Mordfall Hinterkaifeck

@Badesalz

Danke für die gute Recherche über das Verbrechen im Spiegel der historischen Presse.

Ich hatte gehofft, über die Nennung des Namens S. in der "München-Augsburger Abendzeitung" einen Hinweis auf eine mögliche Verschleierung der Tat aus politisch motivierten Gründen ableiten zu können.
Nachdem die Zeitung aber aus dem deutschnationalen Hugenberg-Verlaghaus stammte, die DNVP Hugenbergs war derzeit ein wichtiger Koalitionspartner von Schlittenbauers BVP, scheint diese Spur leider auch wieder ins Nichts zu führen...

@badesödlz

Auch von mir, verspätet, ein Dankeschön für die Recherche.

@all

Welchen Aussagen wir "wie" hinsichtlich der Brotsuppe bewerten sollen, ist nicht einfach. Gesichert scheint zu sein, dass diese noch auf dem Herd stand. Essenreste gesellten sich noch hinzu. Es scheint, dass die Kaifecker tatsächlich schon gegessen hätten (Schlussfolgerung aus der Aussage von Sigl). Warum die Brotsuppe noch im "Urzustand" oder bereits "abgeschöpft" auf dem Herd stand und nicht aufgegessen wurde, ist in der Tat seltsam. Dies könnte im Umkehrschluss tatsächlich dafür sprechen, dass der Tatzeitpunkt früher als 21:00 Uhr zu datieren wäre. Das ist für mich persönlich, der einzige Zusammenhang, oder was denkt ihr? Ich lass mich aber auch gerne von Kartoffeln mit "Sauerrahm" überzeugen...:-)))))

@oldschool70

ich zweifle nicht unbedingt am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Jakob Sigl. Wenn er explizit darauf hingewiesen hat, dass die Schüssel mit Brotsuppe unangetastet war und auf dem Herd stand, dann will ich es in Betracht ziehen, dass es so war.

Was hat das zu bedeuten? Möglicherweise handelt es sich bei der Schüssel mit Brotsuppe auch wieder um eine falsche Fährte, die zeigen soll, dass sich auswärtige Täter, die sich länger nach der Tat noch auf dem Anwesen aufgehalten haben, dieses nach Zubereitung der Suppe überstürzt verlassen mussten.

Brotsuppe und "Bratkartoffeln" (<- gemeint sind "greschde Eadäpfe" also geröstete, rohe Kartoffeln die geschählt und geschnitten direkt in eine Pfanne mit Deckel gegeben werden) sind eine sehr beliebte Malzeit aus der Gegend um Schrobenhausen.
Zumindest war das früher so denn bei uns zuhause als ich noch ein kleiner Stopsel war gabs das recht oft.
Eine Variante war auch "Brotsuppm mit dadruckte Eadäpfe", also zerdrückte, gekochte Kartoffeln in der Brotsuppe.

Nur so am Rande.

Ach ja, eine Brotsuppe am nächsten Tag nochmal aufgewärmt zu essen kann ich mir jetzt nicht so besonders vorstellen weil das Brot in der Suppe dann nur noch eine undefinierte Masse wäre.
Da muss man schon ziemlich "abgrissn" sein oder halt ganz besonders geizig. ^^

@ oldschool

Danke für den Hinweis mit der Ausstellung. Die werd ich mir auf jeden Fall ansehen.

@Jenner

Gibt/gab es denn in dieser Gegend auch eine Art durchpassierte Brotsuppe, wie @Theresia das für ihre Region andeutet?
Ich kenne das überhaupt nicht. Auch, daß man rohe Kartoffeln geröstet hat, ist mir bisher nicht bekannt gewesen.


