Da bin ich also wieder, neue Stadt, alte Stadt, dieselbe Stadt, ich weiß es nicht, die sehen alle gleich aus.
Also haben sie mich doch wieder rausgescheucht, Die haben die besseren Argumente, nein, Die brauchen gar keine Argumente, DIE halten sich mit sowas gar nicht auf.
Ich bin's so leid, so unendlich leid, reden, wieder reden, überzeugen, handeln, lavieren, Konsens finden, Handschlag, Abreise...ich will doch aber nicht mehr reden...ich will das doch nicht mehr.
Es ist schon Nacht und ich tauche ein in dieses : "feuchte Kopfsteinpflaster-triefende Häuserwände-benutzte Menschen-schwarze Pfützen-Gefühl"...aber an sich taucht es in mich ein, wie ein schleichendes Gift und gleichzeitig wie eiskalter Stahl in meinem Bauch...mir wird übel, bloß weg, ich hab ein Zimmer,
irgendwo, ich muss da hin...
-
Das Zimmer ist absolut Scheiße, furchtbar, ganz furchtbar.
An der dreckigen Pritsche steht eine Frau und beginnt sich langsam auszuziehen.
Grausam wie dünn sie ist, und Haare, ich erinner mich an keine Haare... vielleicht war da eine Perücke.
Und Augenbrauen und Wimpern...keine Ahnung vielleicht war da viel Schminke, ich weiß es nicht vielleicht bin nur ich es, der es so sieht.
Vorhin hab ich ihr die vergilbten Photos gezeigt, Geifer hat sie darüber versprüht mit ihrer hässlichen Stimme, getarnt als Gossenhumor.
Was war da bloß? Was war da bloß??
Ja, die Augen, die Augen waren es.
So leer und so fremd und so wahnsinnig wild bewegt, wie Gasblasen am Grunde eine Ozeans,eines tiefen Spundlochs, flüchtend nach oben, hin zum Absterben, zum Aufgehen...Selbstauslöschungsaugen...ich kenne das.
Nun steht sie da als würde sie auf Beifall warten, nackt wie ich sie kenne, mit ihren handtellergroßen Brüsten, den zählbaren Rippen, der tiefen Grube ihres Bauches, den knochigen Gefäß des Beckens und den spindeldürren Beinen...und, und...diesen Augen,diesen gewaltigen, tränenfernen Augen.
Ich bin schlecht, ich bin wohl böse...
Was hat mich dazu getrieben?
Ich wollte nicht allein sein, genau, ich wollte nicht allein sein in diesem Zimmer, diesem Kerker des schlechten Geschmacks und der viehischen Lieblosigkeit, nicht allein sein wenn die stinkenden Ausdünstungen der Stadt durch die Schlitze der angekippten Fenster kriechen würden und mich
besudeln und dazu trieben, anderes zu besudeln.
Aber hier gehört doch eigentlich niemand her, hier kann doch nichts leben, wirklich leben.
Ich kenne doch mein Zuhause, auf der hellen Lichtung des unendlichen Waldes ist es, dort wo die Sonnenstrahlen einen Dom aus Licht bauen, mit der gewaltigen Baumriesen Stämme als Fundament.
Dort gehör ich doch hin und nicht hierher...aber,aber freiwillig bin ich ja nicht hier, es war ja ein Zwang und ein Treiben aber das ist keine Entschuldigung für mein Handeln nur der schwache Schimmer vonTrost...
Am Tisch ,da links sitzt ein Toter und beobachtet uns, ich hörte die Menschen sprechen über seinen Tod, ich roch seinen Tod, ich vernahm die dumpfen Geräusche die ein toter Körper hervorruft wenn man den Sarg ungeschickt die Treppen hinunter trägt aber die Leiche sah ich nicht mit eigenen Augen.
Vielleicht hab ich mich geirrt, etwas falsch verstanden oder es war Theater, eine Komödie.
Er sieht aus wie immer, so als hätte er, vom Schnaps besoffen, in seinen Kleidern geschlafen und grad
eben erst hätte ihn eine mächtige Faust am Schlawittchen gepackten, aus der warmen Molle gezerrt und hierhin gesetzt.
Ungepflegt, verkatert und stumpf, genauso wie früher aber grauer ist sein Gesicht jetzt, fast bläulichgrau.
"Iss doch was..." sag ich und deute mit der Hand zu der kleinen Tafel unter'm Fenster mit den kulinarischen Attraktionen darauf.
"Iss doch was dann gehts dir bestimmt besser, du isst doch so gerne" ... und dann muss ich eingeschlafen sein.
-
Der nächste Morgen offenbart sich mir in aschfahlem Licht das durch die geschlossenen Lider funkt,
einem Körper der auf meinem herumzuckt und dieser furchtbaren Stimme die etwas in mein Ohr schreit.
"...geklaut, alles geklaut, der hat alles mitgehen lassen..." zetert die Kreissägenstimme und mich packt unsägliche Wut.
Für wie blöde hält die mich eigentlich?
Tote brauchen nichts, gar nichts und deshalb stehlen sie auch nicht!
