rayden schrieb:Und derjenige bleibt zufällig gänzlich unterm Fahndungsradar, wie auch unter dem von Freunden und Familie, und spielte zufällig ein denkbar böses Spiel, konnte FL gar in der Richtung steuern, dass sie niemandem von ihm erzählt? Dann haben wir es in der Tat mit einem absoluten Genie zu tun.
Gehe ich davon aus, dass sämtliche Anrufe der Folgezeit nach dem Verschwinden Fraukes Verdeckungshandlungen darstellen, dann dürfte sich dieser Täter vor allem durch eines in seinem äußeren Verhalten auszeichnen: Unscheinbarkeit. Wenn ich mich frage, unter welchen Bedingungen ein solches Verhalten wie das der Verdeckungshandlungen zustande kommt, dann bleiben nicht allzu viele Möglichkeiten, wie ich schon mal schrieb. So paradox es sich anhören mag, aber hatten die Telefonkontakte Verschleierung zum Ziel, dann handelt es sich um ein Vermeidungsverhalten - für das dieser Täter ein hohes Risiko eingeht. DASS er es eingeht zeigt einerseits an, dass er unter einem hohen Druck gestanden haben dürfte, entdeckt zu werden. Auch dafür kann es nur drei Möglichkeiten geben: a) Er gehörte zum weiteren Umfeld von Frauke und deren Freunden. b) er ist extrem ängstlich und selbstunsicher. c) er gehört sowohl zum Umfeld Fraukes und ist extrem ängstlich und selbstunsicher. Und andererseits zeigt es an, dass er darin geübt ist: zu vermeiden und dafür hohe Risiken einzugehen.
Wie gesagt: alles unter der Prämisse, es handelt sich bei den Telefonkontakten um Verdeckungshandlungen.
Menschen, die ängstlich und selbstunsicher sind, haben für gewöhnlich weitaus häufiger und intensivere emotionale Probleme und Problemlagen, als andere Menschen. Woran erinnert uns das? Richtig, Frauke hatte ein Helfersyndrom, wie ihre Mutter äußerte. Helfen durch Beistand, durch Reden - was sie extrem gut konnte, wie Niels erwähnte. Ein Helfersyndrom kann es mit sich bringen, dass man schlechter Grenzen setzen kann und womöglich Grenzen auch schlechter kommunizieren kann, wie ebenfalls Niels erwähnte. Seine Aussage ist interessant, da er ein Problem beschreibt, das in diesem Fall ein schlüssiges Szenario ergeben könnte: Die Verwirrung desjenigen, ob der Helfer ähnliche Gefühle hat, wie der, dem geholfen wurde. Ängstliche, selbstunsichere Menschen neigen dazu, Aufmerksamkeit mit Liebe zu verwechseln und an dem festzuhalten, der sich ihnen mit seiner Zeit und "Hilfe" Aufmerksamkeit widmet.
Ähnlich wie
@tisch anmerkte erscheint es mit plausibel, dass es an diesem Abend für Frauke zu einer kurzfristigen Planänderung kam. Ich gehe nicht davon aus, dass sie noch verabredet war, sondern dass sie nach Verlassen des Pubs, auf jemanden traf, den sie kannte und der wusste, wo sie an diesem Abend sein würde. Ich gehe weiterhin davon aus, dass dieser jemand Probleme hatte und Frauke darauf ansprach, nach dem Motto: Hey, ich bin noch rumgefahren, weil mir die Decke auf den Kopf gefallen ist und dachte spontan, du bist vielleicht da, mir geht's grad nicht so gut. Nach den Beschreibungen ihrer Mutter würde ich nicht davon ausgehen, dass Frauke in einem solchen Moment sagen würde: Nee, heut nich, lass uns irgendwann mal telefonieren oder treffen. Unter dem jüngeren Volk dürfte das "Rumfahren" zum Reden recht bekannt sein. Ich kenne es aus meinem Alter, in dem Frauke war, auch noch. Und wohin ist man dann für gewöhnlich gefahren? Richtig, nicht in die und in der Stadt, sondern raus aus der Stadt, wo Ruhe herrscht. Es ist möglich, dass der Täter im Raum Nieheim lebt, mittlerweile habe ich meine Zweifel. Ich denke eher, dass man in diese Richtung rausgefahren ist, um zu quatschen. Vielleicht hatte der Täter das gleiche Handy wie Frauke, vielleicht funzte ihr Handy auch nur, wie meines damals, das trotz vermeintlich leeren Akkus SMS verschickt. Dafür musste man es lediglich, nachdem es sich ausschaltete, nochmal einschalten. Eine SMS ging damit noch locker raus. Wir vergessen, dass Fraukes Akku im Pub lt. Isabellas Aussage zwar "leer" gewesen sei, dass damit aber nicht unbedingt gesagt sein muss, dass er komplett leer war oder eben nur schon die Meldung kam, dass es demnächst ausgehen wird. Frauke war den ganzen Abend am Simsen. Logisch, dass sie sich in dieser Situation Isabellas Akku ausborgt, um ihre Konversation fortzuführen. Um diese nicht unnötig unterbrechen zu müssen.
