Mord an Frauke Liebs
26.10.2019 um 02:23@AnNevis
Zu dieser Aussage von Frau Liebs im Stern-Artikel:
"Es dauerte Tage, bis der Netzbetreiber weitere Informationen lieferte. Später musste ich erfahren, dass die Polizei die Daten nur für die ersten Anrufe bis Freitagnacht beantragt hatte. Auf die anderen warteten wir Wochen, weil der richterliche Beschluss fehlte."
Die Polizei hatte die Daten nur für die beiden ersten Anrufe (Donnerstag und Freitag) beantragt, weil bereits diese beiden ersten Anrufe sie von einer Freiwilligkeit von FLs Verschwinden überzeugten. Deshalb gab es aus Sicht der Polizei auch keinen Grund für eine besonders schnelle Herausgabe der Daten. Mit diesen Daten wollte die Kripo offensichtlich das nun mal bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren abschließen, aber dann reichte es aus, wenn der Richter auf dem normalen Dienstweg erst am Montag seine Einwilligung gab und sie die Daten an diesem Tag erhielt.
Das erklärt, weshalb man auf die Daten für die ersten beiden Anrufe - im Unterschied zu den Daten für die 1. SMS - mehrere Tage (das Wochenende lag dazwischen) warten musste.
"Auf die anderen warteten wir Wochen, weil der richterliche Beschluss fehlte."
Die Kripo war nun mal aufgrund der ersten beiden Anrufe von einem freiwilligen Verschwinden FLs überzeugt. Deshalb war für sie spätestens nach dem Anruf vom Samstag der Fall erledigt:
Mit welcher Begründung hätte der richterliche Beschluss beantragt werden sollen, wenn die Kripo davon überzeugt war, dass überhaupt kein Verbrechen vorlag?
Salopp formuliert, hätten sie schreiben sollen: " Aufgrund unserer Ermittlungsergebnisse sind wir zwar zu dem Schluss gelangt, dass es keinerlei Anhaltspunkte für ein Verbrechen gibt, aber falls es dem Richter Spaß machen sollte, die Herausgabe der Daten dennoch anzuordnen, werden wir uns erfreut zeigen." ?
Der Richter darf doch nur einen solchen Beschluss zur Herausgabe der Daten fassen, wenn es einen begründeten Verdacht auf ein Verbrechen gibt. Wenn aber die Ermittlungsergebnisse der Polizei gegen einen solchen Verdacht sprechen, fehlt die Voraussetzung für einen richterlichen Beschluss.
Das tage- bzw. wochenlange Warten auf die Daten war also eine Folge der polizeilichen Einschätzung, Fl sei freiwillig verschwunden.
Hätte die Paderborner Kripo die Hinweise und Bedenken von Chris und den Eltern ernst genommen, wäre der Verlauf ein völlig anderer gewesen. Dann hätte sofort "Gefahr im Verzug" gegolten, die Daten wären sehr schnell ermittelt worden und das beträchtliche Ermittlungsrepertoire in einem Entführungsfall (u. a. Ortung, auch zusätzlich mit mobilen Geräten) wäre ohne Verzögerung zum Einsatz gekommen. Wenn es um das Leben eines Entführungsopfers geht, wird sehr schnell sehr viel mobilisiert, und die Paderborner Kripo wäre keineswegs auf sich allein gestellt gewesen.
Aber es hätte auch noch eine andere Möglichkeit gegeben: Wenn es Chris gelungen wäre, die Gespräche am Samstag und am Sonntag aufzuzeichnen, hätten diese Aufzeichnungen professionell ausgewertet werden können. Ich bezweifle nicht, dass das Ergebnis für die Annahme eines Verbrechens gesprochen hätte. Und auch das hätte noch gereicht, um mit großer Wahrscheinlichkeit den Täter, wenn er keine Informationen gehabt hätte (was ich eben nicht glaube) am Dienstagabend zu fassen.
Bei Gefahr im Verzug ist kein richterlicher Beschluss nötig. Zuständig ist dann auch die Staatsanwaltschaft, und die ist am Wochenende rund um die Uhr erreichbar. Bei "Gefahr im Verzug" geht alles sehr schnell.
(Aber das sollte auf gar keinen Fall als ein Vorwurf an Chris und die Angehörigen verstanden werden. Sie waren völlig hilflos und hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Es war keine Schachpartie, die man ausgeruht und munter, bequem in einem Sessel sitzend, absolviert. In einer solchen Situation ist man dringend auf die Unterstützung der Polizei angewiesen, die aber tragischerweise ausblieb.)
Der Ermittler: Ob die Kollegen zu dem Zeitpunkt schon zwingend von einem Kapitaldelikt ausgehen mussten, will ich heute offenlassen.
Es ist sehr verpönt, die Kollegen einer anderen Behörde öffentlich zu kritisieren. Gegenüber der Öffentlichkeit wird Loyalität verlangt, und angesichts dieser Vorgabe finde ich nicht, dass Herr Östermann die Einschätzung der Paderborner Kollegen mit besonderem Nachdruck verteidigt.
Zu dieser Aussage von Frau Liebs im Stern-Artikel:
"Es dauerte Tage, bis der Netzbetreiber weitere Informationen lieferte. Später musste ich erfahren, dass die Polizei die Daten nur für die ersten Anrufe bis Freitagnacht beantragt hatte. Auf die anderen warteten wir Wochen, weil der richterliche Beschluss fehlte."