@AngRa

Die Suppe als Trugspur? Ich weiß nicht so recht. Hätte der Täter den Kochlöffel geschwungen, als der Monteur Hofner noch da war, dann hätte er jedenfalls ein Feuer gebraucht. Der Monteur, der auf der gleichen Seite des Hauses gearbeitet hat, auf dem sich auch die Küche befand, hätte in einer möglichen Arbeitspause jederzeit durch das Küchenfenster schauen können. Hofner sagte im übrigen auch aus, daß er VOR Beginn seiner Tätigkeit durch die Fenster dieser Seite geschaut hat: "Da von hinten die Haustüre verschlossen war (Anm.: er meint hier die Küchentür), sah ich durch das Küchenfenster und durch das Stallfenster hinein, ob ich jemand sehen könne, was aber nicht der Fall war."
In den Tagen vorher waren der Postbote, die Kaffeevertreter und der Sohn eines Sigl aus Rachelsbach (gewünschter Schmalzkauf) auf dem Hof. Gerade die Kaffeevertreter und der Sohn des Sigl werden sich aufgrund ihres Handelsinteresses gut umgesehen haben und auch ein wenig durch die Fenster gespechtet haben. Von Rauch aus dem Kamin von HK wird überhaupt nichts berichtet.
Wenn denn der/die Täter gekocht haben, dann müßte man diese Aktion eher in den Nachtstunden erwarten.

@Badesalz
Die durchpassierte Version ist mir nicht geläufig. Nur die mit den Kartoffeln --> man gibt gekochte Kartoffeln in die Suppe und zedrückt sie mit dem Löffel oder halt mit der Gabel.
Schmeckt übrigens sehr gut. Leider hab ich sowas schon lange nicht mehr auf den Tisch bekommen :(
Auch die roh gerößteten Kartoffeln sind mir persönlich lieber als der "gemeine Bratkartoffel" der ja vorher gekocht wird.
Überhaupt waren Kartoffeln das Hauptnahrungsmittel. Am Sonntag gab es dann hin und wieder mal ein Hendl (gefüllt mit "Semmedoag") ... das war das absolute Festessen dann. ;-)

[/offtopic]

Hmm ... spontan gehe ich davon aus daß die Suppe für die neu Magd gedacht war. Auf der anderen Seite denke ich daß es üblich war zusammen Abend zu essen ... und speziell bei den Grubers kann ich mir "a extra Wurscht" auch wenn es in dem Fall nur eine Suppe war nicht so recht vorstellen. Vielleicht hatten sie aber auch bzgl. Ankunft der neuen Magd einfach nur ihren "sozialen Tag".

Die Magd kam in Begleitung der Schwester schon am Nachmittag an.
Man wird wahrscheinlich davon ausgehen können, daß alle erst zur üblichen Zeit (nach der Stallarbeit) gegessen haben.

Gruber und die kleine Cäzilia waren zur Zeit des Mordes schon nicht mehr angekleidet.

Ich gehe weiter davon aus, daß die Einschätzung zur Tatzeit im wesentlichen richtig ist.

Wenn da ein (relativ) voller Topf war, dann halte ich es für eine mögliche Erklärung, daß Reste (für das Frühstück?) in einen (etwas) kleineren Topf gegeben wurden, der somit (relativ) voll gewesen sein könnte.

Eine Mord noch vor dem Abendessen - dann u.U. noch bei Tageslicht - kann ich mir nicht gut vorstellen. Allein schon die Bekleidung des Gruber und der Cäzilia spricht dagegen.

Es ist eine Spekulation, aber kriminelle Täter hätte m.M. nach eher spätere Nachtstunden abgewartet. Es sei denn, sie wären schon im Gebäude gewesen und wurden bei einem letzten Gang in Stall oder Stadel vorzeitig entdeckt.

Tja, was so ein "Haferl Suppm" alles bedeuten könnte. ^^
Ich finde diese Details wirklich sehr spannend und es hilft mir mich in die Situation zu versetzen.
Wie AngRa schon mal so schön geschrieben hat --> mit den Bewohnern von Hinterkaifeck an einem Tisch sitzen!

Ich bin dann doch eher der Meinung die Suppe war ein Essensrest .. wie auch immer er entstanden ist. Ein nachträgliches "Suppenkochen" des Täters betreffs Tatverschleierung halte ich persönlich für etwas an den Haaren herbei gezogen.

