Sherlock_H schrieb:Hier wird immer argumentiert, dass man genug Zeit gehabt hätte,
Genau das ist das Problem.
Für alle Schreibtischstrategen ist immer genug Zeit vorhanden um abzuwägen, um Experten herbei zuholen, zu diskutieren und dann, meistens auch noch mit bedeutend mehr Erkenntnissen, da ja das Geschehnis inzwischen genauestens aufgearbeitet ist, Entscheidungen zu fällen bzw gefällte Entscheidungen zu kritisieren und alles besser zu wissen. Klar kann man immer alles irgendwie noch besser machen, denn hinterher ist man immer schlauer.
Wer einmal, egal ob bei der Feuerwehr, dem DRK, dem THW oder eben bei der Polizei Einsatzleiter war, Entscheidungen, oft im Sekundentakt fällen musste, kennt den Spruch. "Im Einsatz musst Du, oft in ein paar Sekunden, Entscheidungen fällen, die über Leben und Tod, (der Betroffenen oder Deiner Einsatzkräfte), entscheiden können. Geht alles gut, bist Du der Beste, "der Held", geht etwas schief, bist Du der Trottel und der Staatsanwalt nimmt sich für die Überprüfung dieser Deiner "Tatsachenentscheidung", die Du in Sekunden fällen musstest, Stunden, Tage oder Wochen Zeit. Ausserdem hört er dazu Experten, Gutachter und wälzt tausend Seiten Vorschriften.
Wer noch nie "draußen war", noch nie solche Entscheidungen fällen musste, hat schlichtweg keinerlei Vorstellung davon, was das bedeutet. Wie das ist, denn nicht selten sind alle möglichen Entscheidungen irgendwo genauso richtig, wie Sie falsch sein können, da niemand im Vorfeld abschätzen, sagen kann/konnte, wie sich die Lage Sekunden oder Minuten nach Deiner Entscheidung entwickelt.
Es gibt auch immer wieder Einsatzsituationen, da ist realistisch gesehen eigentlich alles was Du tust falsch. Dennoch musst Du etwas tun, denn sonst steht eine Klage wegen Unterlassung im Raum.
Da kannst Du üben und trainieren soviel Du willst, Da kannst Du 100 Bücher lesen, alle Gesetzestexte und Vorschriften auswendig kenen, die Realität sieht immer wieder anders aus.
Für mich hatten wir hier genau so eine Lage. Was man tut, kann/ist falsch.
Greift man ein, egal wie, ist es höchstwahrscheinlich falsch. Greift man nicht ein, es passiert dem Betroffenen was, ist es falsch.
Niemand konnte sagen/wissen wie reagiert er. Hat er Alkohol, hat er Drogen konsumiert, ist er wirklich "ruhig" oder bereitet er sich gerade jetzt mental auf irgend eine Aktion vor? Will er letztendlich in den nächsten Sekunden das riesen Messer sich in den Leib rammen oder eventuell "uns" angreifen. Er wäre bei Leibe nicht der erste Selbstmörder der andere Unbeteiligte mit den Tod reist.
Daher sollte man, egal ob Staatsanwalt oder nicht, nicht glauben/voraussetzen, dass die Situation eindeutig war und bis zum Eintreffen eines Dolmetscher nichts passiert wäre. Dafür gibt es in einer solchen Situation keinerlei Gewähr.
Daher ist es für mich verständlich, dass die Polizei das Heft des Handelns in die Hand nehmen, vom passiven Zuschauer, zum aktiv Handelnden werden wollte. Das ist ja schließlich Ihre Aufgabe.
Ob diese Entscheidung aktiv zu werden zu schnell getroffen wurde, das sei mal offen.
In wie weit das Eingreifen, hätte das Pfefferspray Seine normale Wirkung entfaltet, das Problem gelöst hätte,
kann ich nicht beurteilen. Ich denke aber die Chancen wären gut gewesen, dass man damit den Betroffenen kurzfristig außer Gefecht setzen könnte.
Genauso wie ich nicht nachvollziehen kann, wieso anscheinend alle eingesetzten Pfefferspraygeräte, mit abgelaufenen Mittel "gefüllt" gewesen sein können. Es war ja wohl mehr als ein Gerät zum Einsatz gekommen.
Wobei es mir dazu nicht klar ist, dass diese große eingesetzte Menge an Wirkstoffen, wenn auch abgelaufen, absolut keine Wirkung zeigte.
Hier sei die Frage erlaubt, warum überhaupt Geräte mit "abgelaufenen Mittel" im Einsatz mitgeführt wurden. Wer ist für die Kontrolle dieser Ausrüstungsteile zuständig? Der einzelne eingesetzte Beamte oder eine Art Prüfungs/Kontrollgruppe. Wer trägt dafür die Verantwortung?
Natürlich stellt sich im Nachhinein die Frage, warum setzte man darauf hin unmittelbar die Taser ein, noch interessanter, warum funktionierten auch die nicht, bzw zeigten auch die ebenfalls keine Wirkung?
Wobei natürlich die Frage, was schlossen die eingesetzten Polizisten daraus viel interessanter ist.
Wir wissen es heute natürlich besser, wissen dass kein Alkohol, keine Drogen im Spiel waren. Das will ich in keinster Weise in Frage stellen, das ist heute Fakt.
Doch deutet ein Versagen von Pfefferspray und Tasern eventuell auf genau dies hin? Das ist eine ernst gemeinte Frage, ich kenne die Antwort selbst nicht.
War das vielleicht für den Mann an der Waffe das Zeichen, jetzt muss ich eingreifen?
Das soll keine Entschuldigung für den Gebrauch der Schusswaffe sein. Dieser war, nach allem was wir wissen, nicht gerechtfertigt. Ein unentschuldbar Fehler.
Es ist eher ein Versuch zu verstehen, warum der arme Kerl abrückte, damit zwei Leben zerstörte. Das des Jugendlichen und Sein eigenes. Ich glaube kaum, dass er jemals wieder Seines Lebens froh wird. Er wird diesen Tag nie mehr vergessen, vielleicht nie "verarbeiten" können. Denn ich bin mir recht sicher, er drückte nicht aus "Spass an der Freude" ab.
Das warum er es tat, das zu ermitteln wäre mit Sicherheit ein wichtiger Aspekt, um sein Handeln nachvollziehen zu können, nicht es entschuldigen zu wollen.