Doppelmord Babenhausen
15.12.2020 um 23:02AnNevis schrieb:Der Gerechtigkeitssinn ist eine gesellschaftliche Errungenschaft,Dann siehst Du Gerechtigkeit als kulturelles Phänomen, was sie natürlich auch ist. Höchst unterschiedlich im Übrigen, wie auch der individuelle Gerechtigkeitsinn, der als Form der Kooperation und des Egoismus schon früh erkennbar ist und sich dann individuell mehr und mehr ausdifferenziert.
So hat ein Jurist als Entscheider in einem Streit einen anderen (fachlich geschulten) Gerechtigkeitssinn als wenn er selbst in einen Streit gerät. Ein Verteidiger hat einen anderen Gerechtigkeitssinn wie ein Ankläger, weil sie den gleichen Sachverhalt aus unterschiedlichen Standpunkten betrachten. Ganz entscheidend sind zum Beispiel auch Machtverhältnisse. Der Stärkere hält etwas für sehr gerecht, was der Schwächere als unerträgliche Ungerechtigkeit empfindet.
Andante schrieb:Na, das sind aber Verallgemeinerungen, die so pauschal nicht zutreffen.Es wäre schlimm, wenn diese Pauschalität nicht zutrifft. Seelenlose Subsumtionsautomaten sind jedenfalls nicht mein Ideal.
Du gehst Du davon aus, Rechtsansichten hätten eine objektive Richtigkeit und entscheidend sei allein diese. Dabei zeigt schon das Wort von der "herrschenden Meinung", wie wenig objektive Maßstäbe zählen. Meinungen haben immer vielfältige und sehr subjektive Einflüsse. Es ist nie die Ratio alleine. Und wer behauptet, seine Entscheidungen seien nur davon getragen, der belügt sich und andere. Damit ist freilich nicht gesagt, dass die Emotionen entscheiden. Ich denke, dass sehr viele Juristen um ihre Gefühle, ihre Weltanschauung und ihre Gerechtigkeitsvorstellung wissen, diese in einen Entscheidung einfließen lassen, sich aber auch davon lösen können, wenn die gesetzgeberische Entscheidung dazu konträr ist.