joeb90 schrieb:Ich finde es lässt sich eben doch auf Grund der Fülle an Infos einen sowohl unterhaltsamen als auch inhaltlich wertvollen Film produzieren.
Die Frage ist, mit welcher Intention und in welchem Format mit solchen Geschehnissen umgegangen wird. Für mich ist der Knackpunkt einer, den du erwähnst und der in dem Wort "unterhaltsam" liegt. Es IST eine Frage der Pietät, sich zu entschließen, einen "Film" zu drehen, wenn sämtliche Beteiligte, einschließlich der ermittelnden Beamten, verlauten lassen, dass sie u.a. traumatisiert sind von dem, was da passiert ist. Insbesondere Det. Baumhover hat sehr eindrücklich erklärt, worin der Kern der Belastung einer PTSD nach solchen Fällen besteht: im immer und immer ablaufenden Wiedererleben (Re-enactment^^). Diejenigen, die von einer PTSD betroffen sind und möglichweise mit einem solchen nachgestellten Re-enactment konfrontiert werden, sind sehr geneigt, retraumatisiert zu werden. Genügend Trigger beinhaltet ein solcher Film auch für Betroffene, die mit dem Fall rein gar nichts zu tun haben. Dies nur am Rande.
Jetzt sagt die Produktionsfirma, der Grund für die Produktion - oder sollte ich sagen: des Re-enactments^^ - liege darin, die Motive CWs zu erhellen. Klingt erstmal nett, fast so, als wolle man den Menschen helfen, den Fall besser zu verstehen. Richtig amüsant wird es bei der Erklärung, man wolle gleichzeitig eine Kampagne gegen häusliche Gewalt fahren. Klingt erstmal so, als wöllte man mit dem Film den misshandelten Frauen der Gesellschaft einen Dienst erweisen.
Ist es für diese Zwecke tatsächlich erforderlich, einen Fall nachzuspielen, dessen Realität schon grauenvoll genug war und zu dessen Einzelheiten mehr Infos als nötig in Umlauf sind? Geht es hier um Aufklärung und Opferschutz, wenn bereits der Filmtitel rein gar nichts mit den Opfern zu tun hat, sondern lautet "The Chris Watts Story" ?! Der Hinweis auf die Kampagne für von Gewalt Betroffene mutet mir an wie der freiwillige Beitrag zum CO2-neutralen Busreisen. Hauptsache man hat was für die Umwelt getan. Lächerlich.
Aus meiner Sicht muss ich mich meinen Vorrednerinnen anschließen, denn hier scheint im Vordergrund zu stehen, Kapital aus einer Story zu schlagen, so lange sie noch heiß ist. Was die Opfer-Familie öffentlich hat verlauten lassen, ist da anscheinend sekundär.
Eine Erhellung, Aufarbeitung oder Aufklärung benötigt keine Re-enactments. Sondern differenzierte, sachliche Diskussion. Und die findet nicht mit Schauspielern statt, sondern mit Hinterbliebenen und dem, was sie zu sagen haben, als auch den beteiligten Beamten und Fachleuten.