Grillage schrieb:Der Richterin ist ein Formfehler unterlaufen, das bedeutet doch nicht, dass all die Indizien und Gutachten, die im Prozess besprochen wurden, plötzlich falsch und nichtig sind.
Grillage schrieb:Dazu hat sich ihr Anwalt doch geäußert:Der Anwalt der Eltern der getöteten Hanna, Walter Holderle, betont dagegen: Der Bundesgerichtshof hätte lediglich den Verfahrensfehler beanstandet, in der Sache selbst aber nichts entschieden und somit auch nichts am Urteil kritisiert.
die Formulierungen "Formfehler" oder "Verfahrensfehler" finde ich arg beschönigend. Es geht hier ja nicht darum, dass vielleicht eine Frist um einen Tag versäumt wurde oder ein falsches Formular verwendet wurde oder etwas der Schriftform bedurfte, aber nur mündlich besprochen wurde, sondern es geht um den Anschein von Befangenheit. Und wie ich oben zitierte (
Beitrag von bla_bla (Seite 652) ) scheint der BGH nicht nur einen "Anschein" einer Befangenheit, sondern eine tatsächliche "mangelnde Distanz der Vorsitzenden" gesehen zu haben!
Das aber ist quasi der "Super-GAU des Gerichtsverfahrens"!
Es bedeutet, dass das gesamte Verfahren, der gesamte Verfahrensverlauf unverwertbar ist. Wären nur einzelne Punkte problematisch, würde beispielsweise der BGH den Schuldspruch im Grunde für richtig, nur die Strafzumessung für unangemessen halten, würde der BGH dies benennen. Dann gäbe es ja vielleicht eine Teilrevision. Aber mit dem Verdacht der Befangenheit entbehrt der gesamte erste Prozess einer Grundlage! Der BGH hat ja ein "Alles von vorne" angeordnet. Daher kann man aus dem Fehlen von Hinweisen des BGH zum Urteil selbst weder in die eine noch die andere Richtung etwas ablesen.
Das bedeutet natürlich nicht, da stimme ich Dir voll zu, dass die Indizien und Gutachten aus dem Prozess nun nichtig wären, aber es bedeutet, dass die Beweiserhebung und die Bewertung aus dem ersten Verfahren nichtig ist!
Deus_Ex_Machin schrieb:Die zur neuen Entscheidung berufene Strafkammer wird natürlich das Urteil sorgfältig studieren und, sollte sie keine gravierenden Fehler finden, als Blaupause für die neue Hauptverhandlung verwenden.
das erwarte ich nicht, es wäre ziemlich dumm, denn es würde Angriffspunkte für eine erneute Anfechtung schaffen. Versatzstücke aus einem Verfahren, in welchem dem Richter vom BGH "mangelnde Distanz" attestiert wurde, zu verwenden, wäre ausgesprochen fahrlässig.
Ich gehe im Gegenteil davon aus, dass die neue Kammer penibel darauf achten wird, jeden Eindruck zu vermeiden, irgendwelche Anleihen aus dem ersten Urteil genommen zu haben, sondern strikt nur auf Erkenntnisse aus dem neuen Prozess zurückgreifen wird.
Was natürlich nicht heisst, dass nicht am Ende dennoch ebenso ein Schuldspruch mit gleichem oder ähnlichen Strafmass stehen wird.