Mord an Frauke Liebs
28.06.2019 um 20:20
Zur Frage, ob Fraukes teilweise scheinbar inadequaten Antworten in ihren Telefonaten darauf zurückzuführen sind, dass sie unter Drogen oder Medikamenten stand, oder ob sie verschlüsselte Botschaften enthalten, ist eigentlich schon alles gesagt worden. Nur nicht von jedem. Ich habe mir daher mal ihr letztes Telefonat vorgenommen:
Frauke: „Hallo Chrissy. Mir geht es gut."
Frauke antizipiert die erste zu erwartende Frage und beantwortet sie sogleich vorauseilend. Das ist zwar keine intelektuelle Meisterleistung, wäre aber so von einer Person unter Einfluss von sedierenden Mitteln nicht zu erwarten
Chris: „Wo bist du?"
Frauke: „Kann ich nicht sagen."
Chris: „Komm doch nach Hause."
Frauke: „Nein, das geht nicht."
Chris: „Warum denn nicht?"
Frauke: „Kann ich dir nicht sagen."
Chris:„Wirst du festgehalten?"
Frauke: „Ja... Nein! Nein!"
Chris: „Hast du Angst?"
Frauke: „Nein."
Chris: „Wer ist bei dir?"
Frauke: „Kann ich dir nicht sagen."
Chris: „Bist du müde?"
Frauke: „Ja, sehr müde."
Nach einer nunmehr fast einwöchigen Verschleppung, halte ich einen körperlichen und gesitigen Erschöpfungszustand für völlig normal und sein Eingeständnis für keinen Hinweis auf verabreichte Drogen.
Chris: „Weißt du, dass die Polizei nach dir sucht?"
Frauke: „Ja, ich weiß."
Chris: „Woher weißt du das?"
Frauke: „Ich bin ja fast eine Woche weg."
Sie ist zeitlich orientiert. Fragt man z.B. Psychiatrie-Patienten, die unter dem Einfluss stark dämpfender Mittel stehen, wie lange sie schon im Krankenhaus sind, wir man regelmäßig falsche Antworten bekommen. Zumeist wird die Zeit drastisch unterschätzt, z.B. "zwei Tage" statt richtig "zwei Wochen".
Chris: „Warum bist du denn weg?"
Frauke: „Das weißt du doch, Chris."
Mir ist an dieser Stelle nicht ganz klar, ob sie damit nur zum Ausdruck bringen will, dass Chris die Antwort schon kennt, weil sie diese ihm ja vor ein paar Sätzen gegeben hat, als sie bejahte, dass sie festgehalten wird, oder ob sie zu Ausdruck bringen will, dass Chris den Täter (oder vielleicht den Festhalteort) kennt.
Chris: „Nein. Hast du einen anderen Typen kennengelernt?"
Frauke: „Du weißt doch, dass ich nicht wegen einem Typen eine Woche weg bleibe. Du kennst mich doch."
Der erste Teil ist für mich eine nochmalige Bestätigung, dass sie festgehalten wird, weil sie aus eigenem Antrieb eben nicht ihre Familie und Freunde über eine Woche im unklaren über ihr Schicksal lassen würde. Der zweite Teil - "du kennst mich doch" - könnte nur eine Bekräftigung des ersten Teils sein, es könnte aber auch ein nochmaliger Hinweis darauf sein, dass Chris, der ja gerade verneint hatte, den Grund ihrer Abwesenheit zu kennen, eben doch den Täter (oder Festhalteort) kennt.
Chris: „Karen ist bei mir. Wir machen uns alle Sorgen."
Frauke: „Sind Mama und Papa auch da?"
Frauke schließt auf die mögliche Anwesenheit der Eltern aus der soeben erhaltenen Information über die Anwesenheit der Schwester. Das ist ein durchaus nicht trivialer, folgernder Gedankengang.
Chris: „Die waren hier."
Frauke: „Sag ihnen, dass ich sie ganz doll liebe."
Chris: „Wann kommst du zurück?"
Frauke: „Ich weiß nicht."
Chris: „Warum bist du nicht gekommen, obwohl du gesagt hast, dass du heute zurückkommst?"
Frauke: „Erklär ich dir später."
