@allIch habe in einem der letzten Beiträge die Widersprüche der Aussagen vonBichler und Haas bezüglich de Gefallenen Karl Gabriel erwähnt. Ich habe mir die Mühegemacht, die beiden Aussagen abzutippen, so daß sich jeder selbst ein Bild machenkann.
Aussage Bichler:
Ich bin mit 5 nach nach Waidhofen gekommen und habehier die Schule besucht.
Einer meiner Schulfreunde war Karl Gabriel. Er war ein Jahrjünger als ich.
Damals waren die siebten Klassen in zwei Räumen im Schulhausuntergebracht.
Am 14.8.1914 sind Karl und ich ins Rekruten-Depot Kösching beiIngolstadt
eingerückt. Ich selbst wurde am 3.11.1914 ins Feld abgestellt.
Gabrielblieb zunächst beim Rekruten-Depot und kam erst am 10. oder 11.12.
zur Abstellung.Ich selbst habe Gabriel jedenfalls am 13.12.1914 bei einem
Feldgottesdienst in Vincyin Nordfrankreich getroffen. Ich war damals bei der
siebten und Gabriel bei dersechsten Kompanie des 13. Bayerischen-Reserve-
Infanterie-Regiments. Ich habe andiesem Tag mit Gabriel auch gesprochen.
Ich erinnere mich deshalb so genau, weil diesder Namenstag meiner Frau
Ottilie war. Am Abend des gleichen Tags gingen wir wieder inStellung.
Auch die Kompanie des Gabriel kam zum Einsatz. Unsere Stellung lagbei
Neuville-St. Vaast. Die Kompanie des Gabriel war links an unsere
angeschlossen. Beide Einheiten hatten einen Abschnitt von etwa 300 m
zuverteidigen. In der Nacht zum 14. Dezember stand unser Abschnitt unter
leichterFeuereinwirkung, darunter auch Schrapnells.
Als wir einige Tage später abgelöstwurden, haben mir Kameraden von Gabriel
erzählt, daß er am Abend des 13. Dezember,kaum daß die Kompanie in Stellung
gegangen war, gefallen ist. Von wem ich dieserfuhr, weiß ich nicht mehr.
Sie sagten nur, daß Karl durch einen Minenschuß sofortgetötet worden ist.
Gabriel muß ausserhalb des Schützengrabens auf Beobachterpsotengewesen sein.
Es dürfte der 16. oder 17. Dezember gewesen sin, als ich von seinemTod
hörte. Am 25. Dezember ging ich am frühen Nachmittag zur 6. Kompanie
hinüber,um mir Näheres über den Tod meines Schulfreundes erzählen zu lassen.
Auf meineFrage, wo Gabriel liegt, erfuhr ich, gleich vor dem Graben. Sie
haben mir auch dieLeiche gezeigt. Sie war noch nicht beerdigt und lag
angeblich noch da, wie er gefallenwar. Sie lag drei Meter vor dem Graben.
Bei mir war Nikolaus Haas aus Rachelsbach.Er war ebenfalls in meiner
Kompanie. Haas und ich krochen die paar Meter zur Leiche.Gabriel lag
auf dem Rücken. Seine Stirn war leicht gespalten, der Mund war offen
und man konnte sehen, daß auch der Unterkiefer verletzt war. Trotzdem
war der Toteeinwandfrei als Karl agbriel zu erkennen. Auch die Kameraden
haben gesagt, daß er diesist. Haas hat die Taschen durchsucht und dabei ein
Foto gefunden. Ich weiß genau, daßes ein Bild der Ehefrau gewesen ist.
Was mit dem Foto geschehen ist, weiß ich nichtmehr. In der Nähe der
Leiche lag ausserdem ein zerfetztesNotizbuch.
