Witze-Thread
07.05.2009 um 05:39
Schützenfest
Wer wie ich ursprünglich vom Lande kommt wird hier und da einen wahren Kern entdecken...
Einmal im Jahr is in jedem Dorf der Ausnahmezustand. Diese Orgie heißt
dann Feuerwehr-, Schützen-, oder Sängerfest oder meinetwegen auch
Hühnerwämserball, is vollkommen egal, weil is alles dasselbe.
Dann wird nen Zelt aufgebaut irgendwo und mindestens drei Tage
getestet, wieviel Ballerbrühe die alte Karkasse noch aufsaugen kann.
Fängt meist schon Tage vorher an, mit Kränzeflechten, Birkenbraken
anne Verkehrsschilder nageln oder weiß der Henker: Haupsache mitn Trecker
rumnageln und Kiste Bier dabei. Während die Männer in der Wildnis
das gefährliche Tannengrün erlegen, sitzen die Weibchen im Kreis und
basteln daraus meterlange Kränze. So wird die traditionelle Rollenteilung
gefestigt und keiner kommt auf dumme Gedanken. Die Sitte des
Kränzens is uralt. Früher bein Schützenfest kamen immer mehrere Leute zu Tode:
Kaputtgesoffen, anner Theke totgetrampelt oder anner achten
Bratwurst erstickt. Ja und weil das ganze Dorf nachn Zeltfest zu tattrig war,
um nen Kranz für die Beerdigungen zu flechten wurden die vorher auf Vorrat
fertiggemacht. Mußte man Montag dann bloß noch auf Ende schneiden
das Gestrüpp, Papierblume dran und ab nachn Friedhof.
Heute gibs ja kaum noch Tote bei Zeltfesten, nich mal mehr Schlägereien
die warn ja früher der Höhepunkt.
Die Schlägerei ist die Form, in der der Mann vom Lande einem andern sagt,
daß er ihn lieb hat. Und nach der Massenschlägerei in der Sektbar
waren alle Männer Blutsbrüder. Doch die soziale Kälte is auch aufm Dorf zu
spüren.
Ein heimlicher Höhepunkt beim Zeltfest ist der spontane Geschlechtsverkehr
an der Rückwand vom Festzelt. Wenn die Kerle zum Pissen irgendwo ins
Gebüsch verschwinden, erinnern sie sich plötzlich, daß sie nich bloß ein
Loch im Kopp haben, wo man Bier reinschütten kann, sondern daß es zwischen
den Beinen auch wieder rauskann. Und mit dieser verkümmerten Restexistenz
hatten sie früher doch auch immer viel Spaß. Und jetzt schlägt die erotische Phantasie gnadenlos zu: Sex ohne sich groß ausziehen zu müssen,
is das allergrößte. Hose is eh noch auf vom Pissen, quasi die halbe Miete.
Jetzt fehlt bloß noch die Gelegenheit. Doch da siehts dann finster aus:
die Anzahl der willigen Tanten, die teilentblößt an der Zeltwand lehnen,
hält sich doch in Grenzen. Und so laufen Dutzende von halbbesoffenen
Typen mit offener Buchse hinterm Zelt rum und verstehen die Welt nich
mehr.
Müßt Ihr mal drauf achten, so ab 23 Uhr etwa geht's los: dann
schleichen hier überall die Männer durchs Unterholz.
Offiziell wollen sie natürlich nur zehn Liter Gerstenaufguß nach
draußen bringen, in Wahrheit sind sie auf Suche nach erotischen Abenteuern.
Es gibt auch Männer, die gehen zum Pinkeln in den Toilettenwagen,
die haben die Hoffnung schon aufgegeben, daß da draußen in der Wildnis
noch irgendwas zu löten wäre.
Aber auch bei den andern sieht die Realität nich besser aus: nach
dem Strullen kommen sie total gefrustet wieder zurück ins Zelt. Früher
entlud sich dann der Frust in einer homoerotischen Ersatzbefriedigung: der
Massenschlägerei. Haben wir schon gesehen: gibs heute kaum noch. Was
bleibt also:
Das EINE: Körper stillegen durch Alkoholzufuhr.
Das hört sich einfach an, isses aber nich, weil beim Zeltsaufen gibt es
festgelegte Rituale, die man unbedingt beachtet muß:
1.