Und ich fahre auf und packe sie und schleudere sie aufs Bett und da bleibt sie liegen, reglos, wie eine Lumpenpuppe, ja, das hat sie drauf, das kann sie wirklich gut.
Nur ihre Augen, die rasen so wild, wie Magnete ziehen sie meinen Blick in sich, saugen ihn förmlich hinein in diese farblosen Blasen und ,bei meiner Seele, keine Pupille ist in ihnen zu entdecken...da plötzlich rinnt träge und verhalten ein großer Blutstropfen aus ihrem rechten Nasenloch und er ist so grün wie der Klee auf einer Sommerwiese und sanft fluoreszierend.
"Oh..." sage ich gedehnt, so als sähe ich auf ein erwartetes Kunststückchen, da fährt sie zusammen mit tierischer Geschwindigkeit und verbirgt den Tropfen mit der Hand und zum ersten Mal entdecke ich eine menschliche Bewegung in ihren Zügen, Hass ist das, abgrundtiefer Hass.
Ich muss schlucken und dann gehe ich.
-
Die Sache ist durch, man ist zu einem Ergebnis gekommen, alles wird weiterlaufen wie gehabt nur ein bißchen besser.
Nun sitze ich draußen, ganz entspannt, die Sonne ist herausgekommen und ich hab mich vollkommen aklimatisiert.
Schön ist es, richtig schön, ich möchte hier den ganzen Tag sitzen und am Feierabend, wenn ich gehen muss dann wird die Erinnerung an mich nur die Erinnerung an einen x-beliebigen Gast sein, die Stühle und die Tische werden weggenommen und verstaut, morgen holt man sie wieder hervor und ein anderer
Gast sitzt auf und an ihnen.
Ich nippe am delikaten Milchkaffee und stelle mir vor wie sich die warme, helle Flüssigkeit wie heilender Balsam auf meine purpurroten Magenwände legt und schützend an ihnen haften bleibt.
Ein gutes Gefühl macht das im Bauch.
Da seh ich sie, auf der anderen Straßenseite, Haare, Brauen, Wimpern alles wieder da.
Seltsam, zum ersten Mal nehme ich Kleidung an ihr wahr, ein etwas schäbiges Kleid zwar, von verblichenem Rot mit winzig kleinen Fleckchen in zartrosa, Kirschblüten sollen das wohl sein aber es steht ihr gut, wirklich.
Eng ist es bis zur Taille dann weitet es sich in barockem Faltenwurf und weitem Bausch.
Wie eine magersüchtige Gymnasiastin sieht sie aus, trotzdem...hübsch, welch ein Fortschritt, welch eine großartige Maskerade.
Jetzt bleibt sie stehen und spricht lächelnd zu einem Polizisten der dort mit gesenktem Blick herumschlenderte, sie vielleicht erwartete.
Ein kleiner, schmächtiger Kerl der sichtlich erfreut ist.
Und jetzt wird es übermütig, es wird lauthals gelacht, gescherzt und geneckt bis sich die Situation in einer Art ausgelassenen Rundtanz steigert, und er ist jetzt vollkommen entzückt.
Ich aber sehe was geschieht, ich sehe wie ihre linke Hand überall ist, die rechte aber zielstrebig zum
Holster des ausgelassenen Schutzmannes strebt, sie ist wirklich clever.
Dann entwindet sie sich der Umarmung mit gespielter Prüderie und verabschiedet sich mit einem Ruf über die Schulter: "Bis heut abend..." und es folgt ein Name der so trivial ist, daß ich ihn sofort vergesse.
Sie kommt nun zu mir herüber, das schwere Ding aus Eisen und Kunststoff verbergend in ihrem Schoß zwischen Falten und Bauschen und dem mageren Fleisch ihrer Schenkel und es ist ein wirklich schönes Bild denn mittlerweile ist auch Wind aufgekommen, eine zärtliche Sommerbrise die die weißen Tischdecken, die bunten Wimpelchen an den Häusern, die Sonnenschirme über den Tischen und auch ihr Kleidchen in ästhetische Bewegung versetzt.
Ich seh ein kleines schwarzes Loch in ihrer mageren Faust, es ist von einem metallisch glänzenden Kreis umgeben.
Sauber, denk ich, so wie es sein muss.
Schlagartig verschwindet das Bild und an seine Stelle treten graue Schemen, kaum zu fassende Formen.
Mein Gesicht fühlt sich kalt an, so als gehöre es nicht zu mir und ein Schmerz ist da, dumpf wohl und
bohrend auch, rechts oben in meinem Kopfe aber schwer zu fühlen denn die Amplitude ist breit und unregelmäßig.
Gedankenfetzen, fremdgedacht :"Ach so fühlt sich das an.", "Hoffentlich wirds nicht schlimmer." , "Der Mond sah nie schöner aus.", "Ich werde mich verspäten.", "Wo bin ich?".
Dann kommt der Mann mit dem Hammer und eine tiefe, raumlose Finsternis umfängt meine Schultern wie eine warme Decke.
---
The Underdog Project - Summer Jam (original 2000 version)
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.