Entschuldigen Sie schon Herr Komissär, aber das ist alles so langeher,
schon fast 40 Jahre, ich muß jetzt nachdenken. Ja, ich glaube, Haas und
ichhaben damals die Leiche etwas in die Erde eingescharrt. Da wir unter
feindliches Feuergerieten, mußten wir bald wieder zurück. Es war übrigens
neblig. Ob und wann dieLeiche richtig beerdigt wurde, kann ich nicht
sagen. Man hätte den Toten damals leichtholen können. Warum das nicht
getan wurde, ist mir heute noch ein Rätsel. Ich habedamals meiner Frau
geschrieben, daß Karl Gabriel gefallen ist. Bei dem Foto vonGabriels
Frau handelte es sich um ein Brustbild von zehn mal sechs Zentimetern
aufstarlem Pappkarton. In dieser Sache, wenn ich das erwähnen darf,
wurde ich bereitsAnfang Mai 1922 von Gendarmerie-Komissär Goldhofer
aus Hohenwartvernommen.
Aussage Nikolaus Haas:
Also, ich habe Karl Gabriel und seineFrau Viktoria sehr gut gekannt.
Am 3. oder 4. Dezember 1914 wurde ich mit Bichler andie Westfront abgestellt.
Unser Abschnitt war an der Strasse Arras-Neuville.Anlässlich eines
Feldgottesdienstes am 10. oder 11. Dezember ging ich mit Bichlerdurch
den Ort Vincy zur Dorfkirche. Auf dem Weg traf ich Gabriel vor seinem Quartier.
Ich fragte ihn, ob er nicht ei Paar gute Stiefel für mich hätte, da meine
Schuheziemlich kaputt waren. Gabriel meinte, ich soll auf dem Rückweg bei
ihmvorbeischauen.
Als wir nach einigen Tagen aus der Stellung kamen, ging ich wiederzu
Gabriel. Von seiten der Kameraden habe ich erfahren, daß er gefallen ist.
Sieerzählten, daß er durch eine Gewehrgranate getötet wurde. Er soll auf
Horchpostengesessen haben. Wir ließen uns die Leiche zeigen. Das Gesicht
war nicht geradeentstellt. Ich weiß sicher, daß es Karl Gabriel gewesen
ist. Als ich an Ostern 1918zum erstenmal auf Urlaub war, hat mich die Witwe
Gabriel in Rachelsbach besucht. Siewollte Einzelheiten über das Ableben
ihres Mannes wissen. Ich konnte ihr aber nichtmehr sagen, asl sie ohnehin
schon wusste.
Frage: Haben Sie damals die Unformdes Toten durchsucht ?
Antwort: Ich - nein - wieso ...
Frage: Neben dem Totenlag doch ein zerfetztes Notizbuch, Was haben Sie
damit gemacht ?
Antwort: Was fürein Notizbuch - was wollen Sie überhaupt ...
Frage: Und Sie haben auch nicht ausder Tasche des Toten ein Foto von
Viktoria Gabriel gezogen ?
Antwort: Nein, wassoll denn das - werde ich hier etwa verdächtigt...
Oberkomissär Kagermeier: IhrKamerad von damals, Herr Bichler, hat
soeben erklärt, Sie hätten die Uniform von KarlGabriel durchsucht
und dabei ein Bild seiner Frau gefunden.
Haas: Das stimmtnicht. Wie Bichler zu solchen Angaben kommt, ist mir
unbegreiflich. Ich habe in meinemganzen Leben noch keine Fotografie
der Viktoria Gabriel in Händengehabt.
Kagermeier: Erzählen Sie mir in allen Einzeljheiten, wie Sie damals
dieLeiche gesehen haben.
Haas: Das war so. Wir standen im Schützengraben. Von dortheraus konnte
ich den Gefallenen vor mir liegen sehen. Den Bichler, der kleinerist
als ich, mußte ich hochheben, damit er über den Graben schauenkonnte.
Kagermeier: Haben Sie die Leiche etwas eingesxharrt, bevor Sie zuIhrer
Einheit zurückgingen ?
Haas: Nein!