Anerev schrieb:Der TV ist vom dringenden Tatverdacht zurück auf den hinreichenden Tatverdacht gestuft worden.
Anerev schrieb:Der TV ist vom dringenden Tatverdacht zurück auf den hinreichenden Tatverdacht gestuft worden. Was das heißt sagt uns Wikipedia:
A.
Nur fast, denn der Verdächtige ist nicht von dringendem Tatverdacht auf einen hinreichenden herabgestuft worden, sondern er ist nach der Aufhebung des Haftbefehls wieder ein normal einfacher Tatverdächtiger der Stufe 1 im Stadium des Ermittlungsverfahrens. Der "dringende Tatverdacht" ist nur gefordert bei einer Haftsache und eine der Voraussetzungen für einen Haftbefehl. Also quasi ein spezieller Seitenzweig in den Verdachtsstufen.
B.
Also folgende Stufung:
Vorermittlungen, wenn unklar ist ob überhaupt ein begründeter Verdacht auf eine Straftat besteht.
1. Besteht ein
Anfangsverdacht auf das Vorliegen einer Straftat wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, der Tatbestand ermittelt usw. und es dürfen z. B. Durchsuchungen o.ä. beim Richter beantragt werden. Es genügt
einfacher Tatverdacht.
2. Will die Staatsanwaltschaft einen Beschuldigten in
Untersuchungshaft bringen, muß ein höher qualifizierter
dringender Tatverdacht gegeben sein. Der einfache Verdacht der Stufe 1 genügt hier nicht mehr. Dieser Begriff bezieht sich aber im wesentlichen nur auf Haftsachen. Also sie muß eine auf den jeweiligen Verfahrenszeitpunkt bezogene
große oder hohe Wahrscheinlichkeit prognostizieren, dass der Verdächtige später auch verurteilt werden kann/wird. Das muß der Haftrichter dann ebenso einstufen. Sonst gibts keinen Haftbefehl.
C.
Ist während der Ermittlungen in Haftsachen
nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht auszugehen oder fallen Fluchtgefahr/Verdunkelungsgefahr weg, wird der
Haftbefehl wieder aufgehoben.
Der Beschuldigte (Überbegriff) ist jetzt kein dringend Verdächtiger mehr, sondern nur noch ein einfacher Tatverdächtiger und kommt wieder auf Stufe 1 (einfacher Tatverdacht). So liegt der Fall hier. Eine solche Aufhebung kann wahlweise geschehen:
a) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft
b) bei einer Haftprüfung durch den Haftrichter
c) Im Rahmen einer Haftbeschwerde der Verteidigung entweder durch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts oder
wie in unserem Fall, wenn der Haftrichter der Beschwerde abhilft und den Haftbefehl aufhebt.[Wenn die Staatsanwaltschaft diese Abhilfeentscheidung des Haftrichters für vertretbar erachtet, wird sie jetzt m. E. eher (wie hier) kein Rechtsmittel dagegen einlegen und den Fall doch noch vor das Landgericht bringen. Dies jedenfalls dann wenn sie entweder in pectore die Entscheidung des Haftrichters im gegebenen Verfahrensstand als eher richtig erkennt oder die Gefahr sieht, dass das Landgericht nämlich ebenfalls keinen dringenden Tatverdacht sehen könnte und ggf. dann in einer seitenlangen Beschlußbegründung der Staatsanwaltschaft vorrechnet, warum die Indizienlage für die Annahme eines dringen Tatverdachts eben nicht ausreicht. So was kann dann unter Umständen lange am Fall kleben bleiben.
Gilt vice versa natürlich auch für eine Verteidigerin, die etwa zu einem ungünstigen Zeitpunkt eine wenig erfolgversprechende Beschwerde einlegt. Die kriegt dann ggf. eben auch eine seitenlange Begründung des Beschwerdegerichts, warum ihr Mandant entgegen ihrer Auffassung eben doch dringend tatverdächtig ist. In unserem Fall hat die Verteidigung schon vom Haftrichter in der Abhilfeentscheidung bekommen was sie wollte und die Beschwerdekammer hat deshalb die Akte gar nicht in die Hand bekommen.]
D.
Hier : Der
Haftrichter hat (wohl mit einer in aller Regel eher kursorischen Begründung gegenüber einer landgerichtlichen Entscheidung) den
Haftbefehl aufgehoben.
Ergebnis:
Der Fall ist keine Haftsache mehr. Der Beschuldigte (Oberbegriff) ist wieder einfacher Verdächtiger. Das kann sich je nach Fortgang der Ermittlungen aber ggf. auch schnell wieder ändern.
Es wird gegen den jetzt wieder auf freiem Fuß befindlichen Verdächtigen weiterermittelt, bis ein hinreichender Tatverdacht begründet werden kann. Das heißt, die Staatsanwaltschaft prognostiziert nach Aktenlage, wann die
Wahrscheinlichkeit besteht, dass das zuständige Gericht verurteilen wird. Sieht nach Anklageerhebung das zuständige Gericht nach Aktenlage diese Wahrscheinlichkeit auch, wird es die Anklage zulassen und Termin zur Hauptverhandlung anberaumen. Ansonsten lehnt es die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtsmittelfähig begründet ab.
Sieht der Staatsanwalt nach Abschluß der Ermittlung keine Verurteilungswahrscheinlichkeit, weil etwa die Beweislage nicht ausreicht, wird er das Verfahren einstellen. Das Verfahren kann aber etwa beim Auftauchen neuer Tatsachen auch wieder aufgenommen und fortgeführt werden.
Dies das wichtigste Gerüst aus meiner Sicht - ohne die vielen Verästelungen, abweichenden Meinungen, höchstrichterliche Rechtsprechung - hoffentlich einigermaßen verständlich.