@jaska jaska schrieb am 21.11.2024:Wir suchen ja ein Motiv oder eine Gemengelage, die 1922 so explosiv war, dass sich daraus ein Sechsfachmord ergab inklusive der Tötung des eigenen Kindes. Richtig?
Nein, hier wurde eben gerade kein "explosiver" Massenmord geplant. Die Indizien zeigen doch klar, dass das Ganze Stück für Stück eskaliert ist, dass sich der Mörder in einen Rausch hineingesteigert hat. Dafür muss bei ihm vorher der berühmte Schalter umgelegt worden - und das zeigt, dass sich bei ihm vorher viel aufgestaut hat und es eine intensive Beziehung zu den Menschen am Hof gab. Die Opfer wurden nicht einfach nur getötet, sie wurden übertötet - massiv.
Sie wurden hingerichtet.Der Mörder steigerte sich offenbar in ein "Gottesgericht", ein blutiger Pfad, und er musste offenbar auch immer weiter morden, um keine Zeugen für den vorherigen Mord zu hinterlassen:
Zuerst offenbar Viktoria GabrielLaut den Berichten wies sie neun(!) sternförmige Wunden am Kopf auf, die durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand verursacht wurden. Ihre rechte Gesichtshälfte war
stark eingeschlagen, und die
Schädeldecke war zertrümmert. Zusätzlich wurde eine kleine, runde Verletzung an der oberen Schädeldecke festgestellt, die vermutlich
von einem spitzen Werkzeug herrührte. Es wird außerdem von
Würgemalen am Hals berichtet.
Dann offenbar Cäzilia Gruber:Sie erlitt sieben Schläge auf den Kopf, die ihre Schädeldecke sprengten. Ihr Gesicht war besonders im Bereich des rechten Auges stark zerschlagen. Eine ihrer Kopfverletzungen hatte eine triangelförmige Form, möglicherweise verursacht durch ein spezielles Werkzeug wie die Reuthaue.
Zuerst haben wir also Würgemale, das zeigt eine intensive körperliche Auseinandersetzung. Dass auch die Mutter Würgemale hat, kann darauf hindeuten, dass sie offenbar dazu kam, als Viktoria noch lebte und dann auch in die Auseinandersetzung mit hineingezogen wurde. Beide Opfer wurden dann wie ein Schwein bei der Schlachtung außer Gefecht gesetzt durch einem Hieb mit der Reuthaue auf den Kopf. Und dann lagen sie da, mit einem Schädelbruch, und der Mörder hieb und hieb immer wieder auf ihre Köpfe ein.
Dann offenbar Andreas Gruber:Keine Würgemale, aber massive stumpfe Gewalt: Seine rechte Gesichtshälfte war zerschlagen, die Gesichtszüge kaum noch erkennbar und das Fleisch zerfetzt. Es wird berichtet, dass er durch einen Sturz auf den Spitz eines schweren Kreuzpickels starb. Dieser riss ihm die Halsschlagader auf, was zu einem schnellen Verbluten führte. Die Wunde war so tief, dass der Wangenknochen sichtbar wurde. Die Löcher im Schädel fehlen aber. Die Wunden deuten daraufhin, dass überrascht wurde und keine Gegenwehr geleistet hat.
Offenbar das vierte Opfer: Cäzilia Gabriel Hier stimmt das Muster wieder: Sieben Schläge zertrümmerten ihre Schädeldecke. Auf ihrer rechten Gesichtshälfte befand sich eine kreisförmige Verletzung, und ihr Unterkiefer war zertrümmert. Tragischerweise lebte Cäzilia noch etwa zwei Stunden nach der Attacke. Während dieser Zeit riss sie sich in Schmerzen und Panik Haarbüschel aus. Deshalb muss sie wohl das letzte Opfer in der Scheune gewesen sein, denn der Mörder bekam den Todeskampf nicht mehr mit, er war ja weitergegangen. Ansonsten hätte er sie mit Absicht qualvoll verrecken lassen.
Das also der Zwischenstand: Wie diese Menschen hingerichtet wurden, Stück für Stück, das sollte sich jeder mal intensiv reinziehen, bevor er weiter seinen Unsinn von "Raub" oder "Fememord" durch Soldaten fabuliert. Das waren geübte Killer mit Gewehren, die garantiert keine Schweinerei wie ein schlachtender Bauer veranstalten. Außerdem hätte ich als Räuber spätestens beim Würgen das Weite gesucht, weil hier offenbar alles eskalierte.
