MissWexford schrieb:Der gelangweilte Bürger freut sich über so viel Gerechtigkeit...und das ist auch gut so.
Der gelangweilte Bürger reagiert ja bereits jetzt schon und das hat Gründe.
Die Veröffentlichung von mutmaßlichem Fehlverhalten mit Namensnennung vor einem Urteil hat neben Befriedigung der Sensationslust auch eine erzieherische Funktion in der Gesellschaft. Ganz vergleichbar mit der mittelalterlichen primitiven Gerichtsbarkeit, dem Sozialkredit-System in China oder den Moderatoren-Kommentaren hier im Forum bei einer Usersperre.
Es ist eine Form des Anprangerns.
Leute werden bloßgestellt mit dem Hinweis "Das ist Pfui, das wollen wir nicht, macht es nicht nach."
Betroffen sind die unterschiedlichsten Fehlverhalten: Lügen, Straftaten, Hetze, Korruption, politische und wirtschaftliche Skandale.
Die Reaktion des Publikums ist (neben menschlicher Schadenfreude) empörtes Distanzieren von dem Fehlverhalten und die Forderung nach Reue und einem Besserverhalten. So wird die Reaktion erwartet und so fällt sie zumeist auch aus. Auch das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, die Mitglieder einer Gesellschaft sollen sich nämlich an die Regeln dieser Gesellschaft halten und die meisten sind dazu auch bereit und wollen ihre Bereitschaft dazu signalisieren.
Obwohl eine abschreckende und strafende Wirkung der öffentlichen Rufschädigung eindeutig vorhanden und erfolgreich ist, sind gewisse außerstaatliche (in China auch staatliche) Mittel aber arg grenzwertig und zu hinterfragen.
Es besteht nunmal immer die Möglichkeit, zu Unrecht oder absolut unverhältnismäßig an den Pranger gestellt zu werden und das ist irreparabel.
Im Fall Metzelders ist es daher problematisch, dass sein Name genannt wurde. Sein Fehlverhalten, sollte er es begangen haben, erfordert angemessene Strafe, aber der Pranger als schonungslose "soziale Zusatzstrafe" war verfrüht und übertrieben.
Nicht verwunderlich oder verabscheuungswürdig sind hingegen die allgemeinen Reaktionen auf den Pranger (empörtes Distanzieren). Sie entsprechen dem normalen "Reflex" desjenigen, der sich an die Regeln hält und das auch kundtun möchte.
Es ist daher wenig sinnvoll, diesen Reflex mit persönlichen Herabsetzungen zu kritisieren, das sollte besser in Form einer Auseinandersetzung mit den Hintergründen passieren.