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Mordfall Hinterkaifeck

51.979 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

20.11.2024 um 00:21
Um vielleicht wieder zurück zum Thema zu kommen. Was spricht für, was spricht gegen LS als Täter. Ich denke, das wurde hier noch nicht besprochen. 🤭

Daher möchte ich hier mal den Anfang machen.

Übrigens, mir ging es genau wie FZ, ich war anfangs auch von einer Schuld des LS überzeugt und je mehr ich mich die letzten Jahrzehnte in die Dokumente eingelesen habe, desto weniger war ich von seiner Schuld überzeugt.

(+) Übertötung - Beziehungstat
(+) Ermorden unschuldiger, ungefährlicher Kinder - Beziehungstat
(+) Keine Wegnahme von Geld, Gold und Wertsachen

(-) Anderweitig vergeben und verheiratet
(-) Körperlich schwache Verfassung

uvam.

Es war ja nicht so, dass die Polizei damals irgendetwas unversucht gelassen hätte und unter erheblichem Ermittlungsdruck stand.

Ein "Ach, der LS war's wahrscheinlich, lassen wir ihm mal durchgehen" ist doch eher unwahrscheinlich.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.11.2024 um 00:36
@PhilippGeorg
Alles, was Du unter für und wider beschreibst, trifft für mich alles auf den von Dir genannten LS zu.

Z. B. hält einen Asthmatiker in der Raserei nichts auf, das Argument habe ich schon immer für schwach gehalten. Ich kenne Asthmatiker, die halten sehr lange still, aber bricht die Wut aus ihnen heraus, dann bleibt kein Auge trocken.

Auch vergeben und verheiratet bedeutet nicht, dass er etwas vergessen hat. Gekränkte Eitelkeit und Eifersucht sind eher ein noch wichtigeres Motiv für mich.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.11.2024 um 07:35
Zitat von AllgoriaAllgoria schrieb:ch habe den Bericht sogar mehrfach gelesen. Er ist gut gemacht und beschreibt viel Zeitkolorit. Ich fand ihn sachlich und gut formuliert.
Ich habe ihn auch gelesen. Sonst würde ich ja nichts dazu schreiben. Es geht ja hier auch nur darum, dass einige Leute offenbar nicht einsehen wollen, dass da keine Sensationen drin enthalten sind und dass eben auch kein Täter "ermittelt" wird.

Und deshalb ist es völliger Blödsinn zu behaupten, der Bericht würde aus irgendwelchen Gründen unter Verschluss gehalten. Das ist nämlich so ein seltsamer Zirkelschluss, den offenbar einige Leute anstellen: "Der Bericht wird unter Verschluss gehalten, also muss da eine Sensation drin enthalten sein, und das kann ja nur bedeuten, dass da der [hier Name des jeweiligen Lieblingstäters einsetzen den man gerne überführt sehen will] als Täter benannt wird."

Was aber eben so nicht stimmt. Insofern hoffe ich, dass da endlich Ruhe einkehrt, wenn das wieder zugänglich ist und dann die entsprechenden Leute eben feststellen, dass sie da eine völlig übertriebene Vorstellung haben und eben nicht darin enthalten ist, was sie gerne hätten.


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20.11.2024 um 13:56
@PhilippGeorg
Danke, dass Du zum Thema zurückkommst.

Deine Argumente bzw. deren Deutung, sind natürlich dann schlüssig, weil sie dann für Dich eine stimmige Geschichte ergeben.
Ich möchte mal einige alternative Sichtweisen aufzeigen, die "meine" Version rund machen.
Zitat von PhilippGeorgPhilippGeorg schrieb:(+) Übertötung - Beziehungstat
Eine Übertötung ist nicht immer ein Hinweis auf eine Beziehungstat. Frau Prof. Dr. Kastner beispielsweise nennt auch die Möglichkeit, dass Opfer gerade bei Gewalt gegen den Hals/Kopf noch Geräusche von sich geben. Damit könnte ein Täter annehmen, trotz bereits tödlicher Wunden, dass das Opfer noch lebt und weitermachen. Darüberhinaus waren die Lichtverhältnisse sicher sehr ungünstig und der Täter konnte optisch keine Feststellungen treffen, ob bereits ausreichende Schläge ausgeführt wurde.
Zitat von PhilippGeorgPhilippGeorg schrieb:(+) Ermorden unschuldiger, ungefährlicher Kinder - Beziehungstat
Unschuldig - da stimme ich zu. Ungefährlich - nicht zwingend. Gerade Cilli hätte sich in ihrem Alter ausreichend artikulieren können, um Hinweise auf den Täter zu geben. Sie hätte zudem wegrennen können.
Im Fall des Josefs wiederum sehe ich das anders. Der hatte während der Tat geschlafen und gar nichts mitbekommen. Bei einem Zweieinhalbjährigen wäre der Informationsgehalt ohnehin nicht sehr ergiebig gewesen.
Dass er starb hatte entweder mit Hass zu tun oder aber damit, dass der Täter durch diesen einen Hieb aus der Verantwortung stahl, sich eventuell mit einem weinenden, schreienden Kind konfrontiert zu sehen. Das gilt natürlich besonders dann, wenn der Täter den Hof nicht gleich verlassen wollte. Aber auch dann wäre das Zurücklassen eines Kindes nur dann "verantwortungsvoll" (klingt höhnisch, ich weiß), wenn für eine rasche Auffindung gesorgt wäre. Aber das wäre dann ja nicht im Interesse des Täters.
Vielleicht spielt auch ne Rolle, dass Kinder damals nicht denselben Stellenwert hatten wie heute und deren Tod anders wahrgenommen wurde.
Zitat von PhilippGeorgPhilippGeorg schrieb:(+) Keine Wegnahme von Geld, Gold und Wertsachen
Das ist halt die Frage. Was war vor der Tat da, was wurde weggenommen? Wissen wir nicht. Ein Zeuge hat Jahrzehnte später ausgesagt, alle erwachsenen Opfer hätten eigene "Kassen" gehabt. Gefunden wurde nur eine versteckte Metallschatulle. Wurde also wirklich gar nichts gestohlen? Oder ein bisschen? Immerhin war auch kein Papiergeld mehr da.
Zitat von PhilippGeorgPhilippGeorg schrieb:(-) Anderweitig vergeben und verheiratet
Das ist halt die Frage. War er so richtig verliebt oder ging es eher um die gegenseitige Unterstützung und Versorgung der Kinder? Letzteres ist damals wohl deutlich wahrscheinlicher gewesen. Also eher kein hormongesteuertes Glücksgefühl, das mit der Welt versöhnt hätte.
Zitat von PhilippGeorgPhilippGeorg schrieb:(-) Körperlich schwache Verfassung
Er hatte Asthma und schlechte Zähne. Aber beides wohl nicht schlimm genug, um nicht doch als Hofherr den Bauernhof zu steuern und als Ortsführer zu agieren.
Das halte ich allenfalls als ergänzendes Argument für gerechtfertigt. Für sich alleine zieht das ned.


Mir fehlt bei Schlittenbauer tatsächlich das Motiv. Welchen Konflikt sollte es 1922 gegeben haben, um so einen Hass zu erzeugen. Nachdem er mit den späteren Opfern wieder normal kommunizierte und auch aushalf.
Dass ein ortsnaher Täter mit blutverschmierter Kleidung und mit einem Fehlen von einiger Zeit seinem Umfeld nicht aufgefallen sein soll, ist für mich ein weiterer Grund, den Schlittenbauer (aber auch alle Gröberner/Waidhofener) auszuschliessen. Die Menschen damals und dort hatten vielleicht 2 oder 3 Garnituren an Kleidung. Diese war vielfach aus schweren Lodenstoffen oder Leder. Blutflecken wären wenn überhaupt nur sehr mühsam rausgegangen. Und fehlende Kleidung wäre bemerkt worden.

