monstra schrieb:Bei kriminalistischen Sachverhalten ist die Unterscheidung in Hilfs- und Haupttatsachen ziemlich obsolet. Da wird im Strafprozess kein Unterschied gemacht. Genau genommen gibt es nur Haupttatsachen.
Das sieht der BGH anders:
BGH, Urteil vom 04.06.2019 - 1 StR 585/17
Auch wenn keine der Hilfstatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatgericht die entsprechende Überzeugung vermitteln können
Oder prinzipiell auch hier erklärt:
https://www.ipwiki.de/verfahrensrecht:hilfstatsachenGeht es um Hilfstatsachen (Indizien), darf und muss der Tatrichter vor der Beweiserhebung prüfen, ob der Beweisantrag schlüssig ist, d.h. ob die vorgetragenen Indizien, ihre Richtigkeit unterstellt, geeignet sind, ihn von der Wahrheit der Haupttatsache zu überzeugen.
Indizien beweisen Hilfstatsachen, die zusammen einen Schluss auf das Vorliegen von Haupttatsachen zulassen. Sie können trotzdem große Beweiskraft haben.
Haupttatsachen können auch unmittelbar bewiesen werden durch ein Geständnis oder eine Zeugenaussage. Das sind keine Indizienbeweise, sondern quasi Direktbeweise.
monstra schrieb:Ein Beweis wird daraus erst durch die Arbeit des Richters/des Gerichts als Zwischenschritt. Es nimmt die Beweiswürdigung vor und gelangt dann zu einer Überzeugung.
Das ist richtig. Es ändert aber nichts daran, dass es begrifflich nunmal einen Unterschied macht,
was konkret bewiesen wurde.
Nochmal ein Beispiel:
Du hast nur einen Fingerabdruck von X auf einem beliebigen Glas in der Wohnung des erschlagen aufgefundenen Opfers. Das ist ein Indiz, dass derjenige in der Wohnung war. Du weißt nicht wann und warum. Du hast nun eine schwache Hilfstatsache für die Haupttatsache, dass X auch das Opfer erschlagen hat. Du weißt noch, dass sich X und das Opfer gestritten haben. Das könnte ein Indiz für ein Motiv sein.
Nun kommt Y daher und erzählt dir, dass er es war, der das Opfer erschlagen hat. Er kann dir sagen womit und die Verletzungen im Detail beschreiben, die außer der Polizei keiner kennt und auch noch, was er in der Wohnung alles zerstört hat.
Mit diesem Geständnis mit nachprüfbarem Täterwissen werden direkt die Haupttatsachen bewiesen, also das Erschlagen und die Täterschaft von Y.
Das Geständnis ist auch in einer Vorstufe ohne richterliche Würdigung kein Indiz, es ist dann ein möglicher Beweis, der nicht zum Beweis wird, wenn das Gericht nach eingehender Prüfung feststellt, das das Geständnis nicht glaubhaft ist.
Es ist nicht immer so, aber in diesem Beispiel oben machen Indiz und (Direkt-)beweis zur Veranschaulichung einen großen inhaltlichen Unterschied, sprachlich ist die Unterscheidung aber ebenfalls Usus:
Ein Strafprozess, bei dem weder ein Geständnis des Angeklagten noch Tatzeugen vorhanden sind, wird umgangssprachlich als Indizienprozess bezeichnet.
Quelle: Wikipedia/Indiz
Sobald ein Geständnis dabei ist, spricht man nicht mehr von einem Indizienprozess, weil das Geständnis kein Indiz ist.