Photographer73 schrieb:Man guckt doch auch nicht zu, wenn das eigene Kind sich ritzt und sagt dann - ok, wenn das dein Wunsch ist und es dir damit bessergeht, mach mal... Oder läßt zu, daß das eigene Kind nichts mehr isst und langsam verhungert, weil es sein "Wunsch" ist, noch dünner zu werden.
Das sind meiner Ansicht nach zwei Szenarien, die man aus psychologischer Sicht in dem jeweiligen Moment völlig unterschiedlich bewertet.
Wer sich ritzt, begeht in dem Moment eine aktive Handlung mit sehr direkter Folge. Der Punkt, an dem man moralisch eingreifen muss, ist sehr klar zu definieren, nämlich in dem recht kurzen Zeitraum zwischen dem Aufnehmen der Klinge und dem Schnitt. Das ist eine Handlung, die einfach nie richtig oder im Bereich des Normalen ist.
Beim Verhungern sieht das anders aus. Man isst ja nicht den ganzen Tag, folglich ist Nicht-Essen durchaus im Bereich des Normalen und der Punkt, an dem es den Normbereich verlässt, ist viel schwerer zu bestimmen und damit auch viel leichter zu verpassen, bzw. sich der Situation anzupassen, weil es langsam abläuft.
Ich hoffe, es wird klar, was ich meine.
Laceys Verfall ging über Jahre. Die Psyche ihrer Eltern könnte sich dem angepasst haben, nach und nach.
Objektiv gibt es natürlich eindeutige Punkte, an denen man handeln müsste. Der Zeitpunkt, an dem sich ein Dekubitus bildet, wäre ein ganz eindeutiger Punkt. Wir wissen aber nicht, in wie weit sich die Eltern da bereits in der Situation befunden haben und ob sie da noch in der Lage waren, das wahrzunehmen. Objektiv ist das alles völlig eindeutig, aber die Eltern sahen es an diesem Punkt vielleicht schon lange nicht mehr objektiv.
Zur Frage nach der Einstellung zur Medizin:
Auf dem Tischchen mit den Pflegeprodukten stand laut der Artikel auch Nasenspray. Das spricht für mich zum einen gegen ein schnelles Arrangieren dieses Tischchens, zum anderen zeigt es mir, dass sie gewisse Dinge schon noch wahrnahmen. Lacey könnte das Nasenspray akut wegen der Coronainfektion gebraucht haben oder auch, weil ihre Nasenschleimhaut aus anderen Gründen dauerhaft angeschwollen war. Gerade aber bei etwas so Kleinem wie einer verstopften Nase ein Medikament anstelle von Globuli einzusetzen, spricht für mich eigentlich eher gegen eine starke Ablehnung der allopathischen Medizin.