Für mich gehört auch der Einbruch(sversuch) in der Nacht auf den Freitag zur Tat hinzu. Dass Schlittenbauer das war und zur falschen Tür einsteigen wollte, liegt für mich nicht nahe.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.11.2024 um 16:49
Ich glaube: Da muss aus einzelnen Mosaiksteinen ein Bild zusammengefügt werden und dann muss man zurücktreten und sich das Gesamte anschauen - und dann kann man analysieren, wie diese einzelnen Indizien ein Netzwerk ergeben.

1. Motivlage

  • Lorenz Schlittenbauer hatte eine Affäre mit Viktoria Gabriel, einer der Ermordeten, und es wurde spekuliert, dass er der Vater ihres Sohnes Josef war.


  • Vaterschaftsstreit: Nachdem er zunächst die Vaterschaft von Josef anerkannt hatte, zog Schlittenbauer dies später zurück und erstattete Anzeige wegen Inzests gegen Viktoria und ihren Vater Andreas Gruber.


  • Es gab Streit um die geplatzte Hochzeit mit Viktoria.

  • Diese Beziehung führte also zu einer Spirale von andauernden Spannungen, insbesondere als Viktoria finanzielle Unterstützung für Josef forderte. Viktoria soll behauptet haben, dass Schlittenbauer sie erpresst habe. Soweit ich es sehe, muss es in Punkto Geld/Unterhalt/Erpressung/Klage vor Gericht in den Tagen vor der Tat wieder eskaliert sein.


  • Zusammenfassend: Zurückweisung und verschmähte Liebe quälten Schlittenbauer über Jahre, da muss es in dieser kleindörflichen Atmosphäre gebrodelt haben, wo jeder jeden kennt, wo über alles getratscht und gelästert wird. Die Zeugenaussagen, dass sich die Beziehung in den Monaten vor der Tat beruhigt habe, könnte also auch eine Abwehrstrategie gewesen sein, um den Leuten nicht noch mehr Futter fürs Tratschen zu liefern.


2. Psychologische Ausnahmesituation

  • Die Tochter von Lorenz Schlittenbauer und seiner zweiten Frau Anna starb nur wenige Tage vor dem Mord in Hinterkaifeck an plötzlichem Kindstod oder Keuchhusten, wie im Kirchenregister vermerkt ist. Sie starb am 26. März 1922, also wenige Tage vor der Mordnacht vom 31. März auf den 1. April 1922.


  • Der Tod seiner neugeborenen Tochter könnte Lorenz Schlittenbauer stark belastet haben. Es ist denkbar, dass dieser Verlust seine psychische Stabilität beeinträchtigt hat. In Kombination mit den langjährigen rechtlichen und finanziellen Auseinandersetzungen zwischen ihm, Viktoria Gabriel und ihrem Vater Andreas Gruber – insbesondere der Streit um die Vaterschaft des kleinen Josef – könnte der tragische Tod seiner Tochter zu einem „Kurzschluss“ führen: eine emotionale Überforderung. Einige Theorien spekulieren, dass der Mord an Josef eine Art „Ersatzhandlung“ gewesen sein könnte, ausgelöst durch die Trauer über diesen Verlust. Das könnte auch den brutalen Mord des kleinen Josef erklären, dem der Schädel in einer unglaublichen Wucht zerschmettert wurde. Ein Kleinkind, das nicht einmal als Zeuge zum Mörder hätte aussagen können. Vielleicht sah Schlittenbauer in Josef den "Stein des Anstoßes", der alles hat eskalieren lassen.


  • Die Dinge können sich auch gegenseitig in der Eskalation verstärkt haben: Der Streit um Liebe, Inzest, Sohn, Unterhalt und Rufmord waren gerade wieder am Eskalieren, im Normalfall hätte man sich in einer Unterredung wieder einigen können, aber durch die emotionale Labilität nach dem Tod der Tochter könnte ein falsches Wort bei Schlittenbauer dann den berühmten Schalter umgelegt haben.


  • Die Tatsache, dass die Leichen sorgfältig abgedeckt wurden, deutet darauf hin, dass der Täter eine emotionale Bindung zu den Opfern hatte. Schlittenbauer hatte eine Beziehung zu Viktoria und auch starke Gefühle für seinen mutmaßlichen Sohn Josef.


3. Auffälliges Verhalten nach der Tat:

  • Schlittenbauer entdeckte zusammen mit zwei Dorfbewohnern die Leichen. Die beiden Zeugen schildern, dass Schlittenbauer in diesem Moment eine außergewöhnliche Gelassenheit und Zielstrebigkeit zeigte. Er kannte Haus und Hof wie seine Westentasche.


  • Obwohl unbekannt war, ob der Mörder noch dort war, ging er voran und betrat das Haus allein. Er öffnete die Tür mit einem Schlüssel von innen. Kurz vor den Morden war ein Hausschlüssel bei den Grubers verschwunden. Als seine Begleiter ihn fragten, warum er dieses Risiko einging, erklärte Schlittenbauer, dass er nach seinem Sohn Josef suchen müsse.


  • Schlittenbauer ging den Tatort ab, zeigte den Nachbarn die Leichname oder stolperte förmlich über deren Körper. Er fand seinen Sohn Josef in der Wiege. Er bewegte die Leichen am Tatort und legte sie wieder zurück in die vermeintliche Ausgangslage, was die Ermittlungen später beeinträchtigte. Seine Handlungen waren also eine Mischung aus Abgebrühtheit und ungewöhnlicher emotionaler Aufladung.


  • Als die Polizei endlich am Tatort war, verhielt sich Schlittenbauer ebenso ungewöhnlich aktiv und fürsorglich: Er fütterte etwa die Tiere, schnitt den Speck an. Auch hier konnte er potenziell Beweise manipulieren und Spuren verwischen, die Ermittlungen verfolgen und Einfluss nehmen.


  • Verdächtige Versorgung des Viehs: Nach den Morden aber vor der Entdeckung wurde das Vieh auf dem Hof tagelang versorgt. Der Mörder hielt sich noch längere Zeit oder immer wieder am Tatort auf. Schlittenbauer war vertraut mit dem Hof, lebte nur 350 Meter entfernt und wusste, wie man die Tiere versorgt. Hungrige Tiere und nicht gemolkene Kühe hätten die Nachbarn herbei gebrüllt und zur Entdeckung der Tat geführt.


  • Tatwaffe: Ein Jahr nach dem Mord wurde die Tatwaffe (eine Reuthaue) beim Abriss des Hofes gefunden. Schlittenbauer gab an, den Griff der Tatwaffe selbst geschnitzt zu haben, als er früher auf dem Hof arbeitete. Diese Aussage wurde ebenfalls als belastend empfunden, da er so wohl seine möglichen Fingerabdrücke auf der Mordwaffe erklären wollte.


  • Kommentar über den gefrorenen Boden: Einer der auffälligsten Kommentare Schlittenbauers fiel 1925, als er die Überreste des abgerissenen Hofes besuchte. Ein Lehrer fragte ihn, warum er dort sei, und Schlittenbauer antwortete, dass der Täter versucht habe, die Leichen zu vergraben, aber durch den gefrorenen Boden daran gehindert worden sei. Dieser Kommentar wurde als verdächtig angesehen, da er auf ein Detail hinwies, das nur jemand mit direktem Wissen über die Tat hätte wissen können.


