Commonsense schrieb:Es wurden Texte ignoriert, die nicht in die Richtung passten, die damals eingeschlagen werden sollte und wurde.
Da war Franks Wiedergabe deutlich besser. Das Judentum der griechisch römischen Antike hatte nacheinander zwei verschiedene Kanons. Der erste war der der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der heiligen Schriften des Judentums. Entspricht ungefähr dem katholischen AT oder dem AT der Lutherbibel mit dem Teil der Lutherschen Apokryphen. Der Umfang der Schriften bildete sich über mehrere Jahrhunderte hinaus aus, vom 3.Jh. v.Chr. bis zum 1.Jh. n.Chr. Ein festlegendes Gremium gab es da nicht, sondern in den diversen jüdischen Gemeinden außerhalb Judäas / Palästinas sammelte man halt alle Schriften zusammen, die man für den Synagogengebrauch haben wollte. Die Einheitlichkeit war also eine Art demokratischer Prozeß, welche Schriften die Gemeinden im Römischen Reich und ggf. außerhalb gleichermaßen verwendeten. Sonderschriften, die z.B. nur die Essener lasen, die waren natürlich nicht allgemein verbreitet. Und gelangten also nicht in den Kanon.
Da hat keine Institution gewirkt, weder am Kanon noch an der "Richtung, die eingeschlagen werden
sollte". Richtig ist das mit dem Ignorieren der "abweichenden Richtung", aber das ergab sich quasi von alleine. Eben indem man sich nicht darauf "einigen" konnte.
Als die Christen mehr und mehr von einer innerjüdischen Sekte zu einer eigenständigen Geschichte wurden, von denen sich die jüdischen Strömungen distanzierten, war die unter den Christen beliebte Septuaginta nicht mehr gut genug. Hier nun gab es so etwas wie eine Institution, eine Zusammenkunft jüdischer Autoritäten im judäisch/palästinischen Jamnia (Jaffa), bei dem der jüdische Janon neu bestimmt wurde. Dieses Zusammentreffen ist nicht belegt, sondern erschlossen, rekonstruiert worden. Es gab dort durchaus Treffen, aber ob dabei wirklich der Kanon festgelegt wurde, ist nur Annahme. Daher wissen wir auch keine Kriterien für die Kanonbildung. Die allerdings sind relativ gut erkennbar.
Im seither gültigen jüdischen Kanon (mit dem evangelischen AT übereinstimmend) stehen nur Schriften, die bereits in der Septuaginta standen. Schriften, die in der Septuaginta vorkommen, nicht aber im hebräischen AT, das sind Schriften, die es nur auf griechisch gibt, aber nicht auf hebräisch oder aramäisch; wahrscheinlich waren es also griechischsprachige Schöpfungen, keine Übersetzungen aus dem Hebräischen. Die erkennbaren Kriterien erklären nicht nur den jüdischen Kanon des Tanakh vollständig, sie sind auch rein formaler Natur und kein inhaltliches Auswahlkriterium, ob etwas zu einer "Richtung" paßt. Also selbst wo mal ein Gremium beteiligt gewesen sein dürfte, gabs nicht die Konspiration, die der eine oder der andere mutmaßen dürfte.
Wer dazu weiter diskutieren will, gar zum neutestamentlichen Kanon, sollte "kanon" in die SuFu eingeben, da findet sich dann was.