Der schwarze Mann/Soko Dennis
01.03.2011 um 09:37
und hier diesbzgl. ein artikel aus der welt:
Wer ist der "schwarze Mann"?
Der kleine Jonathan aus Frankreich könnte von einem Serientäter aus Norddeutschland getötet worden sein. Ein Profil des Täters soll bei der Suche helfen
Sie hatten fast damit gerechnet. Drei Jahre waren vergangen. Und drei Jahre hatten immer dazwischen gelegen. 1992, 1995, 1998, 2001 und nun 2004. Am 7. April erfuhr die Sonderkommission "Dennis" in Garlstedt bei Bremen, dass einen Tag zuvor in Westfrankreich ein elfjähriger Junge aus einem Landschulheim verschwunden war. Barfuß, nur mit einem Pyjama bekleidet. So wie Dennis Klein, wie Nicky Verstappen und Dennis Rostel. Nur Stefan Jahr, mit dem alles begonnen hatte, war vollständig bekleidet, als er verschwand. Alle waren in ähnlichem Alter, alle nachts aus einem Landschulheim, Ferienlager oder Internat verschwunden. Und alle wurden später tot aufgefunden, gefesselt die meisten, entkleidet - und erstickt.
Und nun Jonathan. "Seit wir von seinem Verschwinden gehört haben, vermuten wir einen Zusammenhang", sagt Detlev Kaldinski von der Soko "Dennis". Deutsche Beamte fuhren sofort nach Frankreich. Dann, vor einer Woche, wurde Jonathans Leiche 30 Kilometer vom Ferienheim entfernt in einem Teich entdeckt - nackt und gefesselt. Auch er vermutlich erstickt, Spuren äußerer Gewalt gab es keine.
Seitdem steigt der Druck auf die deutschen Fahnder: Handelt es sich wirklich um einen Serientäter, wäre es einer der spektakulärsten Fälle der Nachkriegsgeschichte. Kaum ein Täter konnte über so lange Zeit so viele Verbrechen begehen. Denn nicht nur die Morde, fürchten die Fahnder, sondern mindestens 36 weitere Missbrauchsfälle in Norddeutschland könnten auf sein Konto gehen.
Dabei wird erst seit zweieinhalb Jahren gezielt nach einem Serientäter gesucht. Damals, im September 2001, war der neunjährige Dennis Klein aus einem Landschulheim in Wulsbüttel spurlos verschwunden. Zwei Wochen später entdeckte ein Pilzsammler seine Leiche einige Kilometer entfernt. Den Ermittlern fielen die Parallelen zu anderen Fällen auf: In der Nacht zum 31. März 1992 war der 13-jährige Stefan Jahr aus einem Internat in Scheeßel im Kreis Rotenburg verschwunden. Anfang Mai fand man seine Leiche gefesselt in den Verdener Dünen.
Am 25. Juli 1995 stellten Betreuer eines Zeltlagers bei Schleswig fest, dass der achtjährige Dennis Rostel fehlte. Jogger entdeckten zwei Wochen später in einer Düne bei Skive/Holstebro in Dänemark seinen toten Körper.
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Am 10. August 1998 wurde der elfjährige Nicky Verstappen in einem Zeltlager bei Brunssum in den Niederlanden vermisst. Am nächsten Tag lag seine Leiche in einer nahe gelegenen Fichtenschonung.
Zwischen 1992 und 1998 wurden außerdem mindestens 36 Jungen in verschiedenen Landschul- und Kinderheimen, Zeltlagern sowie Privathäusern in Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein von einem maskierten Mann immer in der Nacht belästigt. Häufig streichelte er die Jungen nur, manche zwang er, sich auszuziehen, andere entführte er für Stunden und verging sich an ihnen.
Die Soko "Dennis" gewann durch diese Fälle wichtige neue Hinweise. Etwa von einem Jungen, der Mitte 1999 ebenfalls im Landschulheim Wulsbüttel von einem Mann in Lederkleidung missbraucht worden war. Erst nach einem Jahr hatte er sich seinen Eltern anvertraut.
Mithilfe von Münchner Fallanalytikern und dem Psychiater und Forensiker Franz Joseph Freisleder erstellen die Soko-Ermittler derzeit ein detailliertes Täterprofil - in der Hoffnung, dass Angehörige oder Bekannte des Mörders Verdacht schöpfen und Hinweise liefern. Die Veränderung der Täterbeschreibung im Laufe der Jahre wird künftig auch im Internet abrufbar sein (www.polizei.niedersachsen.de/dennis). Und sie greifen zu einem ungewöhnlichen Mittel: Die Filmemacher Walter und Danuta Harrich (bekannt durch Dokumentationen über die Oetker-Entführung und den Sedlmayr-Mord) drehen einen ZDF-Film über die Ermittlungen, der im Sommer ausgestrahlt wird. Er soll den Fahndungsdruck in der Öffentlichkeit erhöhen. Denn mittlerweile haben die Polizisten eine sehr konkrete Vorstellung vom Täter: Der Mann ist groß, mindestens 1,80 Meter und kräftig. Er soll zwischen 30 und 40 Jahre alt sein, eine tiefe, brummige Stimme haben, deutsch ohne Akzent sprechen, meist Handschuhe und dunkle Kleidung tragen. Vermutlich besitzt er ein Auto und lebt in Norddeutschland.
"Er kann gut mit Kindern umgehen, sie beruhigen und ihr Vertrauen gewinnen", erklärt Kaldinski. Bislang schlossen die Ermittler daraus, dass er selbst Kinder hat oder beruflich Umgang mit ihnen. "Er kann aber auch einfach ein Talent für den Umgang mit Kindern haben", sagt dagegen Franz Joseph Freisleder, Direktor der Münchner Heckscher Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wegen seiner langjährigen Erfahrung mit Pädosexuellen hilft er bei der Erstellung des Profils. Derartige Täter seien häufig selbst ein Stück kindlich geblieben, was ihnen den Zugang erleichtere. Er vermutet, dass der Mann zurückgezogen lebt, angepasst zwar, aber nicht in einer Familie. "Vorausgesetzt, es ist ein Einzeltäter, wäre es sehr schwer, zwölf Jahre lang ein solches Doppelleben zu führen", so Freisleder.
Auffällig sei auch, dass im Jahr 1993 keine Vorfälle registriert wurden - "der Täter könnte beruflich verhindert gewesen sein, oder er war in Therapie oder in Haft", sagt Kaldinski. Dass die meisten Taten in Landschulheimen oder Ferienlagern passierten, weise auf eine Beziehung zu diesem Umfeld hin. "Der Mann könnte selbst Heimerfahrung haben, in so einer Umgebung einmal Opfer eines Missbrauchs geworden sein", so der Soko-Sprecher.
Warum mordet der Täter in manchen Fällen, in anderen nicht? Dafür haben die Ermittler zwei Theorien. Entweder wollte er die Tat vertuschen, weil seine Opfer ihn ohne Maske gesehen oder sich so gewehrt haben, dass er eine Enttarnung befürchtete. Oder seine perversen Fantasien sind an eine Tötung gekoppelt, die sich nur in zeitlichen Abständen entladen - wenn der Druck, die Fantasie auszuleben, stärker ist als die Angst vor ihr.