  • Aussage im Wirtshaus: Es wird berichtet, dass Schlittenbauer in einem Wirtshaus in Ich-Form über die Fußspuren sprach, die zum Hof führten, aber nicht wieder hinausgingen. Er soll gesagt haben: "Dann bin ich da arschlinks wieder raus." Diese Aussage könnte als Eingeständnis interpretiert werden.


  • Er nannte in den Zeugenaussagen die Summe von 100.000 Mark, die im Haus gewesen sein soll.



4. Fehlen eines stichhaltigen Alibis für die Tatnacht

  • Schlittenbauer gab an, in der Tatnacht bei seiner Frau Anna gewesen zu sein. Seine Frau gab aber an, dass er sich auf "Heuwache" befand, was bedeutet, dass er allein war und somit niemand seine Anwesenheit bestätigen konnte.


5. Gegenargumente

  • Fehlende Beweise: Trotz intensiver Ermittlungen konnte ihm nie etwas nachgewiesen werden. Er gewann sogar mehrere Verleumdungsklagen gegen Personen, die ihn öffentlich als den Mörder bezeichneten.


  • Gesundheitliche Einschränkungen: Schlittenbauer litt an Asthma, allerdings wechseln sich symptomarme oder sogar symptomfreie Phasen mit Zeiten von deutlichen Beschwerden ab.



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Mordfall Hinterkaifeck

20.11.2024 um 19:53
Liebes @Marzipanferkel!
Sehr gute Zusammenfassung. Da kann man nichts dran aussetzen.
Und das leidige Athmatikerthema:
Wie gesagt. Ich kenne welche, die wirklich eine schlechte Lungenfunktion haben und auch körperlich nicht die stärksten sind. Aber im psychischen Ausnahmezustand ist fast alles möglich.


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20.11.2024 um 22:48
@Marzipanferkel
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:1. Motivlage

Lorenz Schlittenbauer hatte eine Affäre mit Viktoria Gabriel, einer der Ermordeten, und es wurde spekuliert, dass er der Vater ihres Sohnes Josef war.
Das wurde nicht nur spekuliert. Das wurde gerichtlich festgehalten und Schlittenbauer selbst redet von Josef als seinem Sohn.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Es gab Streit um die geplatzte Hochzeit mit Viktoria.
Gab es?
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Diese Beziehung führte also zu einer Spirale von andauernden Spannungen, insbesondere als Viktoria finanzielle Unterstützung für Josef forderte. Viktoria soll behauptet haben, dass Schlittenbauer sie erpresst habe. Soweit ich es sehe, muss es in Punkto Geld/Unterhalt/Erpressung/Klage vor Gericht in den Tagen vor der Tat wieder eskaliert sein.
Aber genau dafür gibt es halt keinerlei Anzeichen. Das Einzige, was überhaupt hierzu hervorgebracht werden kann ist ein Zeitungsartikel aus den Wochen zuvor, der den ledigen Müttern eine Möglichkeit eröffnete, erneut den Unterhalt auszuhandeln, selbst wenn das bereits abschliessend erfolgt war. Dass die Viktoria diese Möglichkeit verfolgte und dass es in den Tagen vor der Tat hier einen Konflikt gab ist durch nichts belegt. Im Gegenteil, Schlittenbauer und Gruber unterhielten sich normal am Tag vor der Tat. Das Gespräch zwischen den beiden verlief sehr ähnlich zu weiteren Gesprächen, die Gruber an diesem Morgen mit weiteren Personen hatte. Deshalb ist Schlittenbauers Aussage dazu glaubhaft. Kein anderer Zeuge berichtete von irgendeinem Konflikt.
Den brauchst Du aber, um einen Sechsfachmord zu begründen.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Zusammenfassend: Zurückweisung und verschmähte Liebe quälten Schlittenbauer über Jahre, da muss es in dieser kleindörflichen Atmosphäre gebrodelt haben, wo jeder jeden kennt, wo über alles getratscht und gelästert wird.
Den zweiten Teil Deines Satzes hast Du als persönliche Mutmaßung formuliert. Den ersten als Behauptung. Hast Du dafür irgendwelche konkreten Anhaltspunkte?
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Der Tod seiner neugeborenen Tochter könnte Lorenz Schlittenbauer stark belastet haben. Es ist denkbar, dass dieser Verlust seine psychische Stabilität beeinträchtigt hat. In Kombination mit den langjährigen rechtlichen und finanziellen Auseinandersetzungen zwischen ihm, Viktoria Gabriel und ihrem Vater Andreas Gruber – insbesondere der Streit um die Vaterschaft des kleinen Josef – könnte der tragische Tod seiner Tochter zu einem „Kurzschluss“ führen:
Puh, da vermischt Du jetzt Einiges. Welche "langjährigen rechtlichen und finanziellen Auseinandersetzungen" meinst Du denn?
Schlittenbauer hatte zudem bereits weitere Kinder verloren und die gesellschaftlichen Umstände waren in Bezug auf Tod und den Tod von Kindern völlig anders. Ich glaube, Du berücksichtigst hier nicht die damaligen Zeiten sondern gehst von den eigenen Erfahrungen heutzutage aus. Das liefert aber halt nicht die Wahrheit über die damaligen Umstände, Motivationen, Sichtweisen. Und selbst da kann man sich heute nur grob annähern und nicht in den Einzelnen reinschauen.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Die Dinge können sich auch gegenseitig in der Eskalation verstärkt haben: Der Streit um Liebe, Inzest, Sohn, Unterhalt und Rufmord waren gerade wieder am Eskalieren, im Normalfall hätte man sich in einer Unterredung wieder einigen können, aber durch die emotionale Labilität nach dem Tod der Tochter könnte ein falsches Wort bei Schlittenbauer dann den berühmten Schalter umgelegt haben.
Das wichtigste an diesem Punkt ist der Konjunktiv.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Die Tatsache, dass die Leichen sorgfältig abgedeckt wurden, deutet darauf hin, dass der Täter eine emotionale Bindung zu den Opfern hatte.
Das ist eine von verschiedenen Möglichkeiten, die Experten nennen.
Eine gute Erklärung für den Fall, dass dieser Punkt die Tatvariante unterstützen soll, dass Schlittenbauer der Täter ist. Aber eben nicht die einzige Erklärung.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Schlittenbauer entdeckte zusammen mit zwei Dorfbewohnern die Leichen. Die beiden Zeugen schildern, dass Schlittenbauer in diesem Moment eine außergewöhnliche Gelassenheit und Zielstrebigkeit zeigte. Er kannte Haus und Hof wie seine Westentasche.
Kannte er das Haus wirklich? Ist es Gelassenheit, wenn er als Einziger (alleingelassen), nachschauen wollte, ob sein Sohn noch lebte?


Ich mach jetzt gar nicht weiter. Das könnte ich in jedem einzelnen Punkt einbringen.
Du interpretierst das alles mit einem einzigen Ziel.
Das kannst Du machen und bekommst zwangsweise eine stimmige Geschichte.

Wo aber sind die Fakten aus den noch erhaltenen Akten oder die Tatsache, dass die Polizei zeitnah trotz deutlich besserer Informationslage als heute, nicht mehr fand als unbestätigtes Getratsche?