Halbzeit: Als Mörder hätte ich nun das "Schlachtfeld" verlassen, da ja alle Zeugen beseitigt waren. Warum also ging der Mörder weiter vor, warum erledigte er den "Rest" seiner Arbeit? Warum beendete er die Mission - wie ein Scharfrichter oder eben ein Mann unter immensen psychischen Druck, der sich nun entlädt - der offenbar immer noch ein starkes emotionales Ziel hat, den Stein des Anstoßes: der Sohn - unehelich oder inzestuös. Auf jeden Fall das Symbol der Schande. Andreas Gruber war dafür im Gefängnis, seine Tochter galt ... naja, das schreibe ich lieber nicht ... und der Herr Bürgermeister war mitten drin in dieser Geschichte zwischen intimen Sex, Heiratsversprechungen, Lügen, Anzeigen, Unterhaltsforderungen und über all das haben sich die Leute das Maul zerrissen.
Natürlich haben die das bei den Zeugenaussagen heruntergespielt, um sich eben selbst nicht in einem schlechten Licht zu zeigen. Natürlich haben das auch die Betroffenen heruntergespielt, um nicht neues Futter für die Leute zu liefern. Überlegt euch doch einmal, ihr seid Andreas Gruber und euer Nachbar hat euch für mehrere Monate durch eine Anzeige +ins Gefängnis gebracht und ihr seid in der ganzen Gegend dank ihm als Inzest-Vater verschrien. Werdet ihr jemals wieder ein normales Verhältnis zu diesem Mann haben - egal, was die Leute später der Polizei erzählt haben?
Victoria Gabriel löste kurz vor den Morden nicht nur ihre Ersparnisse auf, sie lieh sich auch noch zusätzlich Geld - und sie fuhr laut den Akten kurz zuvor Schrobenhausen zum Gericht, um weitere Unterhaltszahlungen oder einen Inflationsausgleich von Schlittenbauer zu erzwingen.
Niemand weiß, was da zwischen den den Grubers und Schlittenbauers in diesen Tagen vorgefallen ist. Vielleicht wollte sie mit ihrem Kind - seinem Sohn? - verschwinden? Vielleicht hat sie im klargemacht, dass er doch ein Inzestkind war und sie ihn dafür auch noch finanziell belangen wollte, nachdem sie seinen Ruf zerstört hatte. Fakt ist aber, dass zwischen diesen Menschen erhebliche emotionale Spannungen bestanden haben. Und nein: Bei der ungelösten Geschichte kommt nicht einfach wieder so alles ins "Lot".
Aber zurück zum Mörder:Er könnte verschwinden, er will aber seine Mission beenden, er will weitermorden. Die ganzen Jahre und bei den immer weiteren Eskapaden mit den Grubers hat er vielleicht als gläubiger Mensch so manche Nacht gerufen: "Mein Gott, hört das denn nie auf". Und jetzt hat er es in der Hand: Er kann es beenden. Was hat er nach dieser Nacht noch zu verlieren? Vermutlich denkt er aber gar nicht mehr rational, er ist ja in einem absoluten Gewaltrausch. Victoria Gabriel wollte laut Zeugen "reinen Tisch machen", jetzt macht er "reinen Tisch".
Die letzte Hürde vor dem Finale: die Magd Maria BaumgartnerAm Hinterkopf wies sie ein etwa 4 cm tiefes Loch auf, auch hier wieder die Reuthaue. Dazu kreuzweise Hiebe auf den Kopf. Diese Schläge verursachten schwerste Schädelverletzungen. Ihr Gesicht war stark verletzt und blutverkrustet, insbesondere auf der rechten Seite des Kopfes. Der Mord passt wieder ganz ins Muster. Extreme Gewalt, um sicherzustellen, dass sie sofort starb.
Der Abschluss: Josef GabrielBei Victoria Gabriel waren es 9 Schläge, bei Cäzilia Gruber 8 Schläge - ein absoluter Overkill. Hier holt der Mörder zu einem einzigen, brutalen Hieb aus, der das Dach des Kinderwagens zerschlägt und die rechte Schädelhälfte des Jungen zertrümmert. Er ist sofort tot. Nicht der brutalste Mord am Hof, aber der am wenigsten rationalste: Alle anderen hätten Zeugen sein können, sie hätten sich wehren können, der kleine Josef war wehrlos, er hätte mit seinen zwei Jahren auch nichts berichten können, und er lag zudem noch im Schlafzimmer, bekam von den anderen Morden also nichts mit und hätte auch nichts verstanden.
Das "Gottesgericht" hätte aber vor dem kleinen Jungen nicht Halt gemacht; er war ja das moralische Dilemma, das Zeichen der Blutschande, was in die Welt gesetzt wurde, und alle an alles erinnerte. Die Handschrift des Mörder auf dem Hof zeigt: Hass, Eifersucht oder Rache. Dazu war Schlittenbauer ein zutiefst religiöser Mensch, der Jahre später über die Morde auf Hinterkaifeck sagte:
Da hatte der Herrgott die Hand am rechten FleckIst das nicht interessant? Damit sagt er ja:
Der Mörder war ein Werkzeug Gottes, er hat "recht" gehandelt.
Den Mörder trifft keine Schuld, er hat eine unerhörte Schande in einer zutiefst katholischen Gegend getilgt. Es war "göttliche Fügung".