Kriminalfälle
Menschen Wissenschaft Politik Mystery Kriminalfälle Spiritualität Verschwörungen Technologie Ufologie Natur Umfragen Unterhaltung
weitere Rubriken
PhilosophieTräumeOrteEsoterikLiteraturAstronomieHelpdeskGruppenGamingFilmeMusikClashVerbesserungenAllmysteryEnglish
Diskussions-Übersichten
BesuchtTeilgenommenAlleNeueGeschlossenLesenswertSchlüsselwörter
Schiebe oft benutzte Tabs in die Navigationsleiste (zurücksetzen).

Amanda Knox

11.100 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Medien, Prozess ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Amanda Knox

05.07.2014 um 20:48
Stop, einen Grund, weshalb D besser bzgl. der Beschwerden beim EGMRsein kann, liegt vielleicht beim Bundesverfassungsgericht. Eine solche weitere Überprüfung hat zumindest Italien nicht.


1x zitiertmelden

Amanda Knox

05.07.2014 um 20:58
@Siegfrieden
Zitat von SiegfriedenSiegfrieden schrieb:Nencini warf ihm vor, dass er keine Fragen beantworten wollte. Ich weiß ja nicht, ob das stimmt, aber widerlegt ist es nicht, jedenfalls hat er keine Fragen im Massei-Prozess beantwortet, und in den 2 anderen Prozessen ist er m.E. auch nicht in den Zeugenstand gegangen, sondern hat sich insgesamt auf spontane Erklärungen beschränkt.
Was sein gutes Recht ist und was ich von Nencinis Aussage diesbezüglich halte, habe ich ja schon in meinem Post über das Interview geschrieben.
Zitat von SiegfriedenSiegfrieden schrieb:Je nun, das hat auch RG getan. Aber beide haben sich bei den Kreuzverhören, sagen wir mal, zurück gehalten. Hier muss man AK ja doch mal für ihren Mut bewundern, sie war immer (im Massei-Prozess) bereit, alle Fragen auch zum wiederholten Male zu beantworten.
Sollecito hat sich nie einem gestellt, was wie gesagt sein Recht ist, Guede wurde zwar mehrfach vorgeladen hat aber, wenn er denn was gesagt hat, sich nur zu den Themen geäußert, die für ihn "ungefährlich" waren.
Zu Amanda Knox muss man sagen, dass sie auf eigenen Wunsch sprich: auf Antrag ihrer Verteidigung vor Gericht im Kreuzverhör ausgesagt hat. Sollecitos Verteidigung hätte dasselbe tun können, nur kann man es ihm nicht verdenken, dass er den Staatsanwälten nicht die Gelegenheit gegeben hat, ihn vor Gericht auseinanderzunehmen. Knox hat sich zwar wacker geschlagen, was aber am häufigsten zitiert wird ist ihr "...first of all I wanted to get on with my life...". Die Frage ist doch welche Chancen man glaubt gegen Staatsanwälte und Nebenkläger zu haben, die alles daransetzen werden, einen auf fem Falschen Fuß zu erwischen.
Zitat von SiegfriedenSiegfrieden schrieb:Frage ist doch, was will er mit den aktuellen Aussagen erreichen? Klar, seinen Freispruch, notfalls auf Kosten anderer. Aber auch wenn man alles schön redet, bestätigt er nicht mehr die durchgehende Anwesenheit von AK in seinem Haus. Wenn also unbestritten ist, dass er die Wahrheit sagt, ist die Frage, wann er die Wahrheit sagt - als er ausgesagt hat, sie sei durchgehend anwesend gewesen oder eben nicht. Und wenn das alles keine Rolle spielt - ja, warum thematisieren wir es dann hier?
Was ich hier sehe ist der verzweifelte Versuch von Sollecito die Medien daran zu erinnern, dass man ihn nur als Anhängsel von Knox verurteilt hat. Die Aussagen über die Abwesenheit von Knox beziehen sich auf den von @Quiron schon erklärten Fehler in Masseis Urteilsbegründung und die (nicht verwendbaren) Aussagen von Knox.

