@kuno7 kuno7 schrieb:Wenn Bewusstsein im Gehirn von neuronalen Prozessen erzeugt wird, dann eben auch die Entscheidung den Liedschlag zu unterbrechen. Das würde bedeuten, dass die Entscheidung schon gefallen ist, bevor diese dir bewusst wird. Unter dieser Voraussetzung gäbe es dann keine Zeitverzögerung vom bewussten Gedanken der Liedschlagunterbrechung bis hin zur physischen Ausführung und damit die Schlussfolgerung aus deinem Experiment hinfällig.
Ich versuchs, noch einmal zu erklären, und wenn Du es dann noch immer nicht verstanden hast, wo der Knackpunkt ist, dann laß ichs halt.
Ein Lidschlag ist für unser Reaktionsvermögen ziemlich kurz. Schon allein von der bewußten Initiierung einer Aktion bis zu ihrer Ausführung vergeht eine bestimmte Zeit von soundsoviel Millisekunden. Doppelt so viel, wenn die Aktion auch erst auf einen äußeren Reiz hin initiiert wird. Etwa einen Knopf zu drücken, wenn ein Licht angeht. Diese Zeit ist zwar kürzer als ein Lidschlag, aber dennoch ist es nicht so einfach, eine Aktion zu initiieren und auszuführen, bevor der Lidachlag vorbei ist.
Nun können wir bei einem angehenden Licht relativ schnell einen Knopf betätigen, weil hierzu keine bewußte Entscheidung "Knopf drücken oder nicht" getroffen werden muß. Wir haben uns schon vorab entschieden, dies zu tun, und so läuft das Knopfdrücken reflexartig. Würden wir uns hingegen sagen, wenn das Licht angeht, entscheiden wir erst, ob wir den Knopf drücken, so werden wir den Knopf zwangsweise erst später drücken können.
Und wenn es stimmt, daß jede unserer bewußten Entscheidungen schon vorab im Unbewußten angezeigt werden, bevor sie uns bewußt wird - wenn wir also denken, daß wir die (unbewußt längst gefällte) Entscheidung treffen - dann wird zwischen dem Angehen der Lampe und dem Knopfdruck eine "gehörig lange" Zeit verstreichen. Nämlich a) Wahrnehmung vom Sinnesorgan bis zur Verarbeitung im Gehirn "Licht geht an", b) Dauer der Entscheidung c) von der unbewußten Entscheidung bis zur bewußten vermeintlichen Entscheidung, d) Initiierung der Aktion bis zum wirklichen Ausführen der Aktion. Punkt b) mag noch am kürzesten sein, aber die Zeit, die bei c) vergeht, ist nach klassischer Analyse rund eine halbe Sekunde lang, nach neueren Untersuchungen länger. Wenn man also den Knopf drücken muß, solange die Lampe leuchtet, diese leuchtet aber nur einen Lidschlag lang, so hat der Mensch keine Chance, den Knopf rechtzeitig zu drücken, wenn er sich auch noch entscheiden muß, ob er ihn drücken will oder nicht.
Eine Chance hätte er nur, wenn seine bewußte Entscheidung ohne unbewußte Vorabentscheidung möglich ist. denn dann verzögert sich die Zeit zwischen Aufleuchten und Knopfdrücken um besagte halbe Sekunde; die anderen drei Phasen dauern zusammen weniger als 100 Millisekunden.
Eine vereinfachte Version hiervon ist mein Vorschlag, einen Lidschlag bewußt herbeizuführen, und ebenso bewußt ihn dann zu verhindern. Aber nicht jedes Mal, sondern je nach spontaner Entscheidung. Dies ist nicht so einfach, muß schon etwas geübt werden. Würde das Unbewußte nun beide Entscheidungen treffen, so müßte das Unbewußte beide Entscheidungen zeitversetzt "in Auftrag geben". Aber ohne die Chance, dieses "zeitversetzt zu korelieren. Denn selbst die Entscheidung, den Lidschlag zu unterbrechen, muß initiiert werden, bevor das Bewußtsein die Entscheidung zum Lidschlag "gefällt" hat. Erschwert wird diese unbewußte zeitliche Korelasiton von Initiierung und anschließender Unterbindung des Lidschlags dadurch, daß die Zeiträume von unbewußter Entscheidung zu bewußter Schein-Entscheidung nicht exakt gleich lang sind, sondern variieren. Sollte also das freie Unterbinden des Lidschlages funktionieren, gehen bewußte Entscheidungen auch so.
kuno7 schrieb:Wie schon gesagt, folgt die "Täuschung" lediglich aus deiner Prämisse, wenn diese falsch ist gibt es auch keine Täuschung.
