rhapsody3004 schrieb:Du bist Volljurist, oder? Kennst dich aber auf jeden Fall gut aus, das merkt man.
Daher nochmal eine Frage gezielt an dich, ging vorhin leider unter:
Wie sieht es in der knallharten Realität wirklich damit aus, wenn ein "Beschuldigter" (also weder Angeschuldigter noch Angeklagter im laufenden Prozess) im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bereits ein Geständnis ablegen würde oder zumindest irgendwie hilfreich mitarbeiten würde - könnte sich das tatsächlich bei einem späteren Urteil/Schuldspruch strafmildernd (Strafmaß fällt geringer aus, die Jahre zb) auswirken? Wie wahrscheinlich ist das in der Realität, also dieses zu Gunsten auslegen. Pro und Kontra bei der Strafzumessung?
Also, das Gericht muss ein Geständnis - von wenigen Ausnahmen abgesehen (Bsp.: Beweislage völlig erdrückend und Geständnis ersichtlich nicht von Reue geprägt, aber auch da sind die Voraussetzungen im Einzelnen recht eng) - bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten berücksichtigen. Die Strafzumessung ist auch im Urteil zu begründen, und zwar anhand anerkannter Kriterien, die man insbesondere § 46 StGB entnehmen kann. Da ist das Geständnis zwar nicht ausdrücklich genannt, aber es ist anerkannt, dass es ebenfalls dazugehört. Wird ein Geständnis nicht in den Urteilsgründen verwertet, ist das ein Grund für eine Berufung oder Revision, weil das Gericht alle Umstände, die zugunsten des Angeklagten sprechen, zwingend berücksichtigen muss. Deshalb finden sich in Urteilen (gerade in großen Verfahren, man kann nicht für jeden Ladendieb den ganz großen Aufwand betreiben) auch gerne Dinge wie die berühmte schwere Kindheit wieder, was ja auch ein typischer Aufreger am Stammtisch ist. Hintergrund ist aber, dass das Gericht - aus guten Gründen - vollständig ermitteln und auswerten muss, wie es zu der Tat gekommen ist, welche Persönlichkeitsstruktur der Täter (wohl) hat und was seine Schuld evtl. auch in einem etwas milderen Licht erscheinen lässt. Das hat nichts damit zu tun, dass das Gericht Entschuldigungen für schwerste Straftaten suchen würde. Das Gericht will vor allem ein rechtsmittelfestes Urteil schreiben und kann nicht jeder Forderung vom Stammtisch folgen.
Das Gericht wird sich also in jedem Fall in den Urteilsgründen mit einem Geständnis befassen und wenn kein Ausnahmefall vorliegt es auch strafmildernd berücksichtigen. Zumindest wird das so im Urteil stehen. Aber Strafzumessung verläuft nicht mathematisch und rein objektiv, und man kann im Einzelfall natürlich nie feststellen, wie die Strafe mit oder ohne Geständnis jeweils ausgefallen wäre. Es kann durchaus sein, dass ein Gericht für eine Straftat 6 Jahre verhängen würde (ohne Geständnis), ein anderes Gericht im selben Fall (mit Geständnis) aber zu 8 Jahren käme. Aber wenn man mal wissenschaftlich untersuchen würde (hat bestimmt schon jemand gemacht), ob die Strafen im Schnitt nach Geständnissen niedriger ausfallen als in vergleichbaren Fällen ohne Geständnis, bin ich mir ziemlich sicher, dass es diesen Zusammenhang auch faktisch gibt. Meiner Erfahrung nach fallen die Strafen nach einem Geständnis oft erheblich niedriger aus, als ich es ohne Geständnis erwartet hätte, und mit Geständnis hat man in Fällen leichterer und mittlerer Kriminalität auch oft eine sehr gute Chance, sich in die Bewährung zu retten.
Nochmal zum Thema Schweigerecht:
Auch Christoph Metzelder hat natürlich das Recht, jetzt und auch in einem etwaigen Strafverfahren bis zum Schluss zu schweigen. Ich bin mir aber absolut sicher, dass er das nicht tun wird, wenn er unschuldig ist. Niemand würde das tun. Und deshalb habe ich als Privatmann auch das Recht, erhebliche Zweifel an der Unschuld eines Beschuldigten zu haben, wenn er sich zur Tat nicht äußert. Ein Gericht darf das offiziell nicht, aber sind wir doch mal ehrlich: Das sind auch nur Menschen und man macht sich doch was vor, wenn man glaubt, dass Richter das Schweigen eines Angeklagten auch innerlich einfach ausblenden. Tun sie natürlich nicht, und das wissen auch Anwälte. Leute, die schweigen, sind typischerweise die, die schuldig sind, aber glauben, ihnen könne man anhand der bisherigen Indizien nichts nachweisen. Für Fälle, in denen es für einen Unschuldigen besser ist zu schweigen, braucht man schon viel Fantasie. Und ich hatte ja gestern schonmal gesagt, dass nach meiner Schätzung maximal 10 Prozent der Angeklagten bis zum Schluss schweigen, und davon wird am Ende so gut wie keiner wegen erwiesener Unschuld freigesprochen. Im Gegenteil, der Großteil dieser 10 Prozent wird verurteilt.