Ich freue mich zweierlei, einmal, dass ich anscheinend in meinem Jurastudium doch aufgepasst habe und der Richter hier im Prinzip genau so entschieden hat, wie ich es auf grund meiner Kenntnisse vorhergesehen habe. Und natürlich freue ich mich für Gabbys Eltern, die mit ihrem Anliegen nun fortfahren können.
Wie vermutet hat das Gericht zwei Dinge unterschieden: 1) Das Schweigen der Laundries, das Nichtbeantworten der mails und Anrufe usw. Und 2) Das öffentliche statement durch ihren Anwalt.
Zu 1) bemerkt das Gericht, dass die Laundries nicht gesetzlich verpflichtet waren, auf die Fragen der Kläger zu antworten. Moralisch vielleicht, aber nicht gesetzlich ("no legal duty.") Hätte sich die Klage nur darauf bezogen, hätte der Richter sie abgewiesen.
Aber, sie haben eben nicht nur geschwiegen, sondern geredet. Es ist dabei unerheblich, so das Gericht, ob sie dies selbst in ein Mikrofon gesprochen haben, oder durch ihren Anwalt haben reden lassen. Der Anwalt ist der Diener seines Mandanten und handelt für ihn.
Und in diesem statement haben sie Dinge gesagt, welche im Gesamtzusammenhang den Richter dazu bringen, sehr klar und eindeutig von einer Unverschämtheit zu reden, es sei "outrageous" so ein statement abzugeben, wenn man weiss, dass 1. die Eltern Gabbys eh schon schrecklich leiden und man 2. damit ihr Leiden noch vergrössert habe, weil man ihnen vergebliche Hoffnung gemacht hat.
Das Gesetz definiert den Begriff "outrageous:" ein Verhalten das gegen jegliche Normen akzeptablen Verhaltens in der Gesellschaft steht, das so extrem ist, dass es aller Anständigkeit ins Gesicht schlägt..." Die Feststellung eines solchen "outrageous" Verhaltens ist Voraussetzung für eine Klage in dieser Sache. Der Richter macht klar, dass für ihn das Verhalten der Laundries genau so gewesen ist.
Nota bene: am Ende muss allerdings die Jury das genauso sehen, wenn sie die Laundries verurteilen will.
Damit geht der Fall nun in die nächste Phase. Noch einmal nota bene: nach dem Gesetz musste der Richter davon ausgehen, dass alles was die Kläger hier sagen, am Ende bewiesen wird. Darum geht es bei einem Antrag auf Klageabweisung. Das ist keine Vorentscheidung in der Sache, denn diese Entscheidung trifft am Ende allein die Jury. Hier ging es nur um die Frage, ob die Klage zulässig war.
margaretha schrieb:Wie findet das später dann, falls das vor die Jury kommt eigentlich statt?
Der Fall geht in die nächste Phase. Zunächst einmal müssen nun die Beklagten, also die Laundries, zu jedem Klagepunkt Stellung nehmen. Dazu haben sie bis zum 15. Juli Zeit. Die Stellungnahme muss dem Gericht schriftlich bis dahin vorgelegt werden.
In der Stellungnahme können sie alle Vorwürfe zurückweisen, sie zugeben oder irgendwas dazwischen.
Dann beginnt die Phase der Beweisaufnahme (discovery)
margaretha schrieb:Müssen die Beklagten „Beweismittel“ wie diesen Brief beim Einreichen der Klage rausgeben, wenn die Kläger diesen als Beweis nennen?
Im amerikanischen Recht sind im Zivilverfahren... - und hier ist es noch einmal wichtig, dass wir es hier damit zu tun haben und nicht mehr mit einem Strafverfahren. Das scheint noch nicht allen klar zu sein. Es geht auch nicht mehr direkt um die Frage, ob Brian Gabby ermordet hat oder nicht (das ist eh geklärt). Es geht jetzt um das Verhalten seiner Eltern. -
... beide Seiten verpflichtet, ihre Erkenntnisse und Beweise jeweils der anderen Seite und dem Gericht vorzulegen. Das ist der Unterschied zum Strafverfahren! Die Idee ist, dass man am besten ein faires Urteil bekommt, wenn beide Seiten alles, was sie wissen, dem Gericht vorlegen. Nur in Ausnahmen dürfen beide Seiten Dinge zurückhalten.
Hat die Klägerseite durch die Zivilklage mehr Akteneinsicht? Also auch in die Spurenakten die für das FBI aufgrund der fehlenden Relevanz für State vs. Laundrie unerheblich waren?
Das kommt auf die Details an. Anders als Kläger und Beklagte sind Dritte, hier z.B. die staatlichen Behörden, nicht so weitgehend zur Auskunft verpflichtet, wie Kläger und Beklagte selbst, da sie das Recht haben, ihre eigenen Rechte und die von Vierten z.B. zu schützen. Es kann aber durchaus sein, dass hier eine der Seiten oder beide einen Beweisantrag stellt/stellen, zumindest Ausschnitte aus den staatlichen Akten einzubringen.
Nur mal hypothetisch: Angenommen den Kläger gelingt es tatsächlich zu beweisen, daß Brians Eltern etwas wussten, könnten die Beklagten dann eine Art Vergleich anbieten? „Ja, sorry wir sind schuldig aber waren auch total überfordert es tut uns leid wir sagen was er uns gesagt hat -aber bitte nicht für die 30.000“
Ja. Mehr noch als in Deutschland üblich, ist das amerikanische Zivilrecht auf einen Vergleich angelegt. Man hat realisiert, dass in nur wenigen Fällen eine Seite 100% und ganz allein an "allem" Schuld ist und die andere Seite nicht. Im echten Leben kommt es viel häufiger vor, wie gesagt, im Schadenersatzrecht, dass beide Seiten Fehler machten usw. Daher ermutigt das Recht zum Vergleich. Die Hypothese hier ist also durchaus realistisch und nicht unwahrscheinlich.
In so einem Fall würden beide Seiten das Gericht vom Vergleich informieren und dieses prüft dann, ob alles fair entstanden ist und wenn ja, wird keine Jury mehr gebraucht und das Verfahren abgeschlossen.
Noch eine Bemerkung zum Verfahren. Die Klage ist also nun zugelassen. Die heutige Entscheidung des Gerichts enthält aber den Begriff des "summary judgments." Was ist das? Die Beklagten haben noch einmal die Möglichkeit, das Gericht darum zu bitten, das Verfahren zu beenden, ohne dass die Jury hier entscheiden muss: wenn sich im Zuge der Beweisaufnahme herausstellt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Kläger die notwendigen Beweise erbringen können. Dann kann der Richter allein entscheidenn und die Klage erledigen. Die Hürde ist aber hoch, denn im Zweifelsfall soll die Jury entscheiden.
Geht aber alles weiter, wird nach der Phase der Beweisaufnahme ein Termin für eine Hauptverhandlung festgesetzt. Diese beginnt dann mit der Zusammensetzung einer Jury. Aber das dürfte noch viele Wochen dauern.