Auch das hast Du nicht verstanden. Wenn Entscheidungen unfrei sind, wie komm ich dann auf die Idee eines "freien Willens"? Was veranlaßt das Unbewußte, mich Freien Willen zu denken? War das ne freie fixe Idee des Unbewußten? Ginge ja nicht, weil es ja nicht frei sein kann. Erst wenn z.B. die Selbst-Reflexion (ich weiß, tautologisch) frei ist, entstehen Fragen, die nicht vorhgesehen sind. Ein Computer mit simuliertem Denken würde sich nicht fragen, ob sein Denken frei wäre, weil das von der Software nicht vorgesehen, nicht einprogrammiert ist.
kuno7 schrieb:Das ist eher eine Frage, wie man das Selbst interpretiert. Für mich ist das Selbst eine art Software, die von der Hardware Gehirn erzeugt wird. Ich würde sagen, deine Gedanken sind frei, aber nicht unabhängig vom Unbewussten. Dein "Selbst" kann nicht entscheiden was es will, sondern die Entscheidungen die vom neuronalen Netz erzeugt wurden, interpretiert dein Bewusstsein als das, was es will. So würde ich die Illusion des freien Willens beschreiben, gesicherte Erkenntnis ist das natürlich nicht.
Im Grunde formulierst Du hier nur die These vom Unfreien Willen, erklären tust Du hingegen gar nichts.
kuno7 schrieb:Naja, ein Loblied sollte das gerade nicht sein, eher eine Tatsachenfeststellung. Ich gehe schon davon aus, dass es eine objektive Realität gibt, auch wenn diese nicht sicher belegbar ist.
Na dann stell sie nicht über das, was wir direkt erfahren. Und gerade das "externe" der Seele gehört zu unseren direkten Erfahrungen. Nämlich dort, wo wir genau das Gegenteil von dem erleben, was Du im Abschnitt zuvor behauptet hast: "
die Entscheidungen die vom neuronalen Netz erzeugt wurden, interpretiert dein Bewusstsein als das, was es will". Nämlich z.B. dann, wenn wir in einer Schock-, Schreck- oder sonstigen plötzlichen Situation reflexartig bzw. instinktiv agieren - aber dabei etwas tun, das wir gar nicht wollen. Dann "erleben" wir, wie unser Ich nicht "das" ist, "das da handelt".
kuno7 schrieb:Wenn sich allerdings herausstellen sollte, dass z.B. eine Maschine sich so verhält wie wir es von einem Menschen erwarten, dann würde die Annahme einer externen Seele unnötig.
Und selbst dieses "unnötig" ist viel zu menschlich begrenzt, viel zu vorläufig und viel zu physikalistisch - sofern dies als Grund angegeben wird, etwas über die Existenz von Seele auszusagen.
Vor allem ist das hier nicht mal Thema. Aber womöglich ist es ja noch der beste Beweis für den unfreien Willen: bei diesem Threadthema müssen einige Menschen zwangsweise ihre Auffassung, ob es die Seele überhaupt gibt oder nicht, hier off topic einbringen und die Diskussion in diese Richtung umändern.
kuno7 schrieb:Ich bin davon ausgegangen, dass auch Einzeller Stoffwechselprozesse benötigen, um Lebensfunktionen aufrecht zu erhalten. Wenn dem nicht so ist, was ich nicht genau weiß, dann müsste es so sein, dass ein einfacher Nachbau eines Einzellers auch dessen biologische Funktionen hätte. Sprich: Ich gehe davon aus, dass Lebewesen biologische Maschinen sind.
Aber wo soll bittschön ein zusätzliches Bios existieren? Wir haben die Genetik und die Epigenetik. Letztlich also gespeicherte Information und biochemische Prozesse. Und die können wir dann ja replizieren. Aber so bauen wir nur ne tote Zelle. Da ist es ja einfacher, nen toten Muskel zur Kontraktion zu bringen (wie die Elektrizität "entdeckt" wurde).
Pertti