„MORD OHNE LEICHE“
Geständnis oder abstruses Märchenspiel?
Erstellt 30.06.2014
In diesem Prozess gibt es keine Leiche. Es gibt keine einzige Spur, die auf einen Tatort hinweist. Auch wie der Leichnam der 42-jährigen Eitorferin entsorgt worden sein könnte, bleibt ungeklärt. am Mittwoch soll das Urteil in dem Prozess fallen. Von Ulrike Schödel
Eitorf/Bonn.
In diesem Prozess gibt es keine Leiche. Es gibt keine einzige Spur, die auf einen Tatort hinweist. Auch wie der Leichnam der 42-jährigen Eitorferin entsorgt worden sein könnte, bleibt ungeklärt. All das musste gestern auch Staatsanwalt Simon Büchel in seinem Plädoyer vor dem Bonner Schwurgericht einräumen. Auch nach 17 Verhandlungstagen sind die Ermittler einer Aufklärung nicht näher gekommen. In der Hand aber hat der Ankläger ein „Geständnis“, das der 41-jährige Ehemann seiner späteren Geliebten im Bett gebeichtet hat: Demnach will er seine Ehefrau die Treppe heruntergestoßen, sie anschließend im Bett erwürgt und ihren Leichnam zerstückelt, gekocht und im Müll der Klinikküche, wo er gearbeitet hat, entsorgt haben.
Mit dieser „Horrorgeschichte“ landete der 41-jährige Koch wegen heimtückischen Mordes auf der Anklagebank. Staatsanwalt Büchel jedoch forderte gestern überraschend nicht eine Haftstrafe wegen Mordes, sondern Totschlags von elf Jahren. Der Ankläger geht davon aus, dass es am Morgen des 9. September 2012 (es war der Tag, an dem die Ehefrau mit ihrer sechsjährigen Tochter ausziehen wollte) zu einer Eskalation gekommen ist. An diesem Morgen war der Angeklagte noch zu einer Tankstelle gefahren und hatte ein Schokoladenherz gekauft. „Nicht auszuschließen“, so Büchel, „dass der Versuch einer Versöhnung misslungen ist. Dass es zum Streit gekommen ist.“ Da habe er seine Frau – im Affekt – die Treppe heruntergestoßen. Das „Geständnis“ spielt im Bonner Prozess die zentrale Rolle: Während der Staatsanwalt die „Angaben zur Tötung für authentisch“ hält (selbst die grausigsten Details über die Entsorgung der Leiche könnten sich so zugetragen haben), erklärte Verteidiger Uwe Krechel es für ein „reines Lügenkonstrukt“, angeblich „durch permanentes Nachhaken der Geliebten“ provoziert. Krechel: „Das Geständnis ist nichts anderes als ein makabres, verbales Wechselspiel zwischen zwei abstrusen Persönlichkeiten.“ Ein Märchenspiel, das man nicht „Wort für Wort für bare Münze nehmen“ dürfe.
Dass die 42-Jährige Opfer eines Verbrechen geworden ist, davon ist der Staatsanwalt überzeugt: Denn die Verkäuferin ist seit dem Septembertag verschwunden, „ohne Gepäck, ohne persönliche Gegenstände, ohne Medikamente, ohne Toilettenartikel“. Das alles entscheidende Argument: Niemals hätte die 42-jährige ihre über alles geliebte Tochter alleine zurückgelassen. Auch dass sie einen Suizid begangen haben soll, glaubt Büchel nicht: Zu sehr habe sie sich auf das neue Zuhause gefreut, bei Vertragsunterschrift habe sie „den Vermieter vor Glück umarmt.“
Der Angeklagte, seit zehn Monaten in Untersuchungshaft, beteuerte erneut, dass er mit dem Verschwinden seiner Frau nichts zu tun habe. „Ich hätte es gestanden, allein wegen der Stieftochter, für die ich seit ihrer Geburt der Vater gewesen war.“ Und schließlich unter Tränen: „Ich hätte nie etwas getan, was dem Mädchen schadet.“
Das Urteil soll am morgigen Mittwoch, 11 Uhr, gesprochen werden.
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