Mir fehlen bei Deiner Version:
- Nachweise über zeitnahe Konflikte
- Erklärungen bekannter Indizien, wie der Einbruch in der Nacht zum Donnerstag, der Verbleib des Papiergeldes, die verschobenen Dachziegel an mehreren Stellen, die Liegekuhlen im Heu, das Fehlen des Brotes, das Verstecken der Reuthaue, der offensichtliche Verbleib auf den Hof über die reine Angriffe hinaus usw.


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Mordfall Hinterkaifeck

21.11.2024 um 01:21
Zitat von jaskajaska schrieb:Gab es?
Es gab massiven Streit um die Hochzeit, um die Legalisierung der Verbindung und Anerkennung des Kindes:

  • Lorenz Schlittenbauer begann 1918 eine Affäre mit Viktoria Gabriel zwei Wochen(!), nachdem seine erste Frau an Brustkrebs verstorben war. Laut eigener Aussage im Verhör 1931 hatte er "etwa fünf Mal Intimverkehr mit Viktoria", wobei sie sich ihm "regelrecht aufgedrängt" habe.

  • Schlittenbauer wollte Viktoria heiraten, was durch eine Aussage der Nachbarn Pöll und Sigl (05.04.22) verbürgt ist.

  • Mit einer Heirat hätte Schlittenbauer eines seiner erwachsenen Kinder durch die Übergabe von Hinterkaifeck versorgen können. Die Ländereien und Waldstücke hätten die Möglichkeiten seiner Familie erweitert.

  • Viktoria Gabriel und vor allem ihr Vater Andreas Gruber stimmten der Hochzeit nicht zu. Andreas Gruber soll aktiv versucht haben, die Ehe zwischen den beiden Verwitweten zu verhindern. Wir haben hier also eine toxische, sexuelle Dreiecksbeziehung.

  • Ende 1918 wurde Viktoria schwanger. Die Frage ist: von wem?

  • Das Kind (Josef) kam 1919 unehelich zur Welt.

  • Es folgte eine "Schlammschlacht" um die Vaterschaft. Schlittenbauer erstattete Anzeige wegen Inzests gegen Viktoria und Andreas Gruber. Der kam sogar ins Zuchthaus, Viktoria gab Versprechungen, wenn er die Anzeige zurückzieht. Das tat Schlittenbauer auch. Er glaubte, Viktoria Gabriel heiraten zu können, verlangte aber von Andreas Gruber, dass der Inzest aufhören muss. Antwort: "Das werden wir dann schon sehen."

  • Schlittenbauer zog die Anzeige also mehrfach zurück und erneuerte sie wieder, was ihn als Zeugen unglaubwürdig machte und seinen Ruf beschädigte.
Zitat von jaskajaska schrieb:Aber genau dafür gibt es halt keinerlei Anzeichen. Das Einzige, was überhaupt hierzu hervorgebracht werden kann ist ein Zeitungsartikel aus den Wochen zuvor, der den ledigen Müttern eine Möglichkeit eröffnete, erneut den Unterhalt auszuhandeln, selbst wenn das bereits abschliessend erfolgt war.
Allein die Geschichte der Unterhaltszahlungen ist ein Krimi für sich:

  • Viktoria Gabriel gab ihm 2.000 Mark in bar und Wertpapiere über 3.000 Mark. Sie wollte damit erreichen, dass ihr Vater aus dem Gefängnis kommt, weil es ja einen offiziellen Vater gab, der bezahlte.

  • Schlittenbauer machte später eine Einmalzahlung von 1.800 Mark für den Unterhalt des kleinen Josef und gab das übrige Geld und die Wertpapiere freiwillig zurück. Er muss sich also noch Hoffnungen gemacht haben und später erkannte er: Er wurde benutzt.


1922:

  • Anfang 1922 fuhr Viktoria Gabriel mit Thomas Schwaiger nach Schrobenhausen, um "reinen Tisch zu machen".

  • Zu der Zeit erschien im Schrobenhausener Wochenblatt ein Bericht über ein Gerichtsurteil, in dem einer alleinerziehenden Mutter aufgrund der Inflation mehr Unterhalt zugesprochen wurde.

  • Schwaiger gab an, dass Viktoria sich dazu durchgerungen hatte, weitere Alimente von Schlittenbauer für Josef zu fordern.

  • Nun wird es interessant: Bei einem Brand 1926 wurden auf dem Hof von Schlittenbauer auch Papiere mit Bezug zu Hinterkaifeck zerstört. Darunter befand sich laut seiner Aussage auch ein Schriftstück, in dem Viktoria Gabriel auf Unterhalt für Josef verzichtet haben soll.

  • Laut den Quellen wurde bei den Morden auf Hinterkaifeck kaum etwas gestohlen: Mehr als 2.200 Goldmark blieben unberührt im Schrank. Der Schmuck wurde nicht entwendet. Etwa 100.000 Reichsmark in Form von Bargeld und Pfandbriefen wurde ebenso nicht angerührt.

  • "Durchwühlt war eigentlich in der Wohnung nichts, mit Ausnahme vom Schlafzimmer, wo der oder die Täter einige Zeit herumgesucht haben müssen. Denn in dem einen Bette lagen vom Oberbett verdeckt mehrere Schlußnoten u. sonst. beschriebene Papiere, ein Notizbuch, eine geleerte Brieftasche.

  • Der Mörder hat also nach der Tat offenbar ausschließlich Dokumente gesucht - oder ein bestimmtes Dokument. Ein Dokument, dass ihn belastet oder ihn entlastet - in einer Frage wie etwa der Vaterschaft.

  • Ein in den Augen von Schlittenbauer endloser Streit um den Sohn, den Unterhalt, den Inzest war also wieder aufgeflammt und damit haben wir die Eskalationsgrundlage für einen Mann, der gerade seine Tochter verloren hatte.

  • Die Beerdigung fand am 30. März 1922 statt.

  • Die Morde in Hinterkaifeck fanden nur einen Tag später. Zwischen Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer lag also nicht nur eine persönliche Tragödie um eine gescheiterte sexuelle Beziehung, Ausnutzung, Zurückweisung, eine verhinderte Heirat, ein uneheliches Kind, eine Schlammschlacht um Inzest und die gerade wieder der aufgeflammte Streit um neue Unterhaltszahlungen. Er war auch noch einer akuten emotionalem Krisensituation nach der Beerdigung.



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Mordfall Hinterkaifeck

21.11.2024 um 06:28
@Marzipanferkel
Jetzt hast Du viel geschrieben und doch nichts konkret beantwortet.

