Physik ist pure Mathematik. Tatsächlich haben viele Teile der höheren Mathematik wie wir sie heute kennen ihren Ursprung in physikalischen Untersuchungen. Das gilt nicht nur für so naheliegende Beispiele wie die Grundlagen der Analysis, die Newton und Leibniz aus physikalischen Betrachtungen heraus entwickelten, sondern auch für viele weitere Teilgebiete. Heutzutage muß sich jede physikalische Theorie mathematisch beschreiben lassen. Das läuft in etwa so ab: Es gibt Beobachtungen, bei denen eine Physikerin Gesetzmäßigkeiten vermutet. Diese Gesetzmäßigkeiten versucht sie nun mathematisch zu beschreiben. Durch diese mathematische Beschreibung kann nun berechnet werden, wie sich z.B. ein passendes Experiment mit geänderten, aber noch zu der Beschreibung passenden, Rahmenbedingungen verhalten sollte. Weiterhin liefert die Beschreibung eine Selbstkontrolle. Sie weiß anhand der mathematischen Beschreibung nämlich auch, welche Beobachtungen ihre Vermutung widerlegen würden. Und nun wird versucht, eben dies zu tun, d.h. die Vermutung zu widerlegen.
Physikalische Theorien stehen regelmäßig weltweit unter Beschuß. Horden von Physikern bemühen sich täglich, sie zu widerlegen. Ein Beispiel: Anfang des letzten Jahrhunderts wurde festgestellt, dass sich die Perihelbewegung des Merkur NICHT mit den Newtonschen Vorhersagen in Vereinbarung bringen lies. Damit war Newtons Theorie zunächst widerlegt. Nun kommt aber ein weiterer, entscheidender Schritt. Es muß nun eine NEUE Beschreibung gefunden werden. Diese muß sowohl die Beobachtungen des Merkurs erklären als auch, WARUM die Newtonschen Gleichungen bei niedrigen Geschwindigkeiten und niedrigen Massen so gut funktionieren. Die Physikerin sagt: Die neue Beschreibung muß die alte als Grenzfall enthalten. Für das benannte Beispiel gelang dies Albert Einstein mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie.
Moderne Physik ist so komplex, dass ich als Diplommathematiker extreme Schwierigkeiten habe sie zu verstehen. Die für das Verstehen der ART erforderliche Tensorrechnung entzieht sich mir bisher noch :-(. Meine Ausführungen sollen aber hinsichtlich der Frage des TE bedeuten: "Selbstverständlich. Physikerinnen und Physiker weltweit versuchen das täglich, um NEUE "Gesetze" (eigentlich eher 'Theorien") zu entwickeln. Das läuft aber nicht so wild ab wie du es dir vorstellst :-)".
Noch ein Einwurf zu zwei Themen, die in diesem Thread beleuchtet wurden:
- Die Singularität. Mathematisch gesehen gibt es davon drei Varianten
Wikipedia: Isolierte Singularität. Ich hatte irgendwann in einem anderen Thread schon mal die Frage gestellt, welche Art der Singularität nun bei den Gleichungen für ein Schwarzes Loch vorliegt. Hebbar kann sie eher nicht sein, eine solche "Pseudosingularität" läßt sich durch äquivalente Umformung der Gleichungen entfernen. Sollte die Singularität wesentlich sein, gibt es m.E. keine Chance, das durch "verbesserte" Beschreibungen in den Griff zu bekommen. Eine Funktion mit einer wesentlichen Singularität nimmt in jeder auch noch so kleinen Umgebung der Singularität jeden beliebigen Wert an. Das ist doch physikalisch betrachtet ein wenig arg wild. Bleibt noch Polstelle. Das bedeutet anschaulich, dass die Funktion auf jedem Weg zur Singularität hin einigermaßen gleichmäßig gegen Unendlich geht. Also liebe Physikerinnen, was ist es denn nun?
- Die Hummel. Es gibt da ein ganz ähnliches Beispiel. Physiker und Biologen hatten irgendwann herausgefunden, dass ein Känguruh (fragt mcih nicht welche Art :-)) eigentlich nicht lebensfähig ist. Es braucht für seine Sprünge so viel Energie, dass es diese nicht über die Nahrung zurück gewinnen kann. Die Auflösung sowohl zu diesem wie zum Hummeldilemma findet sich in den tollen "Gelehrte der Scheibenwelt" Bücher von Ian Stewart, Jack Cohen und Terry Pratchett, die ich hiermit dem TE und allen Interessierten wärmstens ans Herz legen möchte. Da wird hervorragend und ohne Mathematik zu bemühen beschrieben, wie wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn funktioniert. Nach der verständnisvollen Lektüre der Bücher wird der TE sicher erkennen, dass seine Fragestellung so platt formuliert sinnlos ist...