Zu den Aussagen/Memoriales von Knox vom 5./6. und 7. November 2007 gibt es hier eine Zusammenfassung, die sich haupsächlich mit der Calunnia auseinandersetzt: http://murderofmeredithkercher.com/calunnia-charge-f/ (Archiv-Version vom 07.07.2014)


melden

Amanda Knox

05.07.2014 um 21:15
@JosefK1914
Zitat von JosefK1914JosefK1914 schrieb:Es geht hier um die aktuellen Folgen, nicht für Folgen, welche erst bei Rechtskraft Gültigkeit erlangen. Die aktuellen Folgen psychische Folter, welche aber allein durch den Schuldspruch bewirkt wrd, die übrigen sind im Vergleich zur vorgeworfenen Tat extrem gering. In anderen Staaten hätte ein Schuldurteil eine sichere Inhaftierung zur Folge, da wird - bei einem Mordvorwurf - nicht mehr die Rechtskraft des Urteils abgewartet. Die Gefahr, dass sich der Verurteilte der Bestrafung entzieht, ist viel zu hoch. Insofern stellt auch hier dieses Urteil als ein fast einmaliges Urteil dar.
Ich bezog mich da auf die Dauer der Beratungen, die wohl nur zu dem vom Kassationshof geforderten Ergebnis geführt haben.

Ich denke, wie gesagt, das Nencini einfach nur "geliefert" hat, die Tatsache, dass er nicht darauf besteht, dass sein Urteil umgesetzt wird und die Urteilsbegründung selbst sprechen allerdings Bände, da gebe ich Ihnen Recht.
Zitat von JosefK1914JosefK1914 schrieb:Stop, einen Grund, weshalb D besser bzgl. der Beschwerden beim EGMRsein kann, liegt vielleicht beim Bundesverfassungsgericht. Eine solche weitere Überprüfung hat zumindest Italien nicht.
Nicht als "höhere Instanz", wie es hier in Deutschland der Fall ist. Es gibt eine Sektion des Kassationshofes, die sich mit Verfassungsfragen auseinandersetzt, aber auf dem selben Level angesiedelt ist wie zum Beispiel die Sektionen, die hier die Urteile bestätigt haben. So gesehen hat Deutschland eine "Kontrollinstanz" (was die Anwendung der Gesetze angeht) mehr, auch wenn in Mordfällen die Berufungsinstanz fehlt.


2x zitiertmelden

Amanda Knox

05.07.2014 um 21:59
Zitat von HansMHansM schrieb:Es ist zwar viel berichtet worden über den Fall, aber letztendlich sehe ich keinen Grund, warum die USA eine rechtskräftig verurteilte Mörderin nicht ausliefern sollten?
Man darf nicht vergessen, dass die versammelte Expertise hier im Forum zwar nüchtern-sachlich die Unschuld von AK und RS herzuleiten vermag, dies aber frei von jedweden Zwängen und perönlichen Interessen geschieht. Die Wahrheitsfindung steht im Vordergrund.

Sobald Karriereplanungen, individuelle Interessen, menschliches Unvermögen oder schlicht mangelnde Einarbeitungszeit hinzukommen sieht die Bewertung des Falles meist komplett anders aus. Aufgrund der (zwar nur auf den ersten Blick bestehenden) Komplexität finden ja immer wieder Interessierte hier in dieses Forum und werden erst anhand der tatsächlichen Fakten im Laufe der Zeit von der Unschuld überzeugt.

Insofern hängt meiner Meinung nach die Entscheidung über eine Auslieferung von dem Grad der "Interessenfreiheit" der Entscheidungsträger ab. Die "juristische Wahrheit" wird dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen. Und hier denke ich sieht es gut für AK aus. Der amerikanischen Öffentlichkeit kann eine Nichtauslieferung durchaus verkauft werden, da AK gute PR-Arbeit geleistet hat. Zudem meine ich mich zu erinnern, dass das Verfahren seitens der US-Behörden intensiv mitverfolgt wurde. Fehlende Sachkenntnis dürfte daher auch nicht bestehen.

Bleibt noch die mögliche diplomatische "Verstimmung" zwischen den USA und Italien. Hier vermute ich, dass sich diese doch sehr in Grenzen halten dürfte, da es zwischen den Staaten deutlich wichtigere Problembereiche geben sollte. Was gäbe es für Italien zu gewinnen? Die "Gesichtswahrung" wäre ja bereits mit der endgültigen Verurteilung erreicht. Was würden die USA im Gegenzug erhalten? Die Auslieferung einer amerikanischen Staatsbürgerin gibt es sicher nicht für lau. Was könnte Italien anbieten?

Und warum sollte Italien nach einer Verurteilung überhaupt Interesse an einer tatsächlichen(!) (also nicht nur geforderten) Auslieferung haben. Die 28-jährige Inhaftierung würde nicht unbeträchtliche weitere Kosten verursachen. Warum also deswegen einen diplomatischen Zinober veranstalten und sich selbst die "Bürde der Inhaftierung" auferlegen?

