TheirSlave schrieb:Was ist mit diesem Gefängnis? Besonders alt/gammelig oder besonders neu/technisiert?
Es ist ein Bundesgefängnis, in dem ausschliesslich einschlägig verurteilte Straftäter einsitzen. Normalerweise gilt bei nach Bundesrecht verurteilten Tätern, dass sie auf eines der Bundesgefängnisse, die es in allen Teilen der USA gibt, verteilt werden, und zwar nach den Kriterien 1) Wo ist Platz 2) Wo gibt es spezielle Therapieangebote oder Programme, die die Häftlinge eventuell brauchen 3) heimatnah um Besuche von Angehörigen zu erleichtern 4) sonstige aus der Sicht der Regierung praktische Gründe.
Da aber bekannt ist, dass Täter, die man grob unter der Kategorie "pädophil" zusammenfassen kann, bei anderen Häftlingen nicht sonderlich beliebt sind, und wenn sie schwul sind, dann noch weniger, und damit eine relativ grosse Gefahr besteht, dass gegen diese Häftlinge Gewalt angewendet werden könnte, seitens ihrer Mitgefangenen, können diese Häftlinge auf eigenen Antrag, und sofern Platz ist, in jenes Gefängnis in Arizona verlegt werden. Dort sind sie dann unter ihresgleichen und man geht davon aus, dass dann wenigstens die Gefahr der Gewalt gegen sie minimiert ist. Ausserdem kann man dort Therapieangebote bündeln.
Das Ganze ist ein relativ bürokratischer Prozess. Rouven wird jetzt erst einmal in ein Gefängnis verlegt werden, da stehen drei oder vier zur Auswahl, in dem eine genaue Aufnahmeuntersuchung stattfindet: psychologisch, medizinisch, usw. Dort wird dann auch die generelle Kategorie festgestellt, in der er als Häftling einzuordnen ist: selbst gefährlich, gefährdet, krank, Ausbruchsgefährdet usw. Und da kann er dann eben den Antrag auf Verlegung in das Sondergefängnis stellen.
Das Gefängnis selbst ist nicht anders als alle anderen, weder wird ein Häftling dort besonders gehätschelt oder gegängelt. Es steht in der Wüste und am Donnerstag Morgen war es saukalt, was aber eine ganze Reihe Gefangener nicht davon abhielt, auf dem Sportplatz Leichtathletik zu absolvieren, wie wir sehen konnten. Andere arbeiteten an irgendetwas auf dem Hof, und einen sah ich, der eine grosse Bohnermaschine durch die Gänge beförderte um sauber zu machen: ganz normaler Routinebetrieb.
Auch die Wärter waren ganz wie immer: uns Anwälten gegenüber höflich, korrekt, ja, sogar freundlich, und sonst nicht sonderlich interessiert.
Gefängnisalltag in den USA und in Deutschland ist schwer zu vergleichen, ich habe nun Einblick in beide Welten gehabt. Wenn ich inhaftiert werden müsste und wählen könnte wo ich die Stafe verbüssen müsste: es mögen jetzt einige erstaunt sein, aber ich wüsste nicht genau, wie ich mich entscheiden würde. Es gibt ein paar Dinge, die in Deutschland belastender sind als hier, und umgekehrt freilich auch so manches. Vermutlich würde ich Deutschland wählen, aber es ist nicht ganz so eindeutig, wie mancher meint, der noch nie in einem deutschen Gefängnis gewesen ist. Mein Fazit dazu ist: ich möchte weder hier noch dort einfahren! Denn ein Kuschelhotel ist ein Gefängnis in keinem der beiden Länder.
Noch ein Wort zu der erwartbaren und dennoch skurrilen Diskussion, die sich hier aus dem Strafmass ergeben hat.
Ja, das Strafmass ist hoch, weitaus höher als das, welches er in Deutschland höchstens bekommen könnte. Aber die Frage, welche die Menschen beschäftigt, ist ob es angemessen ist. Und da kommt eben das "Gerechtigkeitsgefühl" zum Tragen, das zum Glück die meisten Menschen irgendwie noch besitzen. Das zeigt aber auch, dass es wohl nie eine konsensfähige oder gar "richtige" Antwort geben kann.
Ich könnte darüber nun ellenlang fachsimpeln, aber dazu habe ich eigentlich keine Lust. Tatsache ist, dass der durchschnittliche Amerikaner eher erstaunt auf das in seinen Augen merkwürdige Mitleid schaut, mit dem der Deutsche alle Täter zu betrachten scheint, während es so aussieht, als interessierte das Leid der Opfer kaum.
Der Deutsche sieht dagegen genau umgekehrt den Amerikaner mehr auf Rache aus, und empfindet es als merkwürdig, dass in den USA ständig und zuerst von den Opfern die Rede ist und man sich kaum dafür interessiert, herauszufinden, warum und wodurch der Täter wohl zum Täter geworden ist.
Beide Sichtweisen sind übertrieben und sind in Wirklichkeit nur in abgeschwächter Form vorhanden aber als Trendbeschreibung schon korrekt.
Ich selbst habe zu diesem Thema auch immer eine individuell auf den Anlass bezogene Meinung. Ich empfinde deutsche Strafen sehr oft als hanebüchen gering und schon als Beleidigung der Opfer. Umgekehrt gibt es Strafhöhen in den USA, die mir nicht mehr nachvollziehbar sind und eben Vieles dazwischen. In Rouvens Fall würde ich tatsächlich weitaus weniger verhängen. Aber er hat seine Tat eben hier getan und muss mit den hier geltenden Konsequenzen leben. Oder wie wir hier sagen: "If you can't do the time, don't do the crime."