@Badesalz
Die Wolken haben zugezogen, es war Ende März, Sturm war, Schnee fiel - da ist es um ca. 18.00 /19.00 Uhr schon ziemlich düster. Um wieviel Uhr ist Stall-Zeit zum füttern, ca. 17.00 Uhr denke ich - aber da weiß @Teresia mehr - und bei den Bauern, oder auch bei uns ist es doch auch so, daß nach dem Abendessen Feierabend ist.
Meine Meinung ist, das zwischen 18.OO/19.00 Uhr gegessen wurde.
Die Brotsuppe natürlich, die zu dieser Zeit von der Maria schon vorbereitet wurde.
Ich denke, daß die HK'ler nicht mehr zum essen gekommen sind. Das hat nichts mit der Bekleidung vom Gruber und der Cilli zu tun, denn der Chef und die Kleine machten vielleicht keine Fütterung mehr, das war Frauensache.
Der Täter kann oder wußte das und lauerte auf.
Wer isst schon morgens eine Brotsuppe, die am Abend vorher vorbereitet wurde.
Ich mag Brotsuppe auch, aber bitte nicht als Frühstück. Das ist ein Abendessen, aber niemals ein Frühstück, nach dem sie abends schon gekocht wurde.
Das müsste den Menschen 1922 genauso nicht geschmeckt haben wie heute auch-.
Ausserdem - der Kaffeevertreter.
Also muß es ja am Morgen Kafffee gegeben haben. Aber bitte nicht mit Brotsuppe.
Da dreht sich ja der Magen um.
Nur meine eigene Meinung.

@Badesalz
in der 10. Zeile hab ich einen Tippfehler:
Richtig muß es heißen:
"Der Täter kannte oder wußte das und lauerte auf"
Sorry

Essensreste muss man ja nicht schon am nächsten Morgen verzehren sondern evtl. auch erst im Laufe des Tages oder gar erst am Abend.

@elfeee
Brotsuppe mit Kaffee bzw. Kaffee mit Brotsuppe zum Frühstück oder andersrum --> "Pfui Daife" ... da kann ich dir nur Recht geben.

@Jenner

...oder man läßt eben noch Reste für die Hühner oder Schweine stehen.
Aber das wäre dann nicht gerade ein voller Topf...

An echten Bohnenkaffee zum HKer Frühstück glaube ich übrigens nicht. Eher Ersatzkaffee oder ´a Millisupp´n´.

Ich sehe uns morgen schon nach den Kaffeepreisen von 1922 fahnden... ;-))

hehe^^ ... da fällt mir ein Spruch von meinem Vater wieder ein ... mal sehen ob das jemand übersetzen kann --> "Dös beschte wos gibt is a Henahupm un a Hahe"

Ich übersetz besser gleich, weil dies ist schon recht derber Dialekt --> "Das beste was es gibt ist eine Hühnersuppe und ein Kaffee"

@Badesalz
Jep ... echten Bohnenkaffee gabs zu der Zeit wohl eher sehr , sehr selten. Malzkaffee war gängig soviel ich weiß.

Hmm...Kaffee mit Brotsuppe zum Frühstück - kann ich mir gut vorstellen.
Da seht ihr mal, wie unterschiedlich die Geschmäcker sind...

@ AngRa 13:30
ich stimme Dir bezüglich Deiner Vermutungen zu.

@ oldscool
Dank für den Hinweis der Ausstellung in Jexhof - ich werde sie im Mai aufsuchen, wenn ich in München urlaube :-)

Zu den Essensgewohnheiten:
Hier mal zwei Internetseiten, die da etwas Klarheit schaffen können. Auch wenn das nicht immer mit unseren heutigen verwöhnten Gaumen kompatible ist, gell Elfee :-)?
Übrigens gabs bei meiner Oma noch des öfteren die salzige Brotsuppe mit Milch (allerdings nur abends)...


Ein Zeitzeuge berichtet um 1900 aus Untersteinbach/Hohenlohe:
( http://www.heinlenews.de/geschl10a.htm#nahrung )