Ein Bier bestellen geht gar nich. Damit sagt man, daß man ne knickrige Sau
is, keine Freunde hat oder Antialkoholiker, quasi das allerletzte.
2.
Also immer mindestens zehn Stück, einen Meter oder ein ganzes Tablett.
Nie vorher abzählen, wieviel Leute um einen herumstehen und dann genau
die Anzahl bestellen. Am besten irgendeine Zahl über die Theke grölen
und ab dafür.
3.
Ganz falsch: Die Umstehenden fragen, ob sie überhaupt noch ein Bier haben
wollen. Wichtige Regel: gefragt wird nich. Saufen ist schließlich kein Spaß.
4.
Wenn der Stoff da is, nich blöd rumgucken und überlegen, wem man denn
eins in die Hand drücken soll. Am besten die Gläser wild in der Umgebung
verteilen, denn nur so zeigt man seine Großzügigkeit. Nur der kleinkarierte Pisser stellt sich da an.
5.
Wer zahlt wann welche Runde? In der Regel kommt jeder der Reihe nach dran.
Ganz miese Wichser saufen die ersten neun Runden an der Theke mit und
wenn sie an der Reihe wären, müssen sie plötzlich pissen. Der erste
Besteller bestimmt meist die Dauer des Projekts: Wenn er zwölf Bier bestellt,
müssen alle solange warten, bis zwölf Runden durch sind. Wichtig ist, daß
der Strom nie abreißt. Also wenn alle noch die Hälfte im Glas haben,
sofort die nächste Runde ordern und das neue Glas in die Hand drücken. Was
voll peinlich ist: Mit zwei Gläsern in der Hand an der Theke stehen,
deshalb is Tempo angesagt beim reinschütten, is schließlich kein
Kindergeburtstag.
6.
Richtig fiese Schweine bestellen zwischendurch noch ne Runde Korn
oder die absolute Hölle "Meyers Bitter", eine Art grünes Schlangengift, daß
mit dem Eiter von toten Fröschen verfeinert wurde. Hier wird's ernst. Sollte
sich sowas andeuten, kann man bloß noch die Flucht ergreifen. Merke:
Biersaufen kann man überleben aufm Zeltfest mit etwas Planung und Glück; nach Meyers Bitter weigert sich sogar der Notarzt, diese Schweinerei wiederzubeleben.
7.
Konsequent durchgezogen, bist Du normalerweise aufm Zelt um halb
Neun stramm wie die Kesselflicker. Geht natürlich nich, weil Du kannst ja
noch nich Hause, wegen Verdacht auf Weichei. Was also dann?
Pausen machen! Dafür sind in der Regel zwei Sachen vorgesehen:
Bratwurstfressen und Tanzen.
Erstens: Bratwurstfressen
Vorteil: an der Bude gibs kein Meyers Bitter, da bist Du also ne zeitlang
sicher vor der Alkoholvergiftung durch andere. Nu sind die Bratwurststände
auf Zeltfesten immer so konzipiert, daß die Nachfrage immer größer
ist als das Angebot. In der Bude arbeiten auch meistens Fachkräfte, denen
man beim Grillen die Schuhe besohlen kann. Einzige Qualifikation: sie können
mit einem Sauerstoffanteil in der Luft von unter 1% überleben, deswegen
wirken sie auch so scheintot. Nu sagt der Laie: watn Scheiß, das könnte man
doch viel besser organisieren: zackzack kämen die Riemen übern Tresen.
Falsch: die mickrigen Bratwurstbuden mit den Untoten am Grill stehen da
nich aus Versehen, sondern absichtlich. Hier kann man Asyl beantragen
von der Sauferei und je länger man auf den verkohlten Prengel warten
muß, desto größer die Überlebenschance.
Zweitens Tanzen:
Im Vergleich zu Bratwurstfressen natürlich die schlechtere Wahl, weil
anstrengend und mit Frauen. Aber irgendwann geht halt kein Riemen
mehr rein in den Pansen und Du mußt in den sauren Apfel beißen. Also
zack, einen Rochen von den Bänken gerissen und irgendwie bescheuerte
Bewegungen machen. Wenn Du Glück hast, spielt die Kapelle mehr als zwei Stücke
und Du kannst Dir ein paar Bier ausse Rippen schwitzen. Hast Du Pech, kommt
sofort nachm ersten Stück der Thekenmarsch und Du stehst wieder da,
von wo Du gerade geflohen bist.