Ihr erster Satz "Komme später" klingt für mich nach: "Das Spiel ist zwar vorbei, aber es ist etwas dazwischengekommen, so dass ich später komme, als ich mit dir eigentlich vereinbart habe". Ihr zweites "Bis später" klingt für mich nach: "Ich komme aber definitiv heute noch nach Hause". Zu diesem Zeitpunkt, so meine Vermutung, war das Gespräch zwischen ihr und dem Täter soweit fortgeschritten, dass Frauke erstmals auf die Uhr schaute, bemerkte, dass mehr Zeit vergangen war, als ihr lieb war und sie Chris das wissen lassen wollte. Und ich vermute darüber hinaus, dass man sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Rückweg befand. Nur, dass es eben leider nicht zurück zu ihrer Wohnung ging.
Handelt es sich bei diesem Täter um einen Bekannten, der vielleicht was von Frauke wollte und dachte, dass sie auf Grund ihrer Zuwendung ebensolche Gefühle für ihn hat, der leicht kränkbar ist und wenig Beziehungserfahrung hat, dann kann bereits Fraukes Satz "Ich sage nur noch schnell Chris Bescheid, dass es später wird" den Boden unter den Füßen wegreißen.
Deswegen würde ich auch davon ausgehen, dass dieser Täter zum weiteren Umfeld von Frauke gehörte, der vielleicht nur wusste, dass Chris mal ihr Partner war, aber nicht wusste, dass er wieder eine Freundin hat und auch nicht wusste, dass es seitens Fraukes nur noch Freundschaft war. Wurde dieser Täter vielleicht schon mal enttäuscht, dadurch, dass er mal verlassen, hintergangen oder vermeintlich betrogen wurde, kann er in dieser Situation "kippen".
Bereits Fraukes Anruf am Folgetag zeigt an, dass sie sehr ernst zu sein scheint und sehr kontrolliert. Übersetzt heißt sie für mich: Chris, hör gut zu! Es geht mir nicht gut und ich kann nicht nach Hause kommen. Sage Mama und Papa Bescheid, dass mir etwas passiert ist.
Eigentlich erst der letzte lange Anruf von ihr lässt eine Veränderung bemerken, in der Hinsicht, dass Frauke hier aufgegeben zu haben scheint. Ihr scheint bewusst gewesen zu sein, dass sie nicht mehr lebend aus der Situation kommt.
Warum ist diese Veränderung wichtig? Resignation kommt dann, wenn alle Optionen ausgeschöpft sind. Das kann im Umkehrschluss bedeuten, dass das Opfer subjektiv zuvor noch Optionen in Betracht gezogen hat. Z.B. einen Täter durch Reden umstimmen zu können. Auch das ein Aspekt, den die Mutter von Frauke in Bezug auf das Wesen ihrer Tochter in Betracht gezogen hat.
Ich denke nicht, dass der Täter ein Genie ist und er hat auch nicht genial gehandelt. Womöglich ist er aber in einer Hinsicht sehr gut geübt, nämlich darin, mit der Wahrnehmung anderer Menschen zu "spielen". Beispiel Isabella, Beispiel Bence Toth etc. Da kommt der vermeintlich harmloseste, netteste Vertreter eines Freundeskreises ins Fadenkreuz der Ermittler. Und obwohl der Verdacht einer schwerwiegenden Straftat im Raum steht und man nie sicher sein kann, wozu ein einzelner Mensch fähig ist, rückt die Aufklärung der Tat vor der Sympathie für einen Menschen in den Hintergrund.
Täter stehen nicht nur dann unter einem hohen Entdeckungsdruck, wenn ihr Wohnort bekannt werden könnte, sondern v.a. dann, wenn die Fassade und Rolle, die sie anderen mit viel Engagement präsentierten und sie davon überzeugen konnten, bröckeln könnte. Sollte es sich hier um Verdeckungshandlungen handeln, dann wird darin deutlich, wie wichtig es dem Täter war, was andere wahrnehmen und was andere denken sollten. Es war wichtig, welche Außenwirkung etwas hat und dass etwas bestimmtes eben nicht von "außen" gesehen werden soll. Der gleiche Aspekt taucht bei der Leichenablage auf. Von der Straße - also von "außen" - aus, war nicht ersichtlich, dass dort eine Leiche liegt. Nur, wenn man von "innen" - aus dem Wald - heraus kommt, dann hat man vollen Blick auf sie.
Es ist schade, dass sich die OFA scheinbar hauptsächlich auf geografische Aspekte fokussiert zu haben scheint, denn ich denke, dass dieser Fall nur dann schlüssig wird, wenn man ihn von "innen" - also in Bezug auf die Täterverhaltensmerkmale heraus betrachtet.