Vorweg, falls - wie ich - noch jemand nicht geschnallt hat warum die Laderampe aufreißt, wenn das Bugvisier wegfliegt - (ausgerechnet) auf der schematischen Darstellung dieser Factsgroup kann man es gut erkennen:
Original anzeigen (0,6 MB)(aus:
https://factgroup.uk/onewebmedia/Final%20Visor.pdf)
Die Rampe steht nach oben über und verschwindet dort in einer Aussparung des Bugvisiers ("Visor housing for the ramp"). Wenn das Visier wegbricht bleibt es also zunächst oben an der Rampe hängen und reißt diese ebenfalls auf.
Ahmose schrieb:Die LKWs wurden zuerst eingeladen und standen dann im Heckbereich, danach kamen die PKWs dran. Auf der Steuerbordseite befand sich mehr Gewicht, was zu leichter Schlagseite führte die via Balasttanks ausgeglichen werden musste.
https://web.archive.org/web/20160829120259/http://estoniaferrydisaster.net/estonia%20final%20report/chapter17.htmDanke, sehr hilfreicher Link.
Ich stelle mir das nunmehr so vor. Das obere Autodeck (Deck 3) ist das im o.g. Link auch als "Hanging Deck" bezeichnete reine PKW-Deck. Dieses konnte vermutlich hochgezogen werden. Nicht 100%ig klar ist mir was mit
The personal car deck (hanging deck) was in its normal, common position.
gemeint ist. Ich vermute aber, da nirgends von Fahrzeugen auf der zweiten Ebene die Rede ist, dafür aber von vielen LKW, dass dieses hängende Deck beidseitig hochgezogen war, da sonst darunter keine LKW stehen können.
He said that the number of personal cars was not that large, instead there were a large number of trucks on the ferry.
Hier habe ich farblich markiert, wie ich mir das momentan vorstelle:
(Originalbilder:
https://en.wikipedia.org/wiki/MS_Estonia)
Orange das Haupt-Fahrzeugdeck Deck 2, darüber das wahrscheinlich hochziehbare hängende Deck 3. Der Tiefgang der Estonia betrug lt. Wikipedia 5.6 m. Der Fahrzeugdeckbereich war ungefähr genauso hoch, sprich unter dem hängenden Deck konnten LKW nur stehen wenn dieses außer Betrieb und hochgezogen war (also nicht in der Position wie oben eingezeichnet). Gestützt wird diese Annahme dadurch, dass im o.g. Link von LKW auf der Steuerbordseite die Rede ist; die gesamte Steuerbordseite aber vom hängenden Deck 3 überdeckt ist.
I drove in my truck, which was a so-called 10-tonner, 9 m long, to the left side of the car deck looking from forward. In Tallinn the cars are always driving on board from forward, my truck was placed as 2nd last car astern.
Fichtenmoped schrieb:Schau mal, am hinteren Ende des Fahrzeugdecks ist eine freie Fläche. Da kann man wenden. Also fährt man auf dem entsprechenden Deck auf der einen Seite rein bis nach hinten, dreht dort und fährt vorwärts auf der anderen Seite bis an den Anfang des Decks.
Das halte ich durch obigen Link für widerlegt. Wenn macht man das auch eher durch die viel größere Heckklappe (schneller). So muss es auf dem Schwesterschiff gelaufen sein nachdem man das Bugvisier zugeschweißt hat um einen solchen Unfall auszuschließen.
Fichtenmoped schrieb:Dann fahren die, die zuerst eingefahren sind auch wieder zuerst heraus.
Das doch so oder so(?)
Fichtenmoped schrieb:Oder man plant im nächsten Hafen alles durch das Hecktor zu entladen. Dann stehen alle Fahrzeuge richtig.
Das ist wohl der Sinn einer RoRo-Fähre, ja ;-)
Fichtenmoped schrieb:Ob das zweite Fahrzeugdeck beladen werden kann, hängt auch von der Beladerampe an Land ab. Teilweise hat man mit den Balasttanks nachgeholfen, wie im Fall der Herald of Free Enterprise.