Wie gesagt, vor dem Hintergrund, dass die "Wahrheitsfindung" nur eine geringe Rolle spielen dürfte, erscheint mir eine tatsächliche und nicht nur geforderte Auslieferung ziemlich unwahrscheinlich.


melden

Amanda Knox

05.07.2014 um 23:39
Zitat von HansMHansM schrieb:Nicht als "höhere Instanz", wie es hier in Deutschland der Fall ist. Es gibt eine Sektion des Kassationshofes, die sich mit Verfassungsfragen auseinandersetzt, aber auf dem selben Level angesiedelt ist wie zum Beispiel die Sektionen, die hier die Urteile bestätigt haben. So gesehen hat Deutschland eine "Kontrollinstanz" (was die Anwendung der Gesetze angeht) mehr, auch wenn in Mordfällen die Berufungsinstanz fehlt.
Der BAG und das BVerfG als auch der EGMR mischt sich nur ein, wenn rechtliche Fehler vorliegen. In die freie Beweiswürdigung mischen diese sich nur dann ein, wenn eklatante nicht mehr mit einem Rechtsstaat zu vereinbarende Würdigungen vorliegen.

Das ist jedoch eine vollkommen andere Grundlage, als der Berufungsinstanz, diese würdigt die Beweise neu.

Auf rechtliche Fehler wird also dann egal wie viel Instanzen davor sind, nur noch die der letzten Tatsacheninstanz geprüft, so dass genau diese im italienischen Recht nur einmal vom obersten Gerichtshof geprüft wird. Im Deutschen System werden diese sowohl vom BGH als auch vom BVerfG geprüft. Bzgl. rechtlicher Fehler wird also doppelt geprüft, was vermutlich die geringere Anzahl von stattgegebenen Beschwerden durch den EGMR zur Folge hat

Nicht bemerkbar werden aber so fehlerhafte Beweiswürdigungen im deutschen System, soweit sie sich nicht so extrem sind, dass sie rechtsstaatlich nicht mehr tragbar sind. Durch die fehlende 2. Instanz ist bei Mordfällen hier ein Fehler in der Beweiswürdigung im deutschen System vom Prinzip her wahrscheinlicher als beim italienischen, wird jedoch weder vom BGH, noch BVerfG noch EGMR bemerkt.

Soweit ich weiß ist das Rechtssystem in Frankreich ähnlich aufgebaut, wie das in Italien, 2 Tatsacheninstanzen, und nur eine Instanz, welche noch auf rechtliche Fehler prüft.

Wie gesagt, wenn man die überlangen Verfahrensdauern rausrechnet, ist Italien auch nicht schlechter als Frankreich. Wie auch jetzt schon der vorliegende Fall zeigt, ist der Weg zum Recht jedoch derart steinig, dass er mit mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar ist, daher die vielen Verstöße gegen die überlange Prozessdauer. Dieses Problem wird aber meist nicht so als schwerwiegend angesehen, obgleich es für die Beteiligten letztendlich psychische Folter ist. Die Höhe der Entschädigungen, welche hier der EGMR bestimmt, sind im Vergleich dazu letzendlich lächerlich. Hier wird eine viel zu geringe Entschädigung ausgesprochen, so dass Italien hier bei der Verfahrensdauer keinerlei Abhilfe schafft.

Aus diesen Gründen sehe ich, dass Italien es sich eben doch nicht leisten kann, vom EGMR in einem solchen Fall, auf den die ganze Welt schaut, aus anderen Gründen als der Verfahrensdauer verurteilt zu werden. Hinzu kommen dann durchaus mögliche Spannungen mit den USA, wenn in den USA durch Gerichte festgestellt wird, dass die Gerichtsbarkeit in Italien unzulänglich ist.


melden

Amanda Knox

06.07.2014 um 00:30
Zitat von HansMHansM schrieb:Es ist zwar viel berichtet worden über den Fall, aber letztendlich sehe ich keinen Grund, warum die USA eine rechtskräftig verurteilte Mörderin nicht ausliefern sollten?
Es wird in dem Staat, an den das Auslieferungsbegehren gestellt wurde, untersucht, ob das Urteil unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zustande gekommen ist.