Wir suchen ja ein Motiv oder eine Gemengelage, die 1922 so explosiv war, dass sich daraus ein Sechsfachmord ergab inklusive der Tötung des eigenen Kindes. Richtig?
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Es gab massiven Streit um die Hochzeit, um die Legalisierung der Verbindung und Anerkennung des Kindes:
Das war 1919.
Die zeitnahen Quellen ergeben keinen Hinweis auf fortdauernde Konflikte, die ins Jahr 1922 reichten. Keine Behörde, keine Freunde, keine Familienangehörigen, keine entsprechenden Briefe, keine Anwälte - niemand hat sich gemeldet, nichts wurde gefunden, was einen akuten Streit nachweist.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Anfang 1922 fuhr Viktoria Gabriel mit Thomas Schwaiger nach Schrobenhausen, um "reinen Tisch zu machen".
Das wäre natürlich schön und einleuchtend, wenn es so gewesen WÄRE. Das kannst Du nach Aktenlage aber definitiv nicht als gegeben ansehen.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Etwa 100.000 Reichsmark in Form von Bargeld und Pfandbriefen wurde ebenso nicht angerührt.
Es wurde außer einem 5-Mark-Schein im Gebetsbuch gar kein Papiergeld gefunden.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Der Schmuck wurde nicht entwendet
Falsch. Du kannst nur sagen, dass nach der Tat noch Schmuck vorhanden war. Ohne die Kenntnis, was zuvor da war, ist es unmöglich zu wissen, dass nichts wegkam oder was genau wegkam.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Ein in den Augen von Schlittenbauer endloser Streit um den Sohn, den Unterhalt, den Inzest war also wieder aufgeflammt und damit haben wir die Eskalationsgrundlage für einen Mann, der gerade seine Tochter verloren hatte.
Na eben nicht.
Zitat von MarzipanferkelMarzipanferkel schrieb:Die Morde in Hinterkaifeck fanden nur einen Tag später. Zwischen Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer lag also nicht nur eine persönliche Tragödie um eine gescheiterte sexuelle Beziehung, Ausnutzung, Zurückweisung, eine verhinderte Heirat, ein uneheliches Kind, eine Schlammschlacht um Inzest und die gerade wieder der aufgeflammte Streit um neue Unterhaltszahlungen. Er war auch noch einer akuten emotionalem Krisensituation nach der Beerdigung.
Das fasst es eigentlich schön zusammen: Tragödie, Herzschmerz, Eskalation. Geeignet für eine spannende Geschichte. Ohne Belege halt überhaupt nicht geeignet für die Auflösung eines Kriminalfalls.

Ich hab ja gar nichts dagegen, wenn Jemand für sich darin eine runde Sache sieht. Das ist aber nun einmal nicht gleichwertig mit einer Überführung Schlittenbauers als Täter.
Alle diese Annahmen, dass da kurz vor der Tat noch emotional so viel Sprengstoff da war, sind nicht belegt.
Und die ganzen anderen Punkte, die ich gestern auch erwähnt hatte (Heukuhlen, Einbruch etc) kriegste da auch nicht unter.


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Mordfall Hinterkaifeck

21.11.2024 um 11:57
@Marzipanferkel:
Oder in Kurzform:
a) die Streitereien Schlittenbauer vs Gruber/Gabriel waren über zwei Jahre vor der Tat. Zwischenzeitlich hatte sich das Verhältnis wieder normalisiert, da gab es keinerlei akuten Anlass für eine derartige Eskalation.
b) Wenn das eigene Kind stirbt, warum tötet man dann (u.a.) ein mögliches weiteres eigenes Kind?
c) wie von @jaska gegen Ende des letzten Beitrags erwähnt, gibt es in deinem Puzzle haufenweise Teile die nicht passen
d) Ein jahrelanges Hinterhertrauern Schlittenbauers im Hinblick auf Viktoria ist äußerst unwahrscheinlich. Ehen im ländlichen bayr. Raum wurden vor 100 Jahren weitestgehend aus rein pragmatischen Gründen geschlossen (was wenn ich mich recht entsinne so auch im Abschlussbericht aus FFB, der die damaligen Umstände recht ausführlich beschreibt, geschildert wird)


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Mordfall Hinterkaifeck

26.11.2024 um 14:59
@Marzipanferkel
sehr gute Darstellung! Es ist wirklich verblüffend, mit welcher Vehemenz immer wieder bestritten wird, LS habe ein Motiv für die Tat gehabt. Andererseits wird nicht selten ein völlig herbeifabuliertes Fememord-Szenario nahegelegt, einschließlich verstecktem Waffen- und/oder Flugzeugteilelager. Man sollte beides ruhig zusammen ins Bild rücken, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen:
Man darf natürlich glauben, was man will! Beweise gibt es in diesem Fall keine (auch nicht für die Schuld des LS!). Aber dass es keine Indizien gebe, die LS stärker belasteten als sonst irgendwen, von dem wir wissen können, ist nicht wahr!
Selbstverständlich, und das wurde hier schon unendliche Male hoch und runter gebetet, lässt sich eine große Zahl von persönlichen Kränkungen finden, die LS motiviert haben könnten, die Morde zu begehen. Dies erscheint plausibel, nicht erst vor dem Hintergrund, dass, wie vielerorts geschrieben und sogar durch die Auffindesituation evtl. nahelegt, V vermutlich das erste Opfer war.
Du @Marzipanferkel hast alles wichtige dazu nochmals zusammengetragen: Man darf ergänzen, das, was es da zu nennen gilt, ist nichts, von dem man annehmen muss, dass es all zu bald und vor allem nachhaltig verginge. Im Gegenteil, das, was LS seitens der Familie Gabriel/Gruber (subjektiv) angetan worden sein mag, reichte allemal aus, um eine ganze Lebensspanne und darüber hinaus: Generationen mit Hass zu erfüllen! (Dafür braucht es keine Literatur, das Leben zeigt, dass es nur all zu oft genau so ist.)
Nehmen wir also an, LS sei der Täter gewesen, so würde sich die schreckliche Tat unmittelbar aus der Interaktion der Beteiligten, aus der sozialen Situation, in der sich die Einzelnen in ihrem sozialen Mikrokosmos befunden haben würden, erklären lassen. Dies ist, gerade in Ermangelung etwaiger objektiver Spuren, bei weitem nicht der schlechteste Kontext, um das Handeln von Menschen zu erklären.
Hingegeben für Fememorde und Flugzeugteilelager es nicht nur keinerlei Indizien gibt, sondern auch die Verknüpfung mit der Tat würde eine zeitgeschichtliche Kontextualisierung erfordern, eine Erklärung also, die von den wenigen bekannten Fakten der alltäglichen Lebenswelt der Betroffenen völlig abstrahiert und die zwar Militärhistorikern einleuchtend erscheinen mag, aber mit der sozialen Situation der Grubers, Gabriels und Schlittenbauers nicht nur rein gar nichts zu tun gehabt muss, sondern allen bekannten Fakten nach auch tatsächlich rein gar nichts zu tun hatte.
Ich bin der einfach nachzuvollziehenden (und zugegebenermaßen schlichten) Meinung, dass man sich kein abschließendes Bild darüber erzeugen kann, wer für die Hinterkaifeck-Morde verantwortlich ist. Aber es erscheint mir unredlich, wenn man das Naheliegende diskreditiert und zugleich das Fernliegende als 'plausibles' Szenario rahmen möchte.


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Mordfall Hinterkaifeck

27.11.2024 um 19:39
@DocWatson
Ich stimme Dir zu. Ich hatte das schon oft und vor Jahren hier geschrieben: wir werden keinen Schuldbeweis mehr führen, gleichwohl ich mir sicher bin, dass es mit heutigen Methoden und Standards der Kriminalistik zu einer sehr schnellen und eindeutigen Aufklärung des Verbrechens käme.
Aber mit 102 Jahren Abstand ist das Verbrechen nicht mehr aufklärbar. Daher verbietet sich eine Bezichtigung, obwohl- und auch das hast Du sehr gut ausgeführt- am Ende genau das nicht bedeutet, dass
Zitat von DocWatsonDocWatson schrieb:man das Naheliegende diskreditiert und zugleich das Fernliegende als 'plausibles' Szenario rahmen möchte.
Das hast Du, wie ich finde sehr gut abgewogen und sehr schön formuliert.


