Georgenstraße zum Parkhaus in der Baaderstraße fuhr und dort seine Tante irgendwann zwischen 18.15 und 19.10 Uhr erschlug.
Stimmt die Anklage, muss Benedikt T. ein glänzender Schauspieler sein. Denn seine Verlobte bemerkte nichts Auffälliges an ihm in jener Nacht. Ist Ihnen körperlich etwas aufgefallen, fragt Verteidiger Peter Witting die Zeugin. Nein, lautet die knappe Antwort. Kriegen Sie es auf die Reihe, dass er drei Stunden vorher seine Tante umgebracht haben soll, fragt Witting weiter. Wieder nur ein kurzes Nein.
Von Böhringers Tod erfuhr Anja A. am 16. Mai abends durch einen Anruf ihres Verlobten, der an dem Tag im Parkhaus arbeitete. Er sagte, sie ist tot. Da ist alles voller Blut. Er war völlig fertig. Um ihrem Verlobtem zur Seite zu stehen, fuhr Anja A. in die Baaderstraße. Er saß auf einer Stufe zum Büro und hat geweint, schildert sie. Offenbar hatten die Ermittler zu diesem frühen Zeitpunkt schon einen Verdacht gegen Benedikt T. Denn noch am Tatort fing ein Kripobeamter an, seine Verlobte auszufragen. Er fragte mich, trauen Sie Ihrem Mann so etwas zu?, sagt Anja A. Später habe der Beamte ihr dann gesagt, sie wäre nicht die erste Frau, die nicht weiß, was ihr Mann so treibt. Dem Beamten hatte sie damals auch gesagt, dass sie erst gegen 19 Uhr zu der Geburtstagsfeier gefahren sei. Da hab ich nicht genauer nachgedacht , räumt sie heute ein. Tatsächlich habe sie an dem Tag schon um 16 Uhr die gemeinsame Wohnung in der Georgenstraße verlassen. Benedikt T. war also bis zur ihrer Rückkehr um 22.15 Uhr allein.
Nach ihrer Befragung ging Anja A. nach Hause und erzählte ihrem Verlobten vom Verdacht der Ermittler: Er sagte, so ein Schmarrn, mach dir keine Sorgen. Nur eine Fliege könnte ich umbringen. Er hat mich nicht ernst genommen.Am 18. Mai, drei Tage nach der Tat, wurde Benedikt T. festgenommen.
Alexander Krug