Chris: „Soll ich dich abholen?"
Frauke: „Nein, das geht nicht."
Chris: „Können wir uns irgendwo treffen?"
Frauke: „Das geht nicht."
Chris: „Wo bist du?"
Frauke: „Mama."
Chris: „Wo bist du?"
Frauke: „Mama."
Chris: „Wo bist du?"
Frauke: „Mama."
Durch die dreimalige Wiederholung ist jedes akustisches aber auch kognitives Missverständnis ausgeschlossen. Das Gespräch verläuft auch zuvor wie auch danach viel zu geordnet, als dass man hier einen plötzlichen Ausbruch von Verzweiflung vermuten kann. Die Antwort war geplant und wohlüberlegt, muss allerdings aus meiner Sicht nicht wirklich einen Ortsbezug angeben, sondern könnte auch ein Hinweis auf die Person des Täters sein. Täter oder Festhalteort (oder beides) haben einen Bezug zur Mutter, da bin ich mir sehr sicher.
Chris: „Wann meldest du dich?"
Frauke: „Weiß ich noch nicht."
Chris: „Melde dich doch wenigstens einmal am Tag."
Frauke: „Hab ich die anderen Tage doch auch gemacht."
Bezogen auf den Vortag ist das zwar falsch, was ihr vermutlich bewußt ist, grundsätzlich aber ist sie auch hier soeweit zeitlich orientiert, dass ihre bisherigen Kontakte jeweils in Tagesabständen erfolgten.
Chris: „Ich war sehr traurig, dass du dich gestern nicht gemeldet hast."
Frauke: „Ja, ich weiß, dass du sehr traurig warst... Gib mir Karen, bitte."
Trotz des realtiv langen bisherigen Gesprächsverlaufs, erinnert Frauke richtig die Anwesenheit der Schwester...
Frauke: „Bitte frag mich nicht aus!"
... und übernimmt auch hier den Gesprächseinstieg.
Karen: „Hast du Angst, nach Hause zu kommen?"
Frauke: „Nein."
Karen: „Wir räumen auch die Wohnung, und keiner fragt dich, was passiert ist. Komm wieder."
Frauke: „Das geht nicht, ich lebe noch!"
Den scheinbar unpassenden Zusatz "ich lebe noch", halte ich für eine sarkastische, an den Täter gerichtet Botschaft, der ja zweifellos zuhört. Entweder greift sie damit eine besonders krude / drohende Bemerkung von ihm auf, etwa "Du wirst in Deinem Leben Deine Familie nie wieder sehen", oder - aggressiver und mit mehr Wortwitz - eine Bemerkung von ihm, wie, sie würden zusammen bleiben, er wolle bei ihr bleiben oder auch sie solle bei ihm bleiben, "bis der Tod sie scheide". Frauke hatte ihre Fähigkeit (oder vielleicht auch Marotte), frühere Gesprächsinhalte punktgenau wieder aufzugreifen, nach meiner Interpretation bereits in ihrer ersten SMS gezeigt, in dem sie - mit frotzelndem Unterton, wie ich meine - formulierte "nicht gegen England ;-)" und nicht einfach nur "gegen Schweden".
Karen: „Bist du mit einer oder mehreren Personen zusammen?"
Frauke: „Bitte frag mich nicht. Ich würde gerne bei euch sein. Ich würde gerne nach Hause."
Frauke formuliert hier - sprachlich durchaus komplex, jedenfalls ohne Anzeichen einer sprachlichen Verflachung - im Konjunktiv. Der wird zwar formal falsch angewendet (richtig wäre "wäre gerne bei euch" bzw. "wäre gerne zuhause"), umgangssprachlich ist dieser Fehler aber gebräuchlich.
Zusammengefasst:
Frauke ist bei diesem Gespräch zeitlich, örtlich und situativ vollkommen orientiert und ohne das geringste Zeichen einer Bewußtseinstrübung. "Mama" ist ein klarer Hinweis, dass der Täter einen räumlichen oder persönlichen Bezug zu ihrer Mutter hat. Möglicherweise will sie darüber hinaus zum Ausdruck bringen, dass auch Chris den Täter oder den Festhalteort kennt.
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