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Mordfall Hinterkaifeck

28.11.2024 um 07:11
@DocWatson
Zitat von DocWatsonDocWatson schrieb:Hingegeben für Fememorde und Flugzeugteilelager es nicht nur keinerlei Indizien gibt, sondern auch die Verknüpfung mit der Tat würde eine zeitgeschichtliche Kontextualisierung erfordern, eine Erklärung also, die von den wenigen bekannten Fakten der alltäglichen Lebenswelt der Betroffenen völlig abstrahiert und die zwar Militärhistorikern einleuchtend erscheinen mag, aber mit der sozialen Situation der Grubers, Gabriels und Schlittenbauers nicht nur rein gar nichts zu tun gehabt muss, sondern allen bekannten Fakten nach auch tatsächlich rein gar nichts zu tun hatte.
Nun ja, auch die Umstände um Schlittenbauer herum sollten im zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext gesehen werden. Und da bleibt eben nicht viel übrig von lebenslangem Hass zwischen zwei Familien.
Wir haben einen massiven Streit im Herbst 1919. Nach dem Einlenken bzw. der Einigung in diesem Streit müssen beide Seiten ein wie auch immer geartetes Miteinander gefunden haben. Das geht allein aus der Tatsache hervor, dass Schlittenbauer als Ortsführer Ansprechpartner war für alltägliche Belange der Gröberner. Außerdem wurden Hütemaßnahmen und Ernten und Drescheinsätze insofern gemeinschaftlich organisiert, dass Geräte und Personal oft zwischen den Höfen rotierten. Die können sich gar nicht vollständig aus dem Weg gegangen sein.
Die Akten sprechen konkret davon, dass es einen gesitteten Umgang miteinander gab. Selbst wenn Schlittenbauers eigene Aussagen über das Gespräch mit Gruber nach dem Einsatz oder der Begegnung mit seinem Sohn auf dem Feld für Einige mit Skepsis betrachtet werden - Sigl sagt bereits zeitnah zur Auffindung ebenfalls aus, dass es keinen Streit mehr gab zwischen Schlittenbauer und den Opfern.
Diese Fahrt nach Schrobenhausen kommt in der Aussage des eigenlichen vermeintlichen Zeugen Thomas Schwaiger gar nicht vor. Der hätte bei seiner Befragung 1929 diese Motivrichtung erwähnen können und müssen. Ebenfalls zeitnah zur Tag: dazu sagt weder er etwas noch sein Schwiegersohn, noch das beteiligte Gericht oder der beauftragte Rechtsanwalt. Nicht Schlittenbauer und Keiner, dem er eventuell in seinem neu entfachten Hass davon erzählt haben könnte. Keiner aus Viktorias Umfeld und der Seite der Familie Gruber-Gabriel.
Wir haben nur eine Aussage hierzu, die 30 Jahre später aufgenommen wurde und von einem Zeugen stammt, der damals sehr wütend auf Schlittenbauer war. Sigl war zu diesem Zeitpunkt von Gröbern weggezogen und hatte wohl die Schuld für das Aufgeben seines Hauses in Gröbern auch auf Schlittenbauer projeziert.

Hinzu kommt noch, dass ich persönlich überhaupt nicht sehe, warum die Viktoria diesen Streit nochmal aufflammen lassen wollte. Natürlich ging es möglicherweise um Geld, aber das war jetzt nicht das größte Problem. Viktoria und ihr Vater waren vorbestraft und sie ist mit einem ledigen Kind durchgekommen, was gesellschaftlich jetzt nicht gerade attraktiv war. Hätte sie wirklich den Ortsführer angezeigt, der postwendend den Inzest wieder hätte ins Spiel bringen können und damit polizeiliche Untersuchungen einläuten?
Das leuchtet mir überhaupt nicht ein. Gut, Menschen machen merkwürdige Sachen. Aber zusammen mit der Aktenlage fehlt mir jeglicher Auslöser eines Sechsfachmordes.
Wäre nur Viktoria das Opfer gewesen oder meinetwegen nur Gruber, seine Frau und die Viktoria, dann könnte man einen gezielten Hass auf die vermeintlichen Konflikt-Treiber hineininterpretieren. Aber das war nicht so.


Leider hat @Marzipanferkel die Diskussion verlassen, nachdem konkret nachgefragt wurde, wie die weiteren Umstände untergebracht werden können in die Version, dass Schlittenbauer der Täter ist.
Denn diese Umstände sind aktenkundig, dem Täter zuzuordnen und müssen zumindest großteils erklärbar sein.
Ich hab grad gestern in meinem Forum einige der Punkte aufgelistet:

Beitrag Jaska, hinterkaifeck.net, 27. November 2024
https://forum.hinterkaifeck.net/index.php?topic=43.msg143390#msg143390
Zum Beispiel der Einbruch am Tag zuvor. Glaubt Jemand ernsthaft, das habe nichts mit den Morden zu tun? Wäre Schlittenbauer in das Motorenhäuschen eingebrochen, wo kein Durchgang ins Haus war, wenn er in Mordabsicht kam?
Hätte er die Reuthaue wirklich im Haus versteckt, wo er dutzende Möglichkeiten hatte, sie unauffällig zu entsorgen?
Hätte er sein Kind erschlagen?
Wäre er noch auf dem Hof geblieben?
Hätte er alles Brot verspeist?
Hätte er Samstagabend Feuer gemacht?
Kuhlen im Heu?
Die Dachziegel verschoben?
4 Tage abgewartet?
Was wäre das Motiv Ende März 22 gewesen?
Jetzt diskutieren wir diesen Fall schon mehr als 15 Jahre hier und nie ist mir eine stimmige Version zu Schlittenbauer vorgekommen.
Da müssen so viele Dinge ignoriert und ausgespart werden, damit das Ganze passt.
Allein die praktische Seite, wie er mit blutverschmierter Kleidung und sicher entsprechend nervös unauffällig wieder zu seinem Hof zurückkehren konnte. Unbemerkt von Dienstboten und Familie, mit einem fehlenden oder eben beschmutzten Satz Kleidung, von denen die Menschen damals vielleicht 2 oder 3 hatten (2x Alltagsgewand, 1x Festtagsgewand). Es war ja nicht so, dass es nicht auffiel, wenn wie heutzutage 1 von 20 T-Shirts und 1 von 10 Jeans fehlte. Reinigen war bei den damaligen Materialien wie Leder und Loden auch nicht so einfach.
Ach, das sind so viele Überlegungen, die es für mich unwahrscheinlich machen, dass die Polizei bei nachgewiesenen häufigen Ermittlungen gegen Schlittenbauer, so gar nichts finden konnte. So große Stümper, wie man benötigt, um Schlittenbauer als Täter zu sehen trotz nie erfolgter Anklage, waren die auch nicht.