Die Polizei hatte die Daten nur für die beiden ersten Anrufe (Donnerstag und Freitag) beantragt, weil bereits diese beiden ersten Anrufe sie von einer Freiwilligkeit von FLs Verschwinden überzeugten. Deshalb gab es aus Sicht der Polizei auch keinen Grund für eine besonders schnelle Herausgabe der Daten. Mit diesen Daten wollte die Kripo offensichtlich das nun mal bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren abschließen, aber dann reichte es aus, wenn der Richter auf dem normalen Dienstweg erst am Montag seine Einwilligung gab und sie die Daten an diesem Tag erhielt.
Das erklärt, weshalb man auf die Daten für die ersten beiden Anrufe - im Unterschied zu den Daten für die 1. SMS - mehrere Tage (das Wochenende lag dazwischen) warten musste.
"Auf die anderen warteten wir Wochen, weil der richterliche Beschluss fehlte."
Die Kripo war nun mal aufgrund der ersten beiden Anrufe von einem freiwilligen Verschwinden FLs überzeugt. Deshalb war für sie spätestens nach dem Anruf vom Samstag der Fall erledigt:
AnNevis schrieb:er Ermittler: Wenn es bei der Polizei vielleicht noch den Verdacht gab, die Frauke werde festgehalten, dann wurde er durch diesen Anruf tagsüber weiter abgeschwächt.Auf die Daten für die späteren Anrufe mussten die Angehörige wochenlang warten. Aber ich gehe davon aus, dass der richterliche Beschluss fehlte, weil die Kripo ihn nicht (früher) beantragt hatte. Entscheidend in solchen Fällen ist die Einschätzung der Kripo.
Mit welcher Begründung hätte der richterliche Beschluss beantragt werden sollen, wenn die Kripo davon überzeugt war, dass überhaupt kein Verbrechen vorlag?
Salopp formuliert, hätten sie schreiben sollen: " Aufgrund unserer Ermittlungsergebnisse sind wir zwar zu dem Schluss gelangt, dass es keinerlei Anhaltspunkte für ein Verbrechen gibt, aber falls es dem Richter Spaß machen sollte, die Herausgabe der Daten dennoch anzuordnen, werden wir uns erfreut zeigen." ?
Der Richter darf doch nur einen solchen Beschluss zur Herausgabe der Daten fassen, wenn es einen begründeten Verdacht auf ein Verbrechen gibt. Wenn aber die Ermittlungsergebnisse der Polizei gegen einen solchen Verdacht sprechen, fehlt die Voraussetzung für einen richterlichen Beschluss.
Das tage- bzw. wochenlange Warten auf die Daten war also eine Folge der polizeilichen Einschätzung, Fl sei freiwillig verschwunden.
Hätte die Paderborner Kripo die Hinweise und Bedenken von Chris und den Eltern ernst genommen, wäre der Verlauf ein völlig anderer gewesen. Dann hätte sofort "Gefahr im Verzug" gegolten, die Daten wären sehr schnell ermittelt worden und das beträchtliche Ermittlungsrepertoire in einem Entführungsfall (u. a. Ortung, auch zusätzlich mit mobilen Geräten) wäre ohne Verzögerung zum Einsatz gekommen. Wenn es um das Leben eines Entführungsopfers geht, wird sehr schnell sehr viel mobilisiert, und die Paderborner Kripo wäre keineswegs auf sich allein gestellt gewesen.
Aber es hätte auch noch eine andere Möglichkeit gegeben: Wenn es Chris gelungen wäre, die Gespräche am Samstag und am Sonntag aufzuzeichnen, hätten diese Aufzeichnungen professionell ausgewertet werden können. Ich bezweifle nicht, dass das Ergebnis für die Annahme eines Verbrechens gesprochen hätte. Und auch das hätte noch gereicht, um mit großer Wahrscheinlichkeit den Täter, wenn er keine Informationen gehabt hätte (was ich eben nicht glaube) am Dienstagabend zu fassen.
Bei Gefahr im Verzug ist kein richterlicher Beschluss nötig. Zuständig ist dann auch die Staatsanwaltschaft, und die ist am Wochenende rund um die Uhr erreichbar. Bei "Gefahr im Verzug" geht alles sehr schnell.
(Aber das sollte auf gar keinen Fall als ein Vorwurf an Chris und die Angehörigen verstanden werden. Sie waren völlig hilflos und hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Es war keine Schachpartie, die man ausgeruht und munter, bequem in einem Sessel sitzend, absolviert. In einer solchen Situation ist man dringend auf die Unterstützung der Polizei angewiesen, die aber tragischerweise ausblieb.)
AnNevis schrieb:Der Ermittler: Sie meldete sich regelmäßig. Da sagten die Kollegen zu Recht: Verdammt noch mal, kann ja jeder selbst entscheiden, was er wo macht. Es gab auch keine Lösegeldforderung. Über die Medien wurde dann noch der Appell an die Frauke verbreitet, sich bei ihrer Familie zu melden. Und das zeigte ja auch Wirkung.FL meldete sich zwar regelmäßig, aber die Umstände waren alles andere als beruhigend. Herr Östermann versucht hier zwar, seine Paderborner Kollegen in Schutz zu nehmen, aber an einer anderen Stelle im Stern-Artikel wird doch seine Distanzierung von der Paderborner Entscheidung sehr deutlich:
Der Ermittler: Ob die Kollegen zu dem Zeitpunkt schon zwingend von einem Kapitaldelikt ausgehen mussten, will ich heute offenlassen.
Es ist sehr verpönt, die Kollegen einer anderen Behörde öffentlich zu kritisieren. Gegenüber der Öffentlichkeit wird Loyalität verlangt, und angesichts dieser Vorgabe finde ich nicht, dass Herr Östermann die Einschätzung der Paderborner Kollegen mit besonderem Nachdruck verteidigt.