Auch in Deutschland erfolgt dies, was der Fall Krombach deutlich gezeigt hat. Frankreich hatte Krombach kein rechtliches Gehör gewährt, die Folge war, dass Krombach nie ausgeliefert wurde, da dem Auslieferungsantrag ein nicht rechtstaatlich zustande gekommenes Urteil zugrunde lag. Deutschland hatte hier sogar einen Anfrage direkt beim EGMR gestellt, der bestätigte, dass der Schuldspruch nicht unter rechtsstaatlichen Grundsätzen erfolgt war und daher für die Begründung eines Auslieferungsantrags nicht zu verwerten war.

Frankreich hat dann auch die Gesetze geändert, was aber für Krombach erst mal zu spät war und Krombach die Auslieferung verhinderte, indem er gegen das nicht rechtsstaatliche Urteil innerhalb Frankreichs nicht unternahm. Solange er keine französischen Boden betrat, war er in Sicherheit, auch Österreich lieferte aus dem gleichen Grund Krombach nicht aus. Erst nachdem Frankreich Ende 2008 das nicht rechtsstaatliche Urteil aufgehoben hatte, wäre ein rechtsstaatliches Urteil möglich. Bamberski ließ jedoch Krombach nach Frankreich verschleppen, ein Akt der Selbstjustiz, der letztendlich nach Aufhebung des blockierenden Urteils nicht nötig gewesen war.

Da das Nencini-Urteil (fehlendes rechtliche Gehör, fehlende Logik, Beweislastumkehr ...) und auch schon das Urteil des obersten Gerichtshofs von 2013 rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in keiner Weise standhält, (Beweislastumkehr, Eingriff in die freie Beweiswürdigung und und und ...) glaube ich kaum, dass Frau Knox ausgeliefert wird.

Ein Konflikt mit den USA ist daher bei einer Bestätigung des Urteils durch den obersten Gerichtshof vorprogrammiert. Ich glaube kaum, dass sich das Italien leisten kann.


1x zitiertmelden

Amanda Knox

06.07.2014 um 01:54
Zitat von JosefK1914JosefK1914 schrieb:Ein Konflikt mit den USA ist daher bei einer Bestätigung des Urteils durch den obersten Gerichtshof vorprogrammiert.
Wir sind uns einig, dass eine unkomplizierte Auslieferung seitens der USA aller Vorraussicht nach nicht erfolgen würde.

Mir stellt sich allerdings die Frage, an welcher "formalen Stelle" sich dieser Konflikt äussern würde. Und würde dieser Konflikt anders aussehen als:
I: "Liefert uns AK bitte aus..."
USA: "Nein machen wir nicht..."
I: "Bitte, wär echt superlieb von euch..."
USA: "Nö, trotzdem nicht..."
I: "Echt jetz?"
USA: "Nope..."

(natürlich in formale Amtssprache und Anträge verpackt)

Welche Druckmittel würden seitens Italien überhaupt bestehen?


3x zitiertmelden

Amanda Knox

06.07.2014 um 02:00
@RicoNova


Meinst du mit "I" Italien?


melden

Amanda Knox

06.07.2014 um 02:01
jup


melden

Amanda Knox

06.07.2014 um 08:32
Zitat von RicoNovaRicoNova schrieb:Welche Druckmittel würden seitens Italien überhaupt bestehen?
Keiner, letztendlich könnten die USA dann mit einem Zeigefinger auf Italien zeigen, dass es - zumindest in dioesem Fall - ein rechtsstaatlich unzulässiges Urteil gefällt hat.

Wie gesagt, es findet eine nochmalige Prüfung statt, ob die Verurteilung rechtsstaatlich in Ordnung ist. Eine erneute Beweiswürdigung findet jedoch nicht statt.

Die Frage der doppelten Verurteilung, welche in den USA konträr diskutiert wird, dürfte bei diesem Verfahren kein Thema werden, hier werden viel fundamentalere Grundsätze eines Rechtsstaates mit Füßen getreten, wie die Beweislastumkehr und fehlendes rechtliches Gehör. Und hier benötigt man kaum eine tiefere Einarbeitung in den Fall, das ist fast schon offensichtlich.

Es lässt sich hier also mit Leichtigkeit einen Grund finden, Frau Knox nicht auszuliefern. Die Frage, ob Frau Knox nicht doch schuldig ist oder nicht, wird dabei nicht behandelt (siehe Fall Krombach hier in Deutschland).


melden

Amanda Knox

06.07.2014 um 09:45
Zitat von HansMHansM schrieb:Ich bezog mich da auf die Dauer der Beratungen, die wohl nur zu dem vom Kassationshof geforderten Ergebnis geführt haben.
Das kann man so oder so sehen, weil niemand bei der Beratung dabei war.

Ich persönlich glaube eher, dass die lange Zeit benötigt wurde, um sicher zu gehen, dass Herr Sollecito nicht in das Gefängnis gehen muss. Wie ich schon sagte, allein die Abnahme des Passes ist letztendlich für ein Absetzen in ein anderes Land bedeutungslos. In anderen Ländern und anderen Verfahren dürfte der Schuldspruch zweifelsfrei zu einer neuen Inhaftierung oder zumindest stärker Überwachung geführt haben. Gerade Herr Sollecito hatte sich wohl schon eine Existenz im Ausland aufgebaut unter diesen Umständen wäre eine Inhaftierung oder ein ähnlich wirksames Mittel eigentlich zwingend gewesen.

Da dies nicht erfolgt ist, kombiniert mit der ebenfalls einmalige Rüge des Richterbundes, lässt da eben die Spekulationen auch in die Richtung zu, dass das Ergebnis durch das extrem ungünstige Verhältnis (Laien-/Berufsrichter) bei gleichzeitigen einfachen Mehrheit entstanden ist.

Vielleicht war Nencini durch das unlogische Plädoyer der StA überzeugt, dass die Frage der Toilettenspülung auch von Laienrichtern kaum als Mordmotiv angesehen wird. Aber evtl. hat er sich da geirrt.

Interessant ist auch, dass nun nach der neuen Begründung plötzlich Streit um Geld ein Grund gewesen sein soll. Hier hätte aus meiner Sicht das Gericht noch den Angeklagten einen solchen Hinweis geben müssen, damit sie Gesichtspunkte hätten vorbringen können, nachdem eine solches Motiv unwahrscheinlich ist. Aus meiner Sicht liegt hier ein sogenanntes Überraschungsurteil vor, was ebenfalls unter die Rubrik nicht faires Verfahren bzw. nicht ausreichend rechtliches Gehör fällt.

Herr Nencini hat in dem Urteil extrem viel Möglichkeiten geschaffen, dass dieses Urteil als ein mit einem rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbares Urteil anzusehen ist.

Spätestens der EGMR wird einer Beschwerde statgeben und das dürfte dem oberen Gerichtshof Italiens natürlich vollkommen bewusst sein. Ich persönlich glaube daher, dass das Urteil schon vom obersten Gerichtshof kassiert wird. Ich hoffe es erfolgt dann ein Abschluss des Verfahrens mit einem erneuten Freispruch, denn sollte die Verurteilung wirklich nur durch das ungünstige Verhältnis zwischen Laien- und Berufrichtern erfolgt sein, ist es zu kritisch erneut das Verfahren zurückzuverweisen. Da in Italien die Unmittelbarkeit der Beweiserhebung nicht gefordert ist, kann im Gegensatz zu Deutschland der oberste Gerichtshof auch einen Freispruch aussprechen.

Im Gegensatz zu 2013 gibt es auch kein Beweiserhebungsantrag der StA und Nebenklage mehr, die vom Gericht vorher abgelehnt wurde. Dadurch wäre ein Freispruch nun auch vom obersten Gerichtshof möglich, ein Schuldspruch rechtsstaatlich jedoch nicht, da andernfalls dieses rechtliches Gehör der Angeklagten nicht ausreichend gewährt würde, da Nencini fast sämtliche Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt hatte.

Wie gesagt, meine Spekulation beruht darauf, dass Italien letztendlich im Ergebnis ein Rechtsstaat ist und das Nencini-Urteil eben nur auf das ungünstige Abstimmungsvetrhältnis zurückzuführen war.


Emotionell sehr entscheidend, könnte für die Lauienrichter die fehlende Anwesenheit von Frau Knox gewesen sein. Man braucht ja nur mal solche Meinungen lesen, die auf Presseartikel hin geschrieben wurde. Da wurden von Menschen, welche nur oberflächlich sich den Fall angesehen haben, verlangt, dass Frau Knox sich dem Gericht stellen müsse. Ungünstig in dieser Richtung war dann natürlich auch noch der Brief von Frau Knox, ich hatte diesbzgl. damals ein sehr ungutes Gefühl und hate diesbzgl. hier schon geäußert, dass dieser ein eher negativen Einfluss haben könnte, ich dachte damals, dass es nur um den Unterschied zwischen Freispruch aus erwiesener Unschuld oder aus Mangel an Beweisen drehen könnte. Aber wie gesagt, dieser Brief war äußerst kritisch, weil er letztendlich dem Gericht gegenüber behauptete, es könnte evtl. nicht neutral urteilen. So etwas wird bei Laienrichtern ganz schlecht ankommen, schließlich opfern sie Zeit und wenn man dann so etwas hört ... Ich verstehe nicht, dass ihn die Verteidigung überhaupt ins Spiel gebracht hat, da es zum Verfahren selber nichts beitrug.


melden

Amanda Knox

06.07.2014 um 11:29
@JosefK1914

Ihre Ansichten basieren darauf, dass Nencini eigentlich einen Freispruch wollte und von den Laienrichtern überstimmt worden ist.
Wäre "schön", wenn es so wäre; ich selbst kann es eigentlich nicht glauben. Aber ich weiß es auch nicht. Es ist nur so etwas wie ein Bauchgefühl. Vielleicht haben Sie ja recht.
Es wäre eine gewisse Erleichterung, wenn das Urteil auf der Meinung von verblendeten Laienrichtern und nicht auf dem Urteil von Berufsrichtern beruht.

Zu Ihrer Meinung paßt meines Erachtens z.B: nicht, dass Nencini die Beweisanträge der Verteidigung abgewiesen hat, den Brief von Amanda so abfällig runtergerattert hat etc. etc. etc.

Es kann doch nicht möglich sein, dass für ihn die Unschuld der Angeklagten irgendwie feststand und er deshalb die Beweisanträge der Verteidigung abgewiesen hat um nur irgendwie schnell fertig zu werden und dann in der Beratung von den Laienrichtern überraschend überstimmt worden ist? Außerdem kennen die Berufsrichter durch Gespräche mit den Laienrichtern während des gesamten Verfahrens in der Regel deren Tendenz. Wenn ich das Bild der Kammer richtig vor Augen habe, waren bei den Laienrichtern etliche Frauen. Die quatschen doch in der Regel.

Für mich hängt derzeit das Wohl und Wehe von Sollecito von folgendem ab: Dem obersten Gerichtshof wird jetzt ein Urteil vorgelegt, das voller Fehler ist und völlig unlogisch aber mit dem bestellten Ergebnis. Werden die Richter jetzt über die Fehler absichtlich hinwegsehen und irgendwie mit der Begründung "unsere Kollegen haben das Urteil bestellt und es ist deshalb okay" das Urteil durchwinken (in Deutschland schreibt der BGH ja manchmal nur eine knappe Seite "die Einwendungen der Verteidigung überzeugen nicht") oder sind dort verantwortliche Menschen, denen das Recht noch etwas bedeutet und die bereit sind, das Leben von zwei jungen unschuldigen Menschen wichtiger zu nehmen als einen Zwist mit ihren Richterkollegen.


1x zitiertmelden

Amanda Knox

06.07.2014 um 11:37
@HansM

Danke für die ausführliche Erklärung.


melden

Amanda Knox

06.07.2014 um 13:56
Zitat von Nscho-TschiNscho-Tschi schrieb:Zu Ihrer Meinung paßt meines Erachtens z.B: nicht, dass Nencini die Beweisanträge der Verteidigung abgewiesen hat, den Brief von Amanda so abfällig runtergerattert hat etc. etc. etc.
Gerade der Inhalt des Brefes war extrem schlecht, Nencini hätte ihn besser erst gar nicht vorlesen sollen.

Und gerade die Nichterhebung der Beweisanträge führt in einem Rechtsstaat zwingend zu einer Aufhebung des Urteils, wenn das Urteil ein Schuldspruch ist. Insofern kann man aus der Nichterhebung eher eine Notanker sehen, falls die Berufrichter überstimmt werden.

Den Beweisantrag der Anwälten Sollecitos bzgl. dem Foto der Fingernägel wurde nicht abgelehnt. Sie hätten wirklich dazu führen können, dass das Gericht eine Kontamination als erwiesen angesehen hätte. DNA NUR auf dem Metall des BH-Verschlusses kann nur dann vorliegen, wenn der Täter nur mit dem Fingernagel dort hängen geblieben ist. In allen anderen Fällen hätte man einen nicht unbeträchtliche Menge DNA auch auf dem Stoff finden müssen. Genau das war auch die Antragsbegründung der Verteidigung.

Beim Messer war die Konamination leichter zu beweisen, genaugenommen hatte das auch schon Hellmann, als der gesagt hatte, dass das Messer nicht die Tatwaffe auf Grund der Wunde sein kann.

Um die Kontamination zu beweisen, hätte es eben keiner weiteren, als der vorgenommenen Beweiserhebung benötigt.


2x zitiertmelden

Amanda Knox

06.07.2014 um 14:21
@JosefK1914
schrieb:
Den Beweisantrag der Anwälten Sollecitos bzgl. dem Foto der Fingernägel wurde nicht abgelehnt. Sie hätten wirklich dazu führen können, dass das Gericht eine Kontamination als erwiesen angesehen hätte. DNA NUR auf dem Metall des BH-Verschlusses kann

Ich habe mich durch den ganzen Urteilstext nicht durchgearbeitet. Äußert sich das Urteil zu dem Foto der Fingernägeln?

Ich bin schon etwas überrascht über Ihre Argumente. Wenn die Nichterhebung eines Beweisantrages der Verteidigung eine Art Notanker für den Berufsrichter wäre, wäre Nencini ja als raffiniert zu bezeichnen?
Ich weiß nicht: ich kann mir nicht vorstellen, dass Nencini den Beweisantrag abgelehnt hat damit sein Urteil aufgehoben werden kann.
Wenn das so wäre, würden wir ihm mit aller Kritik hier Unrecht tun. Er wollte freisprechen, die Laienrichter ließen es nicht zu und deshalb schreibt er eine erbärmliche Urteilsbegründung? Nencini als trauriger Held?


1x zitiertmelden

Amanda Knox

06.07.2014 um 14:59
Berufsrichter wissen genau, was nicht erhobene Beweisanträge, welche entscheidungsabhängig für das Urteil wären, für die Revision bedeutet. Das ist einfachstes Richterlatein, dazu benötigt es keinerlei Raffinesse. Das gehört zum täglichen Handwerk eines Richters.

Ob das wirklich ein Notanker war, braucht man nicht annehmen, wesentlich dürfte sein, dass die Anträge nicht wirklich für einen Freispruch aus erwiesener Unschuld notwendig gewesen wären.

Um die Kontamination der DNA zu beweisen, waren keine weiteren notwendig.

Demgegenüber wäre bei einem Schuldspruch die Erhebung zwingend gewesen.

So ein Urteil wird spätesten vom EGMR kassiert, wenn die Schwelle der Menschenrechtsverletzungüberschritten ist. Bei Freiheitsberaubung ist dies in der Regel immer gegeben.
Zitat von Nscho-TschiNscho-Tschi schrieb:Ich habe mich durch den ganzen Urteilstext nicht durchgearbeitet. Äußert sich das Urteil zu dem Foto der Fingernägeln?
Da dem Urteil durch die nicht erhobenen Beweisanträge letztendlich jegliche Grundlage fehlt, habe ich bisher nur den einen Artikel, bei dem ein Italiener das Urteil auseinander nimmt gelesen. Das war dann noch zusätzlich vielsagend, aber genaugenommen nur zur Information, das Wesentliche für mich ist das fehlende rechtliche Gehör und damit ist das Urteil nicht der Mühe wert es wirklich vollständig zu lesen.

Wenn es der Behauptung der Verteidigung bzgl. der Nägel nicht nachgekommen wäre, hätte es mindestens die vollständigen Rohdaten der DNA-Untersuchungen herausgerückt werden müssen. Das ist nicht erfolgt, so dass jegliche Aussage über die DNA im Urteil ohne Belang ist.


melden

Amanda Knox

07.07.2014 um 10:40
@JosefK1914
Ad Nencini (und die zweite Berufsrichterin, deren Name ich jetzt nicht parat habe): Der Fisch stinkt eher vom Kopf. Nicht nur sein Verhalten, wie es von Beobeachtern geschildert wurde, sondern auch seine Aussagen, dass das Urteil NICHT einstimmig ausfiel, deuten darauf hin, dass er die/eine treibende Kraft für den Schuldspruch ist. Schon zum Zeitpunkt seiner Ernennung kurz nach dem Cassazione-Urteil eilte ihm der Ruf eines Exekutors voraus. Bei dieser Sichtweise benötigte er die extra lange Beratungszeit um die Laienrichter zu betonieren und um die ausreichende Anzahl auf seine Linie zu bringen. Bis auf seine offen zur Schau gestellte Aversion war die "Stimmung" im Gerichtssaal definitv zugunsten der beiden.

Es ist außerdem ein offenes Geheimnis in Italiens Rechtssprechung, dass Richter mit einem fehlerhaften Urteil den Ball an die nächste Instanz weiterspielen - auf den ersten Blick weil sie nicht mit dem Quorum der Laienrichter einverstanden sind; ich glaube dagegen, dass die Rolle der Laienrichter überbewertet wird und dass diese "Pontius Pilatus"-Attitüde auch bei den Berufsrichtern in ihrer Kultur internalisiert ist.


