Origines schrieb:Ich frage mich ja immer: Wie kann ich jemanden töten, OHNE seine Arg- und Wehrlosigkeit auszunutzen? Die ist doch zumeist die Voraussetzung, um überhaupt zum Erfolg zu kommen.
Letztlich entfällt die Heimtücke nach der gängigen Definition ("bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit") ja nur, wenn das Opfer in einer Situation ist, in der es a) ahnt, dass es einen Angriff auf sein Leben geben wird und b) ein adäquates Mittel zur Gegenwehr hat.
Mir geht es genauso. Ich verstehe auch nicht, warum Henrike Schemmer nur ihren Schwiegervater heimtückisch ermordet hat, die vom Kampf mit diesem aus dem Schlaf aufgeschreckte und noch im Bett sitzende Ehefrau aber nicht, denn sie sah den Angriff ja kommen. Wehrloser geht für mich nicht: aus dem Schlaf im halbdunklen Schlafzimmer aufgeschreckt und der Fluchtweg durch die messerschwingende Schwiegertochter, die der Senioren zudem allein schon durch die Statur haushoch überlegen war versperrt.
Das sagt das Gericht, dass sie zwar wehr- aber nicht arglos war. Tortzdem sehe ich das anders, denn als sie sich am Vorabend ins Bett legte, fühlte sie sich ganz sicher vor einem solchen Angriff sicher und die Schwiegertochter hat gezielt die Nacht als Tatzeit gewählt und sich mit dem Zweitschlüssel möglichst lautlos bis ins Schlafzimmer geschlichen.
Der Trost ist, dass es am Gesamturteil nichts ändert, denn sie hat zwei Personen aus Habgier und davon eine zusätzlich in Heimtücke ermordet.
Hier sehe ich die Situation durchaus ähnlich. Selbst wenn man annimmt, dass BT schon vor dem Angriff in der Wohnung war, hätte CB doch nicht im entferntesten geahnt, dass er versuchen wird, die umzubringen. Sie mag geahnt haben, dass es einen Streit geben würde, wenn sie ihn reinlässt und sich auf ein Gespräch einlässt, sie mah ihm sogar aktiv vorwürfe gemacht haben. Aber doch nicht, dass er bereit ist, die körperlich anzugreifen und noch weniger, dass er sogar schon ihren Mord geplant hatte, als er an der Tür klingelte.
Er hat sie (wenn man diesen alternativen Ablauf annimmt) bewusst und gezielt in eine Situation gebracht, in der sie allein mit ihm ist, hinter verschlossenen Türen. Und er wird sie kaum so angegriffen haben, dass sie eine ernsthafte Chance auf Flucht oder Gegenwehr hatte.
quaerere1 schrieb:ist doch denke ich egal ob die Heimtücke wegfällt, es bleibt die Habgier und das ist auch ein Mordmerkmal.
Das ist aber nicht der Plan von BT und seinem Anwalt. Die wollen einen neuen Prozess bekommen und an dessen Ende ist dann wieder alles offen. Da wird dann nicht nur das Merkmal "Heimtücke" verhandelt und das Gericht entscheidet, ob es bestehen bleibt oder wegfällt, sondern der gesamte Fall. Und damit werden sind sozusagen alle Karten wieder neu gemischt. Man spekuliert darauf, dass das neue Gericht in einem neuen Verfahren zu einem gänzlich anderen Gesamturteil, nämlich Freispruch kommt, weil BT nach Wittings Meinung ja "so nie hätte verurteilt werden dürfen".
Wenn alle Indizien, bis auf dieses Spurenbildgutachten, wieder so erhoben werden, wie im ersten Prozess, würde das meiner Meinung nach auch nichts daran ändern, dass BT sehr eindeutig der einzig mögliche Täter ist. Aber hier spielt die Zeit ihm natürlich in die Hände. Die erinnerung der Zeugen ist heute fast 20 Jahre alt, einige sind vielleicht schon verstorben etc.
Ich bin ziemlich sicher, dass BT's Antrag keine Chance hat. Insofern sind das alle rein hypothetische Überlegungen. Aber BT betreibt den ganzen Aufwand halt nicht, um nur die Heimtücke und damit die besondere Schwere der Schuld aus seinem urteil zu tilgen, sondern um einen ganz neuen Prozess zu bekommen.