HansM schrieb:Wohl kaum, der Kurs Richtung "schuldig" ist von Rom gesetzt, selbst wenn Nencini die beiden freisprechen wollte, müsste er sich mit den von den Kassationsrichtern festgestellten "Fakten" auseinandersetzen.
Ja, auseinandersetzen bedeutet ja nicht, sie die "Fakten" als richtig anzusehen. Wenn das jetzige Gericht die beiden freisprechen will, wird es auch leicht Gründe finden, die zeigen dass das Urteil des obersten Gerichtshofs falsch ist. Beispielsweise bzgl. der Schnittverletzungen Guedes, die er laut Urteil vor der Reise nach Deutschland nicht gehabt haben soll. Die Feststellung dürfte aber offensichtlich falsch sein, denn schon in seinem ersten Telefonanruf von Deutschland aus, spricht er über diese Schnittwunden, die ihm angeblich vom Täter beigebracht worden sein sollten. Das ist doch schon eine Begründungsmöglichkeit und damit eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des obersten Gerichtshofs, mit dem Ergebnis, dass dessen Feststellung offensichtlich falsch war. Damit dürfte ein Gericht kaum ernste Problem haben.
Quiron schrieb:Nach 36 Jahren!? Und so wie ich das nach kurzem Überfliegen des Falles Gulotta verstanden habe offensichtlich nur, weil einer der beteiligten Beamten die damalige Folter gestanden hat.
Richtig. Das Problem bei den heutigen Gerichten ist ja immer noch, dass auch widerrufene Geständnisse immer noch viel zu stark gewichtet werden. Vor 36 Jahren war das Problem falsche Geständnisse fast noch unbekannt. Und an Foltermethoden wollten die Gerichte natürlich überhaupt nicht glauben.
Aber die Parallelen zum aktuellen Fall sind offensichtlich: ein schneller Fahndungserfolg war gefordert, man sucht sich das nächstbeste wehrlose Opfer als Verdächtigen, herkömmliche Forensik wird zur Nebensache, stattdessen erpresst man Geständnisse, damals durch physische Folter, hier durch Drohungen und Schlafentzug.
Das ist das große Problem, überall auf der Welt, auch hier in Deutschland, der Fall Emden beweist es. Die Presse übt in solchen Fällen viel zu viel Druck aus und schreit nach Vergeltung. Die Medien dürften hier bewirken, dass bei schweren Verbrechen viel zu früh ein angeblicher Täter ausgemacht wird.
Drohung und Schlafentzug wird bei Frau Knox auch nur zusätzlich hinzugekommen sein. In meinen Augen war die eigentliche Ursache ihrer Beschuldigung, dass es bewiesen sei, dass sie in der Villa gewesen sei und sie angeblich durch das grausame Erlebnis verdrängt haben sollte.
In Deutschland ist diese Art der Befragung verboten, jedoch in den USA erlaubt. Aber was nützt ein Verbot, wenn die Verhöre nicht aufgezeichnet werden.
Ich glaube eigentlich hat jeder Staat, der von sich behauptet ein Rechtsstaat zu sein, noch sehr viel Nachholbedarf.
Ein Schuldspruch zum jetzigen Zeitpunkt würde jedoch kaum vor dem EGMR Bestand haben. Und daher hätte Italien in keiner Weise irgendetwas gewonnen, eher im Gegenteil, denn dann müsste sich Italien spätzer fragen, wie in großem Stil Unrecht ausgeübt wird und hier nicht nur ein kleinen StA, ein kleiner Richter und dilletantische Ermittler die Ursache war, sondern die Unrechtsprechung im Endeffekt bis in obersten Ebenen erfolgte.
Das dürfte dem aktuellen Gericht bewusst sein.
Und man darf nicht vergessen, Italien ist zwar nach Russland das Land mit den meisten Verurteilungen durch den EGMR. Aber wenn man die Verstöße wegen überlanger Prozessdauer herausrechnet, dann ist es auch nicht schlechter als Frankreich. Dass Deutschland bzgl. überlanger Prozessdauer deutlich besser liegt, dürfte damit zu begründen sein, dass es bei schweren Verbrechen schlicht und einfach eine Instanz ausspart, ob das dem Recht dienlich ist, könnte man bezweifeln.
Es bleibt uns aktuell naturgemäß nichts anderes übrig als abzuwarten.