1x zitiertmelden

Amanda Knox

07.07.2014 um 12:59
Zitat von euroneighboureuroneighbour schrieb:Nicht nur sein Verhalten, wie es von Beobeachtern geschildert wurde,
Bis bei dem Brief von Amanda Knox, sah das eher anders aus. So war er nur in der Lage, dem DNA-Experten die vernünftige zulässige Frage zu stellen, wozu die Verteidiger nicht in der Lage waren. Auch den klaren Hinweis an die StA, als diese bemängelr hat, dass Herr Solleciti wohl bei einem Verhör vieles nur in der Ich-Form gesprochen habe, entgegnete er, dass die StA keinen Antrag gestellt habe, dass Herrn Sollecito ins Kreuzverhör zu nehmen.
Zitat von euroneighboureuroneighbour schrieb:sondern auch seine Aussagen, dass das Urteil NICHT einstimmig ausfiel, deuten darauf hin, dass er die/eine treibende Kraft für den Schuldspruch ist.
Genau das geht daraus nicht hervor. Ganz im Gegenteil, nur wenn der Schuldspruch einstimmig gewesen wäre, wäre Ihre Behauptung richtig. Gerade so gibt es mehrere Interpretationsmöglichkeiten.
Zitat von euroneighboureuroneighbour schrieb:dass die Rolle der Laienrichter überbewertet wird und dass diese "Pontius Pilatus"-Attitüde auch bei den Berufsrichtern in ihrer Kultur internalisiert ist.
Das ist meist der Fall, da gebe ich Ihnen Recht. Ausnahmen bestätigen die Regel. Beim vorliegenden Fall kann es aber anders sein. Wie der Fall Weimar dürfte die Presse eine große Rolle gespielt haben. Von Frau Knox wunde in der italienischen Presse ein äußerst negatives Bild gezeigt, dann nahm sie nicht an dem Verfahren persönlich teil und dann dieser blöde Brief, der dann den Rest gegeben haben könnte, die Laienrichter gegen sie aufzubringen. Auch die Bemerkungen von Frau Knox, dass sie bei einem Schuldspruch nicht freiwiilg nach Italien gehen würde (soviel ich weiß war das noch vor der Urteilsverkündung), dürfte sein übriges getan haben. So etwas darf man denken und entsprechend handeln, aber niemals öffentlich sagen. Auch hätte man mit der Ankündigung bzgl. der Einlegen der Beschwerde beim EGMR ebenfalls warten sollen. Man greift ja mit solchen Dingen natürlich den Staat an und etwas nationalistischer eingestellte Menschen, was die Italiener nicht selten sind, sehen das sehr kritisch. Hier wäre Schweigen Gold gewesen.

Insofern ist die Familie Sollecito nicht ganz zu unrecht von Frau Knox nicht gerade erbaut, sie scheint die Eigenheit zu haben in jedes Fettnäpfchen zu treten, was rumsteht.

Trotzdem muss natürlich Recht gesprochen werden, es dauert dann aber bei dem äußerst ungünstigen Laien/Berusrichterverhältnis dann entsprechend länger.


Warten wir doch einfach mal den Beschluss des obersten Gerichtshofs ab. An dieser Stelle gibt es eben zwei Meinungen, die man momentan nicht wegdiskutieren kann. Da niemand an der Beratung teilgenommen hat, bleibt es Spekulation.

Bei dem Falll als solches ist das anders, hier kennt man großteils die Fakten.


melden

Amanda Knox

07.07.2014 um 13:22
Bei der "Uneinstimmigkeit" tendiere ich eher zu der Auffassung, dass diese bei den Laienrichtern lag und nicht dass Nencini überstimmt wurde. Aber richtig: Das ist (noch?) Spekulation!

Wenigstens ist die "vernünftige" Diskussion zum Fall "Amanda Knox" dort angelangt, wo sie 2007 begann. Nicht mehr der Fall Meredith Kercher sondern der von Polizisten, Staatsanwälten und Richtern als Täter. Es lässt sich weiterdiskutieren und "spekulieren", ob bloß massenhaft Fehler gemacht wurden oder ob ganz absichtlich getrickst und getäuscht wurde und wird. Bei der "Absicht", von der man mittlerweile ausgehen darf, ab wann und von wem, etc..


melden

Amanda Knox

08.07.2014 um 14:30
Bin nicht so ganz auf dem Laufenden: Ist eigentlich R. Sollecito inzwischen im Gefängnis?


2x zitiertmelden