emz schrieb:Aber doch nicht in alle Akten, sondern nur in die, die Bestandteil der Verfahrensakten sind.
Vielen Dank für Deine Recherche! Ja, ein Problem sind alle rechtlichen Probleme...
Aber was sind die Verfahrensakten? Erst einmal alle Akten, die anlässlich eines Ermittlungsverfahrens zu Aufklärung einer Straftat von den Ermittlungsbehörden (Polizei) im Auftrag der Staatsanwaltschaft angelegt werden. Die StA ist Herrin des Verfahrens, entscheidet über Einleitung und Abschluss.
Schon aus § 160 Abs. 2 StPO (Pflicht zur Ermittlung entlastender Tatsachen) folgt ein umfangreiches Verständnis von Ermittlungs- bzw. verfahrensrelevanten Akten.
Also sind alle Akten, auch Spurenakten, Ermittlungsakten der StA, die Beweismittel enthalten. Ob sie nach Ansicht der StA für die Anklage und das Gericht relevant sind, ist dann ein weiterer Schritt der Verarbeitung. In der Praxis werden zusammenfassende Vermerke oder Berichte erstellt, z.B. "Es wurden 1000 Kfz überprüft, eines mit Kennzeichen xy ist vom Beschuldigten gefahren worden", "Die Finanzen des Tatverdächtigen wurden geprüft, es ergaben sich keine Auffälligkeiten" (30 Ordner mit Kontounterlagen). Ggf. wird dann 1 Akte zu diesem "Treffer" hinzugenommen.
Den Rest will keiner sehen oder auf dem Tisch haben, es geht ja vorrangig um die Tatsachen, die einen Angeschuldigten die Tat nachweisen.
Die Akten mit den 999 anderen Kfz oder den Kontounterlagen bleiben im Schrank. Aber sie sind
de jure und auch
de facto Bestandteil der Ermittlungen. Weder Polizei noch StA haben das alleinige Zugriffsrecht oder Entscheidungsrecht, auch wenn diese Akten nicht an das Gericht übersandt werden. Das Gericht, das über die Eröffnung und später die Verurteilung entscheidet, hat wie StA rechtlichen Zugriff auf alle Akten. Nicht nur die vorgelegten, sonst wäre es dem ausgeliefert, was die StA für wichtig hält - und die Anklagebehörde könnte dann manipulieren und Entlastendes im Schrank lassen. Nein, alle. Und damit auch der Verteidiger.
Das ist auch nicht alleinig mein Mist:
Das BVerfG (a.a.O.) hat der Verteidigung ein nach § 23 EGGVG einklagbares Recht zur Einsicht in die Spurenakten zuerkannt, die Polizei oder Staatsanwaltschaft dem Gericht nicht vorgelegt haben.
Quelle:
https://www.burhoff.de/veroeff/aufsatz/pa_2004_14.htmIn der Quelle im Übrigen interessanter Überblick über das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers.