Hat Evolution ein Ziel? Ist eine intelligente Spezies zwingend? Wenn wir weg sind, muß dann jemand anderes unseren Platz einnehmen?
Klar ist, Leben füllt freiwerdende ökologische Nischen aus. So übernahmen die Wale (zumindest die Zahnwale unter ihnen) ungefähr jene Nische, die im Erdmittelalter die Ichthyosaurier ausgefüllt hatten. Aber ist die menschliche Zivilisation eine ökologische Nische? Wir sind für die Tierwelt vielleicht der "oberste Predator", und diese Stelle wird sicher nach uns wieder wer anders einnehmen. Aber das geht auch ohne Intelligenz und Kultur und Hightech-Jagdwaffen.
Wenn wir weg sind, wird es womöglich keinen "Nachfolger" geben.
Nach der "Herrschaft der Dinosaurier" kamen nicht sofort die Säugetiere "an die Macht". Für mehrere Millionen Jahre füllten flugunfähige Riesenvögel den Platz an der Spitze der Nahrungskette aus. Zu dieser Zeit füllten die Säuger schon alle möglichen freigewordenen ökologischen Nischen aus, doch vor allem am unteren Ende der Nahrungskette. Erstca. zehn Millionen Jahre nach dem Ende der Dino-Ära brachten die Säuger auch Riesenformen wie das Uintatherium hervor, und die Ordnung der Urraubtiere stellte in den meisten Weltgegenden die Vertreter an der Spitze der Nahrungskette. Was war geschehen? Auffällig ist eine allgemeine Zunahme des Hirnvolumens unter den Höheren Säugetieren. Die Evolution des Intellektes verschaffte einen Vorteil. Im Neogen (dem zweiten Teil des Tertiär) wurden die Creodonta (Urraubtiere) durch eine neuaufstrebende Ordnung der Carnivora (heutige Raubtiere) ersetzt, die nochmals ein größeres relatives Hirnvolumen besaßen. Deren Vorsprung war mittlerweile so groß, daß, wohin auch immer sie vordrangen, auch die letzten Reste der räuberischen Riesenvögel über kurz oder lang verschwanden, zuletzt in Südamerika.
Ein über lange Sicht hinweg betrachtet kontinuierliches Zunehmen an Intelligenz ist also durchaus zwingend. Doch ist das nicht zwingend mit der Form von Intelligenz verknüpft, die uns ausmacht. Komplexere Wahrnehmung (Farbsehen, Billionen Düfte unterscheiden), komplexeres Verhaltensrepertoire (Flucht-, Verteidigungs-, Angriffstechniken udgl), komplexeres Sozialverhalten (Gruppenstrukturen, Brutpflege, Kommunikationsumfang), all das kann mit verbessertem ZNS aufkommen - und ist auch in den letzten Milliarden Jahren aufgekommen, selbst bei Fischen ud Amphibien. Eine Entwicklung hin auf eine "Spezies wie wir" ist das aber nicht. Selbst die Delfine, mit das Intelligenteste, was die Natur bis heute hervorgebracht hat, erwecken nicht den Anschein, als würde das, was sie bis heute erreicht haben, ein wenig extrapoliert, nach einer neuen intelligenten Zivilisation aussehen. Bei den Primaten hingegen gibt es durchaus solche Beobachtungen, etwa "Landwirtschaft betreibende" Neuweltaffen mit einem Sinn für "Besitz", Werkzeug herstellende und einsetzende Menschenaffen mit der Fähigkeit zu zusammengesetzter Kommunikation (quasi Boolesche Logik; tierische Kommunikation besteht eigentlich aus ganzen, vollständigen Aussagen. Ein Warnschrei schützt vor einem anschleichenden Freßfeind, ein anderer Schrei schützt vor nem anderen Freßfeind, evtl. aus der Luft. Es gibt keinen zusammengesetzen Warnschrei, wo der eine "Achtung" bedeutet und der andere "Luft").
Immerhin: unter den Primaten gibt es also diese Tendenz in Richtung auf "uns". Kunststück, schließlich sind wir Primaten und stammen von da ab. (Und ja, wir stammen durchaus von Affen ab,
@Mittelscheitel, das "nur gemeinsame Vorfahren" meint, daß wir von keiner heute lebenden Affenspezies abstammen.) Dennoch ist deswegen nicht die gesamte Richtung vorgegeben, sodaß andere Affen ebenfalls mal so eine intelligente Spezies wie wir werden müßten. Wir wissen noch viel zu wenig darüber, welche Aspekte von tierischer Intelligenz nötig sind, daß sowas wie bei uns passieren kann.
Aber wir wissen genausowenig, um eine Wiederholung ausschließen zu können. Auch die allgemeine Intelligenzsteigerung in der tierischen Evolution ist ja ein wesentlicher Faktor für unsere Entstehung, hat uns also vorbereitet. Doch ist das teleologisch, vom "Ziel" her betrachtet. Die Natur aber arbeitet nicht teleologisch. Die Intelligenz im Tierreich nahm nicht zu, damit wir entstehen, sondern weil der einzelne Fortschritt sich bei der betreffenden Tierart sofort als Nutzen erwies. Und dadurch nicht wieder verschwand.
Wir Menschen hingegen denken und handeln teleologisch. Wir planen, und wir tun Dinge auf ein gewünschtes Ergebnis hin. Ja wir stellen die Sinnfrage und haben damit ein Problem, wenn unser Leben ohne Sinn erscheint, wenn es kein Ziel gibt, für das zu leben es sich lohnt. Wir machen uns Gedanken, ob wir ein Wunschkind sind, von unseren Eltern in Liebe "geplant" und gewollt. Oder ob wir halt aus Versehen in diese Welt gekommen sind, ohne Liebe, ohne Wunsch. Wir glauben vielfach nicht an Gott, verstehen uns also nicht als geliebte Wunschkinder des Schöpfers. Aber dann wollen wir doch wenigstens von den Naturgesetzen zwingend vorgesehen sein. Nicht als Homo sapiens, wohl aber als "Leben bringt irgendwann zwingend intelligentes Leben hervor". Deswegen ist vielen auch "völlig klar", daß das Universum voll ist, nicht nur mit Leben, sondern auch mit anderen Intelligenzen, mit "verwandten Seelen". Wäre dem nicht so, dann wäre das riesige Universum ja "verschwendet". Und wir wären das ungewollte, aus Versehen geborene jämmerliche Bündel, ausgesetzt in einer verlassenen Ecke des Universums, von niemandem gewollt und völlig alleingelassen.
Pertti