Herr M. ist vor dem Amtsgericht angeklagt. Wegen einer Straftat, deren Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht (§ 184b Abs. 1 StGB). Ich gehe von einer Verhandlung vor dem Strafrichter aus. Straferwartung hier nicht höher als 2 Jahre (§ 25 GVG).
Nachdem es wohl lange Überlegungen bei der StA gab, einen Strafbefehl statt einer Anklage zu erlassen (Höchststrafe 1 Jahr auf Bewährung), schätze ich die Strafe, die die StA und das Eröffnungsgericht derzeit erwarten (falls sich die Anklage bestätigt), auf ca. 1 Jahr plus x ein.
Das wäre eine Straftat, ja, aber gemessen am StGB wie auch an § 184b StGB (Höchststrafe bis 10 Jahre) wahrlich keine schwere Straftat.
pannettone schrieb:Zumindest habe ich diese Diskussion zum Anlass genommen, mir die neuesten geistigen Ergüsse unseres Gesetzgebers beim Thema Kinderpornographie durchzulesen.
Das ist tapfer. Für die Richter dürften viele dieser neuen Vorschriften ein Graus sein, ob sie vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben, ist zweifelhaft. Schon wegen der Abgrenzungsprobleme und unverhältnismäßigen Strafandrohungen. Und bereits jetzt kollidiert § 184c StGB (Jugendpornografie) mit vielen Inhalten der bekannten Pornoseiten im Netz.
Für die Experten scheint ziemlich klar, was sie davon halten:
Prof. Dr. Tatjana Hörnle vom Freiburger Max-Planck-Institut bezeichnete (...) den Entwurf als "in weiten Teilen das Gegenteil einer systematischen durchdachten Reform". Er greife die Empörung über abscheuliche Verbrechen auf und schlage punktuelle Änderungen vor, ohne aber das Sexualstrafrecht insgesamt im Blick zu haben.
Und zu § 184b StGB n.F. wird kritisiert, dass das Betrachten von Kinderpornografie zukünftig stärker bestraft werden kann als die Vergewaltigung oder der Missbrauch eines Kindes. Dem Gesetzentwurf liege die fehlerhafte Annahme zu Grunde, dass Personen, die solche Bilder besitzen und tauschen, immer dieselben Personen seien, die die Kinder missbrauchen oder diesen filmen.
Nicht nur beim Missbrauch, auch die Anhebung der Mindeststrafen beim Umgang mit kinderpornografischem Material nach § 184b StGB stößt bei den Sachverständigen weithegend auf Ablehnung. Alle Handlungen des Tatbestandes sollen zum Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr (bei bandenmäßiger Begehung zwei Jahre) hochgestuft werden, darunter auch der Besitz.
Hörnle kritisierte, dass das Strafmaß beim Besitz nicht immer dem konkreten Ausmaß des Unrechts entspreche: Dem Gesetzentwurf liege die fehlerhafte Annahme zu Grunde, dass Personen, die solche Bilder besitzen und tauschen, immer dieselben Personen seien, die die Kinder missbrauchen oder diesen filmen. "Die Strafe für die Vergewaltigung oder den Missbrauch eines Kindes muss deutlich schwerer ausfallen als die für das Betrachten der Bilder davon am Bildschirm."
Da ein minderschwerer Fall im § 184b StGB ebenfalls nicht vorgesehen ist, kommt es nach Meinung der Sachverständigen zu diversen Wertungswidersprüchen. So verwies Prof. Kinzig darauf, dass selbst bei der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs.5 StGB ein minder schwerer Fall vorgesehen sei (Abs.9). Die von der Union geladene Staatsanwältin Bussweiler ergänzte, dass die Anhebung des Strafrahmens das Regelungsgefüge im Hinblick auf Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit erschüttere. "Der Besitz kinderpornographischer Schriften würde (…) als schwerwiegender eingestuft als beispielsweise massive Gewaltanwendungen gegen andere Personen (§ 224 Abs. 1 StGB) oder Minderjährige und Wehrlose (§ 225 Abs. 1 StGB) oder Delikte des Menschenhandels (§ 232 Abs. 1 StGB) oder der Zwangsprostitution (§ 232a StGB), die lediglich mit einem Mindestmaß von sechs Monaten Freiheitsstrafe belegt sind."
Quelle:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/sexualisierte-gewalt-kinder-sexueller-missbrauch-kinderpornografie-anhoerung-bundestag-strafrahmen-verbrechen-keuschheitsprobe/