McDonald's!
28.12.2011 um 16:32
Etwas McDonalds-Geschichte:
19.07.1982
GASTRONOMIE
Dorn im Auge
Die Hamburger Zeitschrift "Spontan" und die Hamburger-Kette "McDonald's" streiten vor Gericht: Steckt im Big Mäc ein Popel?
Der Hamburger Verleger Klaus Rainer Röhl, 53, zählte sich schon immer zu jener Sorte von Linken, die "auch vor dem Endsieg schon mal ein gutes Stück Fleisch" essen. Seine Ehe mit der späteren Terroristin Ulrike Meinhof beruhte auf einer ausgewogenen "Gemüse- und Gemütsbasis" - "mit einer Unzahl feiner Gemüse, feiner Erbsen, Karotten, Spargel, Pfifferlingen und Kohlrabis". Und besonders erzürnt war Röhl, wenn Genossen seine "Trockenbeerenauslese Hallgartner Mehrhölzchen wie Mineralwasser herunterspülten".
Amerikanisches Fertig-Futter, wie es in den 163 deutschen Filialen von "McDonald's" verabreicht wird, reizt den linken Gourmet hingegen höchstens zu Hohn und Häme. Jedenfalls ließ Röhl in seiner gut alle zwei Monate erscheinenden Zeitschrift "Spontan" (Druckauflage: 100 000) die Einfachnahrung von McDonald's als "Geschmacksverirrung", "billigen Fraß" und "magenstrapazierende Angelegenheit" charakterisieren, bei der "manchen Gast das Grauen" packe.
Die kritische Beschäftigung mit Speis und Trank ist für den Hamburger Verleger freilich neu. In der von ihm gegründeten und lange Jahre geführten Zeitschrift "Konkret" pflegte Röhl vielmehr eine verkaufsträchtige Spezialmischung aus Sex und Sozialismus für "Golo Mann und die Klofrau von Hannover" - bis ihm Anfang der siebziger Jahre ein Redaktionskollektiv das linke Blatt entwand, für das er, nach eigenen Angaben, Hunderttausende von Mark aus Ost-Berlin erhalten hatte.
Inzwischen Besitzer einer eigenen Tiefdruckerei, versucht Röhl vergeblich, an die einstigen "Konkret"-Erfolge anzuknüpfen mit Blättern wie "Dasda", "Luxus", "Special", "Super", "Extra Dry", "Magazin" oder "Spontan" - stets voll mit Nacktem und Rotem, der "Röhlschen Mischung, die allein sich verkauft" (Röhl).
So prangert "Spontan" natürlich auch die "rabiate Firmenpolitik" von McDonald's an: Das Unternehmen tue sich "schwer im Umgang mit den Spielregeln einer sozialen Demokratie", und die Beschäftigten reagierten "mit der solchen Arbeitsverhältnissen innewohnenden Zynik". So amüsierten sich McDonald's-Angestellte darüber, daß man "vieles, was daheim in den Abfalleimer wandern würde, noch an den zahlenden Kunden bringen kann". Spaß mache es auch, wenn ein Gast "in einen zuvor mit Speichel und Nasenpopeln präparierten und gekennzeichneten Hamburger beißt".
Verwirrt reagierte die McDonald's-Zentrale in München auf die nicht gerade appetitanregende "Spontan"-Mitteilung. Im ersten Schreck sorgte sie für über tausend Mark für den Aufkauf aller noch erreichbaren Hefte mit der bösen Geschichte. Dann ließ der Hamburger-Konzern Ausdrücke wie "Fraß" und "Popel" per Einstweiliger Verfügung verbieten.
Doch das Semmel- und Hackfleisch-Unternehmen verlangte auch noch Widerruf und Schadenersatz in Höhe von "einigen hunderttausend Mark" (Röhl). Für Vizepräsident Kreiner war dies auch "realistisch angesetzt", denn die "Spontan"-Popelei hatte offenbar vielen Gästen den Appetit verscheucht. Kreiner: "Es schien uns jedenfalls über saisonale Schwankungen hinauszugehen."
Nun stocherte "Spontan" international im ganzen McDonald's-Imperium mit seinen 6500 Restaurants in 26 Ländern herum. So berichtete das Blatt in der jüngsten Ausgabe von Bürgerinitiativen in Großbritannien und "No Mac Committees" in den USA, von geplanten "Kotz-ins" vor McDonald's-Filialen, von der "Rattenproblematik" in der Fast-Food-Branche und von der im Heimatland der McDonald's umgehenden Mär, in den weichen Sesamsemmeln steckten außer Hackfleisch auch "zwecks Proteinanreicherung kleingehackte Regenwürmer".
Das Märchen von den Regenwürmern, das in den USA zwischendurch zu einer Umsatzeinbuße von 30 Prozent geführt hatte, wurde von McDonald's längst widerlegt - mit einem für ein erklärtermaßen kapitalistisches Unternehmen überzeugenden Beweis. "Der Würmer-Extrakt ist viermal so teuer wie Hackfleisch", erläutert Deutschlands Vize Rolf Kreiner, "und wir sind doch profitorientiert. In der Verhandlung vor dem Münchner Gericht gestaltete sich die Beweislage schwieriger. Röhl ließ bestreiten, behauptet zu haben, "daß in jedem Big Mäc ein Popel steckt". Richter Steinbrecht ließ erkennen, daß ihm McDonald's Gerichte und ihre Qualitäten über seine halbwüchsigen Kinder durchaus geläufig seien. Angesichts der zunehmenden Publizität des Rechtsstreits gab sich schließlich auch McDonald's vergleichswillig. Vize Kreiner: "Momentan möchten wir nämlich die Sache nicht weiter breittreten."
Bei "Spontan" würde McDonald's nun schon der Abdruck einer "Gegenerklärung" mit dem Titel "Die Wahrheit über McDonald's" genügen. Danach wird in den Ketten-Küchen auf "Hygiene besonderer Wert gelegt", und alle Bestimmungen werden "streng gehandhabt". Die "steigende Beliebtheit ... gerade bei jungen Leuten" lasse im übrigen "Rückschlüsse auf die Qualität zu".
Wenn der Nahrungskonzern auch noch die Gerichtskosten übernimmt, will "Spontan", das im Verlauf des Prozesses von einer "Zeitschrift für Sex und Politik" (Untertitel) zu einem richtigen Leib- und Magenblatt denaturiert ist, die Erklärung aus München akzeptieren. Röhl: "Wir drucken das dann als Satire ab."
Doch auch der profitorientierte Konzern hat durch den Prozeß gewonnen - an Erfahrung. "Wir müssen nun mal damit leben", sagt der Vizepräsident, "daß wir gewissen Leuten ein Dorn im Auge sind", und zwar auch dann, wenn "wir uns selber nie mit Drei-Sterne-Lokalen vergleichen würden". Kreiners Lehre: "Heute würde ich gegen Blätter wie 'Spontan' nichts mehr machen."
DER SPIEGEL 29/1982