(Quelle:
https://c20society.org.uk/building-of-the-month/ms-spirit-of-free-enterprise-oleander)
Da wurden die Fahrzeuge von außen über eine Rampe direkt auf die obere Ebene gefahren, wenn ich das richtig deute. Sowas kannte ich noch nicht. Die größeren Fähren auf denen ich bisher war hatten die Rampen alle im Schiff - d.h. unten einfahren, dann im Schiff, wie in einem Parkhaus über eine Rampe nach oben. Und so dürfte es auf der Estonia auch gewesen sein, so wie das Hanging Deck 3 lag und wenn ich mir dieses Foto ansehe:
(Quelle:
https://maritimecyprus.com/2019/07/23/court-update-on-ms-estonia-sinking-on-28-september-1994-claiming-852-lives/)
Ahmose schrieb:Ganz mittig ist die Trefferstelle ja auch nicht. Zudem kann das Visier eigentlich auch nicht zur Seite abfallen. Es fällt nach vorn und wird dann von der Bugwulst getroffen. Danach gerät es unter den Kiel.
Also bisher finde ich wenig an dem Fall wirklich schwer erklärlich, aber das Schadensbild am Bugvisier bekomme ich noch nicht so ganz in meinen Kopf. Das Bugvisier reißt erst unten aus den Verriegelungen, wird dann beim Eintauchen der Estonia in die Wellen jeweils aufgedrückt und reißt dann oben aus dem Scharnier (wobei auch die Hydraulikelemente zerstört und rausgerissen werden). Und dann macht das Teil beim Abfallen einen sauberen 180°-Backflip um exakt mit der Vorderkante auf die diese Bugwulst aufzuschlagen? Oder es übersteht die letzte Welle gerade noch und reißt dann beim Zufallen endgültig ab und kippt ebenfalls kerzengerade auf die Bugwulst. Das ganze bei schon schwerer See und einem Schiff das von Anfang an Schlagseite hat, die durch Wind und bereits eingedrungenes Wasser zu dem Zeitpunkt eigentlich schon ein Stück schlimmer geworden sein dürfte. Zweite Variante schon eher, aber auch seltsam finde ich. Diese Beschädigungen stammen schon vom Untergang oder können die auch irgendwie später entstanden sein?
Was ich auch noch nicht wusste: Das Schiff hatte lt. obiger Quelle von Anfang an 1° Schlagseite nach Steuerbord und das obwohl
- der starke Südwestwind das noch verstärkte, man also eher leicht nach Backbord hätte trimmen sollen
- Der Backbordtank zum Trimmen komplett voll gewesen sein soll und man mit den Trimm-Tanks 10° Schlagseite bzw. 200 Tonnen Ungleichgewicht zwischen Back- und Steurbordseite hätte ausgleichen können.
Da die Beladung nicht so stark asymmetrisch gewesen sein kann (lt. Zeugen) wird vermutet, dass der Steuerbord-Trimm-Tank evtl. von Anfang an ebenfalls geflutet war und nicht leergepumpt werden konnte, evtl. weil er durch ein Leck im Rumpf undicht war.
According to survivors trucks and trailers had been more or less equally distributed between the port and the starboard sides of the car deck, thus, a wrong loading of the car deck cannot have been the reason for the excess weight at the starboard side. Consequently it has to be assumed that there has been water in tanks and/or void spaces at the starboard side which was unpumpable. The reason could be that these spaces were holed and thus connected to the outside and therefore could not be pumped empty at all, e.g. the starboard heeling tank.
»The port heeling tank was full, but a starboard list of 1° remained. This was, in my opinion, one of the causes of the casualty, because later when the vessel was heeling to starboard there was no possibility to counteract.«
Wobei ich dann nicht verstehe warum es Aussagen zum gefüllten Backbordtank, aber scheinbar keine zum Zustand des Steuerbordtanks gab. Wenn der ebenfalls geflutet war müsste das ja ebenfalls angezeigt worden sein.