herzi09 schrieb:Kann es sein, dass Polizei und StA "neuerdings" nicht gut umgehen können mit der medialen Rezeption und Verwurstung von aufsehenerregenden Fällen,
Ja, das ist nach meinem Eindruck definitiv so. Polizei und StA haben eben keine Extra-Pressesprecher, die so etwas beruflich gelernt haben, also zB eine journalistische Ausbildung haben. Bei Regierungssprechern ist das anders, die sind vom Fach, und für die gibt es auch extra Stellen. Solche zusätzlichen Stellen sind bei Polizei und StA nicht vorhanden. Dort wird halt ein Beamter oder Staatsanwalt "abkommandiert", neben seiner eigentlichen Arbeit den Pressesprecher zu machen, er bekommt 2 Tage Lehrgang, und dann muss es es eben "können" als Pressesprecher.
herzi09 schrieb:sie dann unter Druck geraten und nicht genau prüfen, was sie nach außen durchgeben und was nicht?
Manchmal denke ich, da ist ein Zwiespalt, den jeder Sprecher bei jedem Statement für sich lösen muss. Einerseits sollen StA und Polizei die Öffentlichkeit informieren (was ja auch der Kontrolle der Behörden dient), andererseits sollen sie die Ermittlungen nicht gefährden, Datenschutzbelange und Sozialgeheimnis berücksichtigen, Unschuldsvermutung selbstverständlich beachten, nicht diskiminieren, nicht dies, nicht das. Da jongliert so ein Pressesprecher also zwischen den zu findenden Worten im Bemühen, das Richtige zu sagen, nicht zu viel und nicht zu wenig, hin und her und vergaloppiert sich irgendwann dabei. Was natürllich fatal ist, denn die Behörde wird dann auf das festgenagelt, was der Pressesprecher gesagt hat, jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt und tausenfach hin und her gewendet, wie man ja beispielhaft am Fall Rebecca Reusch sieht.
In spektakulären Fällen sind dann auch andauernd Medienanfragen, jedes Medium will stündlich das erste sein mit der neuen Schlagzeile, da ist dann schon Druck vorhanden, jedenfalls mehr als früher, als es nur Printmedien gab, die einmal täglich oder wöchentlich erschienen.
pensionär schrieb:Auffallend sind m. E. insbesondere gewisse Gemeinsamkeiten in den Gesamtabläufen der Ermittlungen bei beiden genannten Fällen, die ins Auge springen und sich auch auf einzelne Ermittlungsstränge (hier in Braunschweig) auswirken können:
- Die frühe bzw. fast sofortige mediale Begleitung der betroffenen Familien,
- Die Nichtakzeptanz der These der Polizei, dass das verschwundene Kind tot sei,
- Das frühe Zerwürfnis im Verhältnis der betroffene Familien mit den Ermittlungsbehörden,
- das wording in den an die Presse und Öffentlichkeit gerichteten Stellungnahmen, die m. E. eine Erwartungshaltung erzeugten, mit denen letztlich die erarbeiteten Indizien nicht Schritt halten konnten und man sich in mehreren Schritten zurückgenommen hat. Wohin das in beiden Fällen noch führt muß offenbleiben, eine zeitweilig suboptimale Außenwirkung ist m. E. schon jetzt kaum zu übersehen.
Stimmt, diese Entwicklung, dass sich also Opferfamilien, aber auch Verteidiger von Beschuldigten, vermehrt an Medien wenden, um Ermittlungen in ihrem Sinne zu steuern, also die sog. Litigation-PR, kommt hinzu.
Kaum haut ein Beschuldigtenanwalt oder ein Opferanwalt öffentlich was raus, wird von Polizei und StA ein Statement dazu erwartet, und schon kommt die nächste Medienanfrage an den Pressesprecher.
pensionär schrieb:Ich glaube aber nicht an einen Systemfehler sondern eher an individuelle Schwächen, die von den nach außen agierenden Pressesprechern (in Berlin)und dem Sachbearbeiter (vermute ich in Braunschweig) aber ggf. auch nicht alleine zu vertreten sind.
Mancher Pressesprecher ist sicher auch nicht frei von Eitelkeiten und genießt Auftritte, aber ich finde, den meisten sieht man bei Pressekonferenzen u.ä. an, dass sie sich nicht besonders wohl fühlen und lieber woanders wären.