Wer Grenzwerte säht wird Gentechnik ernten Protest gegen geplante EU-Richtlinie zur gentechnischen Verunreinigung von Saatgut In den nächsten Wochen will die EU Kommission eine Richtlinie vorlegen, die eine ungekennzeichnete Verunreinigung von herkömmlichem Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zulässt. "Wenn wir jetzt nicht handeln, ist die Chance verspielt, die sogenannte grüne Gentechnik unter Kontrolle zu halten," warnte der Sprecher der Initiative "Save our Seeds" (1), Benedikt Haerlin, die Vorsitzende des Verbraucher- und Landwirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, Herta Däubler-Gmelin und den Vorsitzenden des Umweltausschusses, Prof. Ernst-Ulrich von Weizsäcker. Im Namen hunderttausender vor Bürgern präsentierte er ihnen das "größte Saatkorn der Welt" (eine drei Meter hohe Skulptur des Künstlers Alexander Heil) und die Forderung, alles zu tun, um auch künftig sauberes Saatgut zu garantieren. Die beiden Politiker versprachen, sich im Bundestag und direkt bei der EU-Kommission dafür einzusetzen, dass GVOs im Saatgut an der Nachweisgrenze gekennzeichnet werden müssen.
Nachdem sie im Oktober letzten Jahres mit einem Vorstoß gescheitert war, Grenzwerte für die Kennzeichnung von GVO in herkömmlichem Saatgut durchzusetzen, nimmt die Kommission nun einen neuen Anlauf, die bisher kompromisslosen Kennzeichnungsvorschriften für Saatgut so aufzuweichen, wie dies von Gentechnik-Unternehmen seit längerem gefordert wird. Intern haben sich die zuständigen Generaldirektionen am Freitag letzter Woche darauf geeinigt, dass im Saatgut von Raps 0,3 %, bei Rüben und Kartoffeln 0,5 % Gentechnik zugelassen werden sollen, ohne dass die Landwirte darüber informiert werden und dies vermeiden könnten. Ob es bei Mais 0,3 oder 0,5 % sein sollen, ist derzeit noch strittig.
Während für Lebensmittel ein Kennzeichnungs-Grenzwert von bisher 1% und ab 18. April von 0,9 % bei "zufälliger Verunreinigung" gilt, sind solche Ausnahmen für Saatgut bisher nicht vorgesehen, da es in die Natur freigesetzt wird, sich vermehrt und am Anfang der Nahrungskette steht. "Hier geht es nicht allein um die Wahlfreiheit, sondern um unser aller Sicherheit," sagte Haerlin, "denn wer nicht weiß wo genveränderte Pflanzen wachsen, ist auch nicht in der Lage, effektiv und angemessen zu reagieren, wenn etwas schief geht." Um einen GVO im Notfall wieder aus dem Verkehr zu ziehen, müsste wegen möglicher Verunreinigungen praktisch das gesamte Ernte- und Saatgut der Pflanzenart zurückgerufen werden. "Wie das funktionieren soll, weiß niemand."
Wenn künftig sämtliches Saatgut "ein Bisschen" GVO enthalte, würde zudem die europäische und geplante deutsche Gesetzgebung ad absurdum geführt, die Wahlfreiheit und den Schutz gentechnik-freier Landwirtschaft garantieren soll. Die Kosten für Tests und Kontrollen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft würden ohne Not vervielfacht und denen aufgebürdet, die GVO vermeiden wollen. "Ohne sauberes Saatgut gibt es keine Koexistenz sondern de facto einen Gentechnik-Zwangsanbau," resümierte Haerlin.
Gegen den Vorschlag der Kommission könnten sich die EU-Mitgliedsstaaten (ab 1.Mai sind dies 25) im Rat nur mit einer Zweidrittelmehrheit durchsetzen. Wie schwer diese zu erreichen ist, zeige leider die Bundesregierung selbst. Sie sitze in dieser Frage den Dissens zwischen den Ministern Künast und Trittin einerseits und Clement und Buhlman andererseits bisher einfach aus, anstatt jetzt ein klares Signal nach Brüssel zu senden. Wenn sich die Bundesregierung, wie in solchen Fällen üblich, im Rat der Stimme enthält, würde sie dem Kommissionsvorschlag faktisch zustimmen, obwohl beide Regierungsparteien offiziell die Reinhaltung des Saatgutes und eine Kennzeichnung an der Nachweisgrenze fordern.
Quelle: www.saveourseeds.org
(1) "Save our Seeds" ist eine gemeinsame Initiative aller Umwelt-, Verbraucher- und Bio-Verbände in Deutschland, sowie einer Vielzahl von landwirtschaftlichen, kirchlichen, gewerkschaftlichen und wissenschaftlichen Organisationen. Sie wird von über 300 Organisationen in der EU mit über 25 Millionen Mitglieder getragen. Die gemeinsame Petition zur Reinhaltung des Saatgutes wurde von über 200.000 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet.
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