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Mordfall Hinterkaifeck

28.11.2024 um 09:19
LS war wahrscheinlich für jeden der Täter schlechthin, als er angefangen hat, sich mit dem Fall zu beschäftigen. Aber er hatte keinen triftigen Grund dafür (Jedenfalls keinen, der uns bekannt ist).
Ich komme selbst aus einem kleinen Ort im Taunus, und ich kenne die Mentalität dieser Ortsführer oder Ortsvorsteher (mein Bruder ist selbst einer davon).
Eigentlich ganz fleissige und anständige Menschen, die schwer nein sagen können. Deswegen sind sie auch Ortsführer geworden, denn im Ehrenamt wollte auch damals keiner etwas machen. Kleine Wichtigtuer, die da sind wenn man sie ruft , oder auch so kommen wenn man sie nicht ruft. Sie geben mit ihren Netzwerken an, und vergessen das die ein jeder hat. Man duzt sich mit dem Bürgermeister, kennt jede Menge Polizisten, geht beim Pfarrer ein und aus, ein Klassenkamerad arbeitet beim Gericht etc....Highlight meines Bruders war die Corona Zeit bzw. die Bürger darauf hinzuweisen kene Gruppen zu bilden. Ausserdem ist sein Lieblingsplatz die Grüne Ecke bzw. KFZ-Zeichen aufzuschreiben die abladen und Ortsfremd sind. Das ganze wird dann der Gemeindeverwaltung gemeldet. Alle Ortsvorsteher die ich kenne sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Ausserdem auch etwas linkisch. Das ihn keiner für voll nimmt, merkt er hoffentlich nie *lach*.

So schätze ich den guten Lorenz auch ein. Was ich aber glaube, das er mehr wusste, und er es einfach als gegeben hingenommen hat das jetzt 6 Menschen tot sind. Merkt am an seiner Aussage: "Da hat der Herrgott die rechte Hand ...."

Aber Affekt Mörder oder planerische Mörder sind in meinen Augen aus einem anderen Holz geschnitzt!

Das passt besser zu einem Andreas Gruber. Aber die uns bekannten Vortat Ereignisse sprechen dagegen.

Die Gabriels waren unglaublich scharf auf den Hof, aber kommen sie ohne Waffen wenn sie einen 6 fach Mord vorhaben? Nehmen dafür das was sie vorfinden? Eher nein!

Raubmord? Wäre im Bereich des möglichen aber warum habe ich dann nicht alles mitgenommen? Oder bin ich gestört worden?


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Mordfall Hinterkaifeck

28.11.2024 um 13:02
Zitat von Elliott12Elliott12 schrieb:Raubmord? Wäre im Bereich des möglichen aber warum habe ich dann nicht alles mitgenommen? Oder bin ich gestört worden?
Das Problem dürfte wohl sein, dass man ja nicht weiß, was denn nun fehlte. Sicher, es lagen einige Wertsachen herum, die man hätte einstecken können, aber wenn (!!!) es einen Täter gegeben hätte (!!!), der auf eine ganz bestimmte Sache scharf war von der aber außer der Familie niemand wusste, dass sie dort war, dann hätte (!!!) er sich vielleicht diese Sache eingesteckt und niemand hätte in Nachhinein bemerkt, dass genau das geklaut wurde.

Und dass er die anderen Wertsachen liegengelassen hat, könnte (!!!) mit der Angst zu erklären sein, dass man ihn erwischt und er dann nicht erklären kann, woher er z. B. das Geld hat.

Allerdings glaube ich persönlich nicht an diese Möglichkeit, weil ich mir nicht recht vorstellen kann, was das für eine Sache gewesen sein könnte. Es müsste etwas gewesen sein, das man leicht abtransportieren kann (auch alleine!) und das dann auch im Nachhinein nicht bemerkt wird wenn der Täter es einsetzt (also z. B. keine Urkunde, die er dann irgendwo bei einer offiziellen Stelle vorlegen muss).

Allenfalls käme mir noch in den Sinn, dass es ein Schuldschein gewesen sein könnte, dass also der Täter diesen mitnimmt, um Schulden bei der Familie nicht bezahlen zu müssen- aber dann bleibt das Risiko, dass die Familie Gabriel/Gruber irgendwem davon erzählt hätte, dass der X ja Schulden bei ihnen hat.

Es ist aber wohl eher eine rein theoretische Möglichkeit. die ich persönlich eher nicht für realistisch halte.


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Mordfall Hinterkaifeck

28.11.2024 um 23:03
@ brigittsche

ja deine Vermutungen sind schon ganz gut aber ich denke eher es sollte nur so aussehen wie ein Raubmord. War auch der erste Gedanke von Reingruber bzw. er glaubte das es einer war.


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Mordfall Hinterkaifeck

28.11.2024 um 23:48
@Elliott12
Zitat von Elliott12Elliott12 schrieb:ich denke eher es sollte nur so aussehen wie ein Raubmord.
Woran machst Du das fest?


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Mordfall Hinterkaifeck

29.11.2024 um 00:17
Man hat auch noch nach der Tat einiges an Wertgegenständen aufgefunden.
Wenn man noch einige Zeit auf dem Hof verbringt hätte man ja auch die Zeit alles mitzunehmen denke ich mir.
Allerdings hat mir neulich eine Polizistin, die in einer Beratungsstelle arbeitet erzählt , das Einbrecher in der Regel nicht die hellsten sind. Sie agieren weit weg von rational, dass heisst sie nehmen den Modeschmuck mit, und lassen das Gold liegen!


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Mordfall Hinterkaifeck

29.11.2024 um 23:27
@Elliott12
Zitat von Elliott12Elliott12 schrieb:Wenn man noch einige Zeit auf dem Hof verbringt hätte man ja auch die Zeit alles mitzunehmen denke ich mir.
Der Zusammenhang a la "Raubmord nur bei kompletter Plünderung des Hofs" erschliesst sich mir nicht.


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Mordfall Hinterkaifeck

19.12.2024 um 07:19
@jaska
Zitat von jaskajaska schrieb am 21.11.2024:Wir suchen ja ein Motiv oder eine Gemengelage, die 1922 so explosiv war, dass sich daraus ein Sechsfachmord ergab inklusive der Tötung des eigenen Kindes. Richtig?
Nein, hier wurde eben gerade kein "explosiver" Massenmord geplant. Die Indizien zeigen doch klar, dass das Ganze Stück für Stück eskaliert ist, dass sich der Mörder in einen Rausch hineingesteigert hat. Dafür muss bei ihm vorher der berühmte Schalter umgelegt worden - und das zeigt, dass sich bei ihm vorher viel aufgestaut hat und es eine intensive Beziehung zu den Menschen am Hof gab. Die Opfer wurden nicht einfach nur getötet, sie wurden übertötet - massiv. Sie wurden hingerichtet.

Der Mörder steigerte sich offenbar in ein "Gottesgericht", ein blutiger Pfad, und er musste offenbar auch immer weiter morden, um keine Zeugen für den vorherigen Mord zu hinterlassen:

Zuerst offenbar Viktoria Gabriel

Laut den Berichten wies sie neun(!) sternförmige Wunden am Kopf auf, die durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand verursacht wurden. Ihre rechte Gesichtshälfte war stark eingeschlagen, und die Schädeldecke war zertrümmert. Zusätzlich wurde eine kleine, runde Verletzung an der oberen Schädeldecke festgestellt, die vermutlich von einem spitzen Werkzeug herrührte. Es wird außerdem von Würgemalen am Hals berichtet.

Dann offenbar Cäzilia Gruber:

Sie erlitt sieben Schläge auf den Kopf, die ihre Schädeldecke sprengten. Ihr Gesicht war besonders im Bereich des rechten Auges stark zerschlagen. Eine ihrer Kopfverletzungen hatte eine triangelförmige Form, möglicherweise verursacht durch ein spezielles Werkzeug wie die Reuthaue.

Zuerst haben wir also Würgemale, das zeigt eine intensive körperliche Auseinandersetzung. Dass auch die Mutter Würgemale hat, kann darauf hindeuten, dass sie offenbar dazu kam, als Viktoria noch lebte und dann auch in die Auseinandersetzung mit hineingezogen wurde. Beide Opfer wurden dann wie ein Schwein bei der Schlachtung außer Gefecht gesetzt durch einem Hieb mit der Reuthaue auf den Kopf. Und dann lagen sie da, mit einem Schädelbruch, und der Mörder hieb und hieb immer wieder auf ihre Köpfe ein.