Drittens: Sektbar
Eine richtig gruselige Bude, quasi die Abferkelbox im Festzelt. Hier isses
so voll und eng, hier bleibst Du auch noch stehen, wenns eigentlich nich
mehr geht. Es soll schon Kriegsverletzte gegeben haben, denen hat man in
der Sektbar beide Beinprothesen geklaut und sie habens nich gemerkt.
Doch der Preis, den Du für die Stehhilfe zahlst is hoch: Du mußt Sekt
saufen aus so mickrigen Blumenvasen, die man von der Spermaprobe beim
Urologen kennt. Ziemlich eklig alles. Wenns keine Sektbar gibt, gibst meist
ne Cocktailbar: Cocktail heißt im Zelt aber nich Caipirinha oder
Margerita sondern Fanta/Korn oder Korn mit Fanta. Also vorsichtig. Hier kanns
ganz schnell zuende gehen. Eine Alternative für den ganzen schnellen Weg
ins Nirwana is noch der hannoversche Zaubertrank: Lüttje Lage. Vom
Preis-Leistungs-Verhältnis her immer noch ne reelle Sache: So besäuft
sich der kritische Verbraucher und hat es ruckzuck geschafft. Doch bevor
Du nach Hause darfst, kommt noch ein ganz wichtiger Punkt, nämlich...
Viertens: Kotzen
Klingt scheiße, Du wirst aber dankbar sein, wenn Dein Körper, Dir dieses
Geschenk bereitet. Du hast Platz für neue Bratwürste und vielleicht sogar
Glück, daß Du die letzten zwanzig Bier noch erwischt, bevor sie Dein
Gehirn erreicht haben. Der Profi jedenfalls kotzt oft und gern. - So
jetzt wären wir auch schon bald beim Nachhause gehen. Haha. Wenn Du abers
den Zeitpunkt verpaßt hast, und Du kommst vom Pissen oder Bratwurstkotzen
wieder ins Zelt und es sind bloß noch zwanzig Mann übrig. Ätsch:
Arschkarte gezogen. Denn jetzt heißt es:
Fünftens: Die Letzten
Ab jetzt geht es um so spannende Sachen wie Faßaussaufen - es is
immer mehr drin, als Du denkst, oder Absacker trinken, wenns ein Meyers
Bitter ist, kannst Du Dir gleich den Umweg über den Notarzt sparen und den
Bestatter anrufen. Jeder paßt jetzt auf, daß keiner heimlich abhaut.
Die ersten sacken einfach so vor der Theke zusammen, damit sie
jedenfalls nich noch mehr saufen müssen. Vorteil dieser Phase des Zeltfestes: Du
mußt nich mehr extra mehr nach draußen latschen für Pissen und Kotzen: geht
jetzt alles vor Ort.
Sechstens: Nach Hause
Fällt aus. Mach Dir keine Illusionen: alleine schaffst Du´s nich mehr,
Taxis gibst nich aufm Land, und wenn, würden sie Dich nich mitnehmen.
Deine Frau kommt nich, um Dich zu holen, die is froh, daß dieses
Wrack nich inner Wohnung liegt und der Gestank in die Möbel zieht. Was
bleibt ist..
Siebtens: Der Morgen danach
Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Ritzen in der Zeltfestplane.
Du wirst wach von einem Zungenkuß, wie Du ihn noch nie in Deinem
Leben gekriegt hast. Leidenschaftlich küßt Du zurück. Dann machst Du Deine
verklebten Augen auf und blickst in das fröhliche Gesicht des zottigen
Köters von dem Karusselfritzen. Und mit einem eigenen Beitrag zum
Thema Würfelhusten fängt der Tag wieder an. Dein Kopf fühlt sich an wie
nach einem Steckschuß. Jetzt hilft nur noch: Stützbier bis die Maschine
wieder halbwegs normal läuft.
Seid froh, dass die Schützenfest-Saison vorbei ist, wir alle hier können
stolz und fröhlich sein, denn wieder einmal haben wir es überlebt.
Bis zum nächsten Jahr