Ich finde es ja einigermaßen ärgerlich, dass man sich in einem Rechtsstaat dafür rechtfertigen muss, dass man einen nicht rechtskräftig verurteilten, sogar nach Meinung der StA nicht dringend Tatverdächtigen, noch dazu bei ebenfalls nach Meinung der StA "dünner" und "schwieriger" Beweislage nicht unbedingt für schuldig hält. Noch ärgerlicher finde ich es, dass man durch die bloße Erörterung von Alternativszenarien schon zum Fan des TV erklärt wird.
Das soll keine blöder Retourkutsche werden, aber bei dieser Argumentation kann ich mir nicht verkneifen anzumerken, dass mein laienhaftes Rechtsempfinden ja eher das Gegenteil problematisch findet, nämlich wenn man nicht nur sagt, dass man selbst den TV für schuldig hält sondern das auch als alternativlos hinstellt und andere Meinung gar nicht mehr zulassen will.
Ich ärgere mich an dieser Stelle auch über mich selber, weil ich mich genötigt sehe zu erwähnen, dass ich die "offizielle" Variante soweit bekannt auch für die wahrscheinlichste halte. Ich halte es aber für absolut legitim Alternativen zu erörtern solange es weder zu wild noch unappetitlich wird.
Ansonsten schließe ich mich den Ausführungen von
@pensionär komplett an, der wegen mir auch sehr gerne wieder mehr "Juristenkram" schreiben darf. Immerhin ist der Fall zu einem sehr großen Teil juristisch zu betrachten. Sein letzter stark juristenkram-lastiger Post hier war wohl mit der Beste den ich hier im Forum gelesen habe.
Nun noch ein paar Gedanken/Meinungen zur Sache:
Beim Transport einer Leiche muss man keine besondere Vorsicht walten lassen, insbes. wenn man die Leiche nach außen so verpackt hat, dass keine Spuren auftreten. Das Argument das sei so extrem schwierig mit der Begründung man habe das bei lebenden nochdazu besonders fürsorgebedürftigen Personen so festgestellt überzeugt mich nicht wirklich. Es gibt ja genug Beispiele wo das offensichtlich ging.
Anderer Punkt: Das Erinnerungsvermögen von Farben ist ausgesprochen limitiert. Siehe
hier (Englisch):
Color is a particular good example of memory's low resolution. While there are thousands of discriminable colors, color memory is very limited. Research suggests that people group colors into about 11 categories: white, black, red, green, blue, yellow, brown, orange, purple, pink and gray. Memory will easily distinguish between colors of different categories (red vs. blue) but will have a very difficult time distinguishing shades within a category (blue-green vs. blue-violet.)
Es werden demnach nur ca. 11 Farbkategorien vom Gedächtnis unterschieden. Außerdem neigt das Gedächtnis dazu Farben purer in Erinnerung zu haben als sie waren. Es zieht sie also in die - nach dem jeweiligen Empfinden - nächstliegende Kategorie. Die Zeugin Gundula nun wegen abweichender Ansichten über die Farbe der Decke für generell unglaubwürdig zu halten ist mMn daher übetrieben. Dafür muss es andere Gründe geben.
Die Berichte von
@EclipseFirst (abgesehen von seinem leicht gestörten Verhältnis zum Datenschutz) finde ich auch sehr interessant. Es ist natürlich richtig, dass dafür wohl alle Hinweise fehlen und es daher extrem spekulativ ist, es ist aber zu bedenken, dass hier die Abwesenheit von Indizien bis zu einem gewissen Grad eben gerade zum Plan gehören würde. Das gilt insbes. für User die auch eine Abwesenheit von Spuren im Auto für ein Indiz halten würden (wenn die belegt wäre, was nicht der Fall ist)
Noch ein anderer Gedanke der hier vor einigen Tagen mal genannt wurde und soweit ich verfolgt habe nicht aufgegriffen wurde (leider habe ich den Beitrag nicht mehr gefunden):
Die vielduskutierte Nachricht der Mutter an R wurde um 8:42 gesendet, aber öffentlich bekannt ist nicht wann sie empfangen wurde, weil das weder erwähnt, noch auf dem bekannten Screenshot ersichtlich ist. Das ist einer der Momente wo ich gemerkt habe, dass ich etwas als gegeben hingenommen habe, was evtl. nicht stimmt - nämlich dass die Nachricht auch etwa zur selben Zeit empfangen wurde.
Wenn die Nachricht tatsächlich deutlich später empfangen wurde fallen mir folgende Möglichkeiten ein (bitte um Ergänzung):
- Der Empfang erfolgte im Haus-WLAN
- Deutlich verzögert, aber noch bevor der Schwager zu seiner ersten "KESY-Fahrt" aufgebrochen sein muss
=> Schlussfolgerung für mich unklar - Erst nachdem der TV zu seiner ersten "KESY-Fahrt" aufgebrochen sein muss
=> Wäre klar entlastend und würde bei einer Zeit gegen Mittag auch noch der Zeugin Gundula ein ganz anderes Gewicht geben
==> Kann man daher ausschließen. - Der Empfang erfolgte nachdem der TV zurück gewesen sein konnte und zwar direkt (soweit nachvollziehbar)
=>Der Schwager hat das Handy R's nach der Verbringung wieder mit zurück gebracht (evtl. aus Angst man könnte es "orten" z.B. einfach mit einem Metalldetektor) wo es sich immer noch im Flugmodus erneut ins Haus-WLAN einloggte.
==>Spricht klar gegen den TV und würde auch den "grauen Häkchen" ein ganz anderes Gwicht verleihen
Gegen alle diese Thesen spricht aber, dass die Familie gesagt hat, das Handy sei morgens aus dem WLAN verschwunden und nicht wieder aufgetaucht.
Auch das Zeitfenster ist recht eng: Gegen 8:30 noch mit der Mutter telefoniert, dann aber vor 8:42 bereits mit dem Auto weg. Wäre aber natürlich möglich. - Der Empfang erfolgte nicht im Haus-WLAN sondern via Tethering über das Handy des TV. Da fällt mir nur eine echte Variante ein:
- Während der vermuteten Fahrt als der TV aus irgendeinem Grund sein Handy kurz einschaltete
Dasselbe kurze Zeitfenster wie vorher. Würde nicht nur den grauen Häkchen ein ganz anderes Gewicht geben, sondern wäre ein so deutliches Indiz, dass ich mich dann über die Rücknahme des dringenden Tatverdachts sehr wundern würde. - Emfang über irgendein anderes WLAN
- Eines dass ausfindig gemacht werden konnte und an der vermuteten Fahrstrecke des TV liegt
=>Eher unwahrscheinlich, da R's Handy dann normalerweise dort vorher schonmal eingebucht gewesen sein müsste
Außerdem fast ebenso eindeutig wie der Fall davor - Eines dass ausfindig gemacht werden konnte und irgendwo anders liegt
=>Unwahrscheinlich dass man das überhaupt findet und es wäre klar entlastend für den TV
==>Kann man also wieder ausschließen - Unbekanntes WLAN ==> Schlussfolgerung unklar
Hm, richtig stichhaltig ist das für mich nicht. Insbes. hätte ich erwartet, dass die Familie die verspätete Zustellung nicht nur selbst erkannt hätte, sondern es dann auch erwähnt hätte. Aber es gibt zumindest eine vage Möglichkeit, wie die "grauen Häkchen" für die EB viel gewichtiger sein können als oft (und auch von mir) angenommen. Daher wollte ich es mal etwas ausführen und zur Diskussion stellen...