Die Zeit der Mahlzeiten richtet sich im Sommer natürlich nach den Feldgeschäften, wogegen im Herbst und namentlich im Winter in der Hauptsache folgende Zeit eingehalten wird: Frühstück 7 Uhr. Mittagessen 11.00 bis 12.00 Uhr. Nachtessen 6.00 bis 7.00 Uhr.
Dazu kommt das sog. "Vesper" vormittags 9 Uhr (nicht immer und nur wenig genossen) und eines nachmittags um 3—4 Uhr, das immer eingehalten wird. Beim "Essen" (morgens, mittags und nachts) ist es Sitte, vor und nach dem Essen ein Tischgebet zu sprechen, und zwar vor dem Frühstück und nach dem Abendessen ein größeres (Morgen- und Abendsegen), doch nimmt auch das, wie die Kirchlichkeit, etwas ab. In den Bauernhäusern wird aus einer Schüssel gegessen, das heißt jedes langt mit seinem Eßlöffel in die Schüssel hinein. Gegenwärtig kommen die Teller mehr auf (zinnene Teller und ebensolche Löffel). Hauptnahrung sind die Kartoffeln, die Milch und die Suppe, meistens Milchsuppe; auch viele Mehlspeisen und Fleisch. Eigentümliche Speisen sind die Klöße, das Geschmorgel (Mehlspeise, wie zerhacktes Omelette), Dampfnudeln, dann die Küchlein, saure Milchsuppe. Ein eigentümliches Getränk ist der Heidelbeerwein. Morgens gibts hier Milchsuppe; gegenwärtig reißt auch leider das Kaffeetrinken ein. Nachts gibts Suppe und Kartoffeln oder heiße und sommers gestockte Milch. Eine häufige Speise ist "Gefülltes": gefüllte Pfannkuchen, gefüllte Wecken und Nudeln sowie auch gefülltes Fleisch (Kalbsbrust etc.). Auch viele Hülsenfrüchte.
Besondere Speisen an den verschiedenen Wochentagen sind nicht gerade auffallend, doch herrschen einige vor: Am Montag gibts Kartoffelschnitz oder Gebackenes oder Kraut. Am Dienstag Hülsenfrüchte, auch mit Kraut. Am Sonntag Nudelsuppe oder Grießsuppe und Braten mit Salat. Im Winter gibts mittags Sauerkraut mit Schweinefleisch, Hülsenfrüchte, im Sommer natürlich mehr Gemüse. Wenn Taglöhner oder Handwerker im Haus sind, gibts immer Kartoffelschnitz oder Sauerkraut mit Schweinefleisch oder Bohnen; das erstere am häufigsten. Bei Taufen, Hochzeiten usw. gibts Nudelsuppe mit Rindfleisch und Meerrettich als Beilage, dann Braten und Salat, zuletzt oder vorher Kaffee.

Ebenfalls 1900 wird aus Balingen/Schwaben berichtet:
( http://www.foerderverein-burgfelden.de/pages/gemeinde_1900pag.html )

Die Mahlzeiten sind sehr einfach. Nachdem der Stall in Ordnung gebracht ist, wird "z Morga geasa"; sommers um 6 Uhr, winters um 7 oder 8 Uhr. Die meisten Leute trinken Kaffee und essen Schwarzbrot dazu; in manchen Häusern werden auch noch Wassersuppe und "Eardäpfel" gegessen. Um 9 Uhr wird das "Neunebrot" und mittags um 4 Uhr das "Vierebrot" gegessen. Es besteht thatsächlich in trockenem Brot. Auch das Mittagessen ist äußerst einfach. Die meisten Leute essen das ganze Jahr hindurch kaum 2 - 3mal Fleisch. Im Sommer sitzen die Männer, ihre Pfeife rauchend, mit den Frauen vor dem Hause auf dem "Bänkle"; meistens ohne ein Wort miteinander zu sprechen. Im Winter kommen die Nachbarsfrauen abends einige Zeit "ge Ausalaufa" oder "z Stuba".

@ all

noch ein Nachtrag zum Mordfall in Villisca 1912. Der von Bernie gepostete Link www.villiscaiowa.com ist sehr interessant. Wer Schwierigkeiten mit der Übersetzung hat, dem hilft sicherlich http://babelfish.altavista.com - hier kann man sich die komplette Website übersetzt anzeigen lassen. Einfach den Link eintragen, dann arbeitet der Fisch etwas, dann wird die Webseite angezeigt. Das tolle daran ist, das auch das Navigieren auf dieser Homepage funktioniert und die anderen Seiten gleich komplett übersetzt dargestellt werden. Der Sinn ist verständlich, die normalen Übersetzungsfehler kann man verschmerzen.

Die Seiten sind wirklich gut gemacht - eine Übersicht incl. Video gibt es auf der rechten Seite unter The History>>The Crime...

@stalinstadt
Wäre natürlich ein Zufall, aber evtl. sehen wir uns ja im Mai in der Ausstellung. (oder gar noch den ein oder anderen Forumsteilnehmer zusätzlich ... würd mich sehr freuen )