Was ist der aktuelle Stand? Es laufen mehrere Ermittlungsverfahren. Gegen den Polizeikommissar, der geschossen hat, wird wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Auch der Vorwurf des Totschlags steht im Raum und wird überprüft.
Gegen die Beamtin, die Pfefferspray eingesetzt hat, und ebenso gegen zwei weitere Beamte, die mit Tasern schossen, wird wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.
Gegen den Einsatzleiter läuft eine Ermittlung wegen Anstiftung zur Körperverletzung, weil er den Einsatz von Pfefferspray und Taser anordnete.
Neben den strafrechtlichen Ermittlungen wurden gegen diese 5 Beamte auch Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Schütze wurde bereits vom Dienst suspendiert, die anderen vier Beamten wurden versetzt.
Es existiert anscheinend eine Tonaufnahme des Einsatzes, diese wird vom BKA analysiert und ausgewertet. Der Ort des Geschehens wurde begangen, vermessen, Anwohner vernommen, um klären zu können, wie es zu der Eskalation kommen konnte.
Zentrale Fragen - Inwiefern bestand eine Handlungsnotwendigkeit oder Bedrohungslage für die Polizei, die den Einsatz von Pfefferspray, Taser und Schüssen aus der MP nötig machten? Oberstaatsanwalt Dombert dazu:
Es ist fraglich, ob es diese Bedrohungslage überhaupt gab.
Der Ablauf:
Der im Alter von 13 Jahren aus dem Senegal geflüchtete Mouhamed Daré, inzwischen 16 Jahre alt und ohne deutsche Sprachkenntnisse, dazu psychisch angeschlagen – beides Umstände, die der Polizei vor dem Einsatz bekannt waren –, hatte mit nacktem Oberkörper in gehockter Haltung an einem Gebüsch im Innenhof der Jugendhilfe St. Elisabeth, einer Jugendeinrichtung im Dortmunder Norden, gesessen; er hielt sich ein Messer "mit der Klinge zu seinem Körper" vor den Bauch.
Lt dem Oberstaatsanwalt gab es keinerlei Gefahr für die Allgemeinheit. Der Senegalese hätte den Ort auch nicht verlassen können, da der Hof auf drei Seiten von Mauern begrenzt war und auf der vierten Seite die Polizei stand.
"Der Jugendliche war alleine im Innenhof. Er saß teilnahmslos mit dem Rücken an der Kirchenmauer und hatte den Kopf gesenkt. Drei Seiten des Hofs sind von Mauern begrenzt, an der vierten Seite standen Polizisten. Der 16-Jährige stellte also keine Gefahr für die Allgemeinheit dar."
[...]
In dieser Situation sei es Aufgabe der Polizisten gewesen, das mildeste Mittel zu wählen, um den Jungen von einem möglichen Suizid abzuhalten. "Man hätte zum Beispiel erstmal einen Dolmetscher besorgen können."
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Die Polizisten hätten außer einem Übersetzer auch eine Verhandlungsgruppe oder einen Psychologen anfordern können", sagt Oberstaatsanwalt Dombert. Es habe jedenfalls nicht die Not bestanden, sofort eingreifen zu müssen. "Die Lage war statisch. Der Jugendliche saß da und tat nichts."
Der Junge wurde dann von Beamten in Zivil angesprochen, auf Deutsch und Spanisch, beides Sprachen, die er nicht verstand. Die Ermittlungen ergaben auch nicht, dass er aufgefordert wurde, das Messer wegzulegen.
Der Einsatzleiter ordnete dann den Einsatz von Pfefferspray an, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass der Junge dann das Messer fallenlassen würde und die Suizidgefahr dadurch gebannt wäre. Dies funktionierte nicht. (Spray war abgelaufen und zeigte kaum/keine Wirkung). Aufgrund der eingesetzten Mittel wirft nun die Staatsanwaltschaft die Frage auf, ob die Basis für den weiteren Hergang erst durch die Polizei geschaffen wurde.
Nach derzeitigem Ermittlungsstand habe erst die Entscheidung des Einsatzleiters, den Jugendlichen mit Reizgas zu besprühen, dazu geführt, dass der 16-Jährige aufgestanden sei.
Mich persönlich wundert es nicht, dass eine Person, die vorher noch fast apathisch an einer Wand hockte, aufsteht, nachdem sie gepfeffert wurde. Selbst wenn die Wirkung nicht durchschlagend war, aber für mich ist das eine normale Reaktion, mit der zu rechnen war.
Was passierte danach? Zwei Beamte schossen mit Tasern auf den Jugendlichen, er wurde ua an den Genitalien getroffen. Aber auch diese Maßnahme brachte anscheinend nicht die gewünschte Wirkung.
Was war in diesem Fall die gewünschte Wirkung? Der weitere Versuch, den Jungen handlungsunfähig zu machen, damit er sich nicht selbst verletzten kann oder ihn zu stoppen, weil er sich mit einem Messer auf die Beamten zu bewegte? Im vorläufigen Bericht des Innenministeriums heißt es:
Ebenso sei bislang "nicht abschließend geklärt, ob und wie weit der Getötete sich noch fortbewegte",
Wie kam es dann zu den tödlichen Schüssen?
Quellen:
https://www.presseportal.de/pm/66306/5312107 https://www.heise.de/tp/features/Tod-eines-16-Jaehrigen-durch-Polizeikugeln-Zweifel-am-Tathergang-in-Dortmund-7264830.html?seite=all https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV18-78.pdf