emz schrieb:Damals anscheinend unvermeidlich, zwischenzeitlich wurde die Gesetzeslage entsprechend korrigiert.
Unvermeidlich??? Ich verstehe nicht, warum das so bagatellisiert wird. Ein Kolaterallschaden des Rechtsstaats ist der Fall jedenfalls nicht. Vielmehr kafkaesk.
Es gibt eine ganze Kette von Fehlentscheidungen und Verantwortungsdiffusion, die einem nur Angst machen, sollte man mal selbst in die Situation kommen, psychisch zu erkranken. Und die StA Regensburg deutete selbst in ihrem Wiederaufnahmeantrag an, das Nürnberger Gericht könnte Rechtsbeugung begangen haben.
Das BVerfG behandelte die Entscheidungen des LG Bayreuth und des OLG Bamberg aus 2011 (denen 2012 und 2013 noch weitere mit gleichem Ergebnis folgten):
Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Einschätzungen durfte das Landgericht sich nicht auf eine bloße Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Anhörung vom 9. Mai 2011 beschränken. Es hätte vielmehr unter Berücksichtigung weiterer Hinweise des Sachverständigen und sonstiger Umstände des vorliegenden Falles (...) diese Einschätzungen gegeneinander abwägen und eine eigenständige Prognoseentscheidung treffen müssen. Im Rahmen einer solchen eigenständigen Bewertung hätte es darlegen müssen, welche Straftaten konkret von dem Beschwerdeführer zu erwarten sind, warum der Grad der Wahrscheinlichkeit derartiger Straftaten sehr hoch ist und auf welche Anknüpfungs- und Befundtatsachen sich diese Prognose gründet. Diesen zur Rechtfertigung des Eingriffs in das Freiheitsrecht des Beschwerdeführers verfassungsrechtlich gebotenen Begründungsnotwendigkeiten trägt der Beschluss des Landgerichts nicht Rechnung.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2013/08/rk20130826_2bvr037112.html;jsessionid=70F630A9FD2596611C36B830D4BA4B08.2_cid392Insbesondere die Prüfung der Verhältnismäßigkeit war unzureichend:
Die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers wird sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandesgericht ausschließlich mit dem Hinweis auf die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Körperverletzungsdelikte begründet. Das Landgericht verweist darauf, der Beschwerdeführer habe einen anderen Menschen bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Das Oberlandesgericht stellt darauf ab, dass sich unter den Anlasstaten auch Körperverletzungen zum Nachteil der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers befänden, die mit erheblicher Aggressivität und Brutalität begangen worden seien. Die Gerichte setzen sich aber nicht damit auseinander, dass es sich bei den in Bezug genommenen Taten um Beziehungstaten handelt, die der Beschwerdeführer vor rund zehn Jahren begangen haben soll, als er noch verheiratet war und mit seiner Ehefrau zusammenlebte. Unerörtert bleibt, ob und gegebenenfalls wie sich die zwischenzeitliche Scheidung und langjährige Trennung des Beschwerdeführers von seiner früheren Ehefrau auf die von ihm ausgehende Gefahr ausgewirkt hat.
Es ist unüblich, dass Verfassungsbeschwerden so ausführlich behandelt werden. Das BVerfG war offensichtlich der Ansicht, den Gerichten hier mal ordentlich was ins Stammbuch schreiben zu müssen.
Die Ausführungen treffen auf alle gerichtlichen Entscheidungen im Falle Mollath zu. Deshalb spreche ich auch von Justizversagen, nicht von einer Fehlentscheidung. Über Jahre haben die bayerische Gerichte (die gerne auf dem hohen Ross sitzen) ignoriert, weggesehen, Wertungen und Behauptungen einfach weiter übernommen, ohne eigene Prüfung, ohne entsprechende Sorgfalt.