Doppelmord Babenhausen
06.10.2018 um 11:03Deus_Ex_Machin schrieb:Durch die Erkenntnisse meiner vertieften Auseinandersetzung mit diesem Fall spricht aus meiner Sicht alles dafür, dass Darsow die Tat sich als eine Art Notwehr nach jahrelang erlebtem Terror schönredet und insbesondere damit hadert, dass das Gericht ihn verurteilt hat, obwohl er akribisch darauf geachtet hat, dass in einem späteren Verfahren nicht genügend Beweise vorhanden sein würden. Ich denke, dass er sich als Opfer und die Genialität seines Tatplans mit unlauteren Mitteln verkannt sieht. Für Letzteres sprechen auch seine sinngemäßen Einlassungen im letzten Fernseh-Interview, wonach das Gericht, obwohl es nichts in der Hand gehabt habe, sich alles zurechtgebogen habe.Genau so sehe ich das auch. Ohne hier tiefer in die Psychologie eindringen zu wollen, was ich als Laie nicht sollte, interpretiere ich diesen Fall ganz genau so. Er sieht sich nicht als "Verbrecher." Er sieht sich und seine Familie in erster Linie als Opfer, Opfer eines unhaltbaren Nachbarschaftsterrors. Ja, er ist sich bewusst, dass es ein tragisches Ende gab. Das ist genau der Stoff der klassischen griechischen Tragödie: der unbescholtene Held wird durch die finsteren Mächte des Schicksals in die Schuld getrieben, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Wenn schon die klassischen Schriftsteller gerne davon schreiben, scheint es wohl wirklich etwas Menschliches zu sein.
Dazu kommt, dass er sich furchtbar ärgern wird, dass ihm eigentlich nur ein einziger Fehler unterlaufen ist: der Ausdruck der Bauanleitung am eigenen Arbeitsplatz.
Macht ihn das zu einem schrecklichen, gefühllosen Verbrecher? Nein, ich denke nicht. Ich denke er kann in dem kleinen Gefängnis in Schwalmstadt, das ich persönlich beruflich (!) sehr gut kenne, ein sehr angepasster, vorbildlicher Gefangener sein. Er kann dort Freunde finden und sich auf eine Zukunft vorbereiten. Seine Familie hält zu ihm, was ihn unter den meisten Gefangenen privilegiert, die nicht solch eine moralische Unterstützung erleben.
Kann er sich mit der Tat auseinandersetzen und echte Reue empfinden? Darüber kann ich nun kein Urteil abgeben. Eine befreundete Anstaltspsychologin, die ich mal generell auf das Thema Reue ansprach, meinte, Reue sei ein so extrem komplexes Thema, dass es sich verbietet, so eine einfache Frage zu stellen. Als Laie weiss ich, wann ich nun schweigen muss :)