Dann offenbar Andreas Gruber:

Keine Würgemale, aber massive stumpfe Gewalt: Seine rechte Gesichtshälfte war zerschlagen, die Gesichtszüge kaum noch erkennbar und das Fleisch zerfetzt. Es wird berichtet, dass er durch einen Sturz auf den Spitz eines schweren Kreuzpickels starb. Dieser riss ihm die Halsschlagader auf, was zu einem schnellen Verbluten führte. Die Wunde war so tief, dass der Wangenknochen sichtbar wurde. Die Löcher im Schädel fehlen aber. Die Wunden deuten daraufhin, dass überrascht wurde und keine Gegenwehr geleistet hat.

Offenbar das vierte Opfer: Cäzilia Gabriel

Hier stimmt das Muster wieder: Sieben Schläge zertrümmerten ihre Schädeldecke. Auf ihrer rechten Gesichtshälfte befand sich eine kreisförmige Verletzung, und ihr Unterkiefer war zertrümmert. Tragischerweise lebte Cäzilia noch etwa zwei Stunden nach der Attacke. Während dieser Zeit riss sie sich in Schmerzen und Panik Haarbüschel aus. Deshalb muss sie wohl das letzte Opfer in der Scheune gewesen sein, denn der Mörder bekam den Todeskampf nicht mehr mit, er war ja weitergegangen. Ansonsten hätte er sie mit Absicht qualvoll verrecken lassen.


Das also der Zwischenstand: Wie diese Menschen hingerichtet wurden, Stück für Stück, das sollte sich jeder mal intensiv reinziehen, bevor er weiter seinen Unsinn von "Raub" oder "Fememord" durch Soldaten fabuliert. Das waren geübte Killer mit Gewehren, die garantiert keine Schweinerei wie ein schlachtender Bauer veranstalten. Außerdem hätte ich als Räuber spätestens beim Würgen das Weite gesucht, weil hier offenbar alles eskalierte.

Halbzeit: Als Mörder hätte ich nun das "Schlachtfeld" verlassen, da ja alle Zeugen beseitigt waren. Warum also ging der Mörder weiter vor, warum erledigte er den "Rest" seiner Arbeit? Warum beendete er die Mission - wie ein Scharfrichter oder eben ein Mann unter immensen psychischen Druck, der sich nun entlädt - der offenbar immer noch ein starkes emotionales Ziel hat, den Stein des Anstoßes: der Sohn - unehelich oder inzestuös. Auf jeden Fall das Symbol der Schande. Andreas Gruber war dafür im Gefängnis, seine Tochter galt ... naja, das schreibe ich lieber nicht ... und der Herr Bürgermeister war mitten drin in dieser Geschichte zwischen intimen Sex, Heiratsversprechungen, Lügen, Anzeigen, Unterhaltsforderungen und über all das haben sich die Leute das Maul zerrissen.

Natürlich haben die das bei den Zeugenaussagen heruntergespielt, um sich eben selbst nicht in einem schlechten Licht zu zeigen. Natürlich haben das auch die Betroffenen heruntergespielt, um nicht neues Futter für die Leute zu liefern. Überlegt euch doch einmal, ihr seid Andreas Gruber und euer Nachbar hat euch für mehrere Monate durch eine Anzeige +ins Gefängnis gebracht und ihr seid in der ganzen Gegend dank ihm als Inzest-Vater verschrien. Werdet ihr jemals wieder ein normales Verhältnis zu diesem Mann haben - egal, was die Leute später der Polizei erzählt haben?

Victoria Gabriel löste kurz vor den Morden nicht nur ihre Ersparnisse auf, sie lieh sich auch noch zusätzlich Geld - und sie fuhr laut den Akten kurz zuvor Schrobenhausen zum Gericht, um weitere Unterhaltszahlungen oder einen Inflationsausgleich von Schlittenbauer zu erzwingen.

Niemand weiß, was da zwischen den den Grubers und Schlittenbauers in diesen Tagen vorgefallen ist. Vielleicht wollte sie mit ihrem Kind - seinem Sohn? - verschwinden? Vielleicht hat sie im klargemacht, dass er doch ein Inzestkind war und sie ihn dafür auch noch finanziell belangen wollte, nachdem sie seinen Ruf zerstört hatte. Fakt ist aber, dass zwischen diesen Menschen erhebliche emotionale Spannungen bestanden haben. Und nein: Bei der ungelösten Geschichte kommt nicht einfach wieder so alles ins "Lot".

Aber zurück zum Mörder:

Er könnte verschwinden, er will aber seine Mission beenden, er will weitermorden. Die ganzen Jahre und bei den immer weiteren Eskapaden mit den Grubers hat er vielleicht als gläubiger Mensch so manche Nacht gerufen: "Mein Gott, hört das denn nie auf". Und jetzt hat er es in der Hand: Er kann es beenden. Was hat er nach dieser Nacht noch zu verlieren? Vermutlich denkt er aber gar nicht mehr rational, er ist ja in einem absoluten Gewaltrausch. Victoria Gabriel wollte laut Zeugen "reinen Tisch machen", jetzt macht er "reinen Tisch".


Die letzte Hürde vor dem Finale: die Magd Maria Baumgartner

Am Hinterkopf wies sie ein etwa 4 cm tiefes Loch auf, auch hier wieder die Reuthaue. Dazu kreuzweise Hiebe auf den Kopf. Diese Schläge verursachten schwerste Schädelverletzungen. Ihr Gesicht war stark verletzt und blutverkrustet, insbesondere auf der rechten Seite des Kopfes. Der Mord passt wieder ganz ins Muster. Extreme Gewalt, um sicherzustellen, dass sie sofort starb.

Der Abschluss: Josef Gabriel

Bei Victoria Gabriel waren es 9 Schläge, bei Cäzilia Gruber 8 Schläge - ein absoluter Overkill. Hier holt der Mörder zu einem einzigen, brutalen Hieb aus, der das Dach des Kinderwagens zerschlägt und die rechte Schädelhälfte des Jungen zertrümmert. Er ist sofort tot. Nicht der brutalste Mord am Hof, aber der am wenigsten rationalste: Alle anderen hätten Zeugen sein können, sie hätten sich wehren können, der kleine Josef war wehrlos, er hätte mit seinen zwei Jahren auch nichts berichten können, und er lag zudem noch im Schlafzimmer, bekam von den anderen Morden also nichts mit und hätte auch nichts verstanden.

Das "Gottesgericht" hätte aber vor dem kleinen Jungen nicht Halt gemacht; er war ja das moralische Dilemma, das Zeichen der Blutschande, was in die Welt gesetzt wurde, und alle an alles erinnerte. Die Handschrift des Mörder auf dem Hof zeigt: Hass, Eifersucht oder Rache. Dazu war Schlittenbauer ein zutiefst religiöser Mensch, der Jahre später über die Morde auf Hinterkaifeck sagte:

Da hatte der Herrgott die Hand am rechten Fleck

Ist das nicht interessant? Damit sagt er ja: Der Mörder war ein Werkzeug Gottes, er hat "recht" gehandelt.
Den Mörder trifft keine Schuld, er hat eine unerhörte Schande in einer zutiefst katholischen Gegend getilgt. Es war "göttliche Fügung".


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