Stahl-Sombreros sollen Öl auffangen
Dieses Monstrum, das die Ingenieure "Dome" (Kuppel) nennen, soll die Rettung bringen vor der Ölpest an der US-Golfküste. Das jedenfalls hoffen die Manager von British Petroleum (BP), die die einzigartige Stahlglocke am Dienstag in einem dramatischen Einsatz versenken wollen. "Dies wird im Prinzip alle Probleme eliminieren, die wir mit Öl im Wasser haben", verspricht BP-Sprecher Bill Salvin.
BP und die US-Küstenwache erwägen mehrere spektakuläre, unter diesen extremen Umständen völlig unerprobte Optionen: Entlastungsbohrungen, ölfressende Chemikalien, ein gigantisches Stahlventil in 1500 Metern Meerestiefe - und die Kuppel.
Im Prinzip sind es enorme Metallkanister mit aufgesetzten, umgedrehten Trichtern - gigantische Staubsauger aus Stahl. Schiffe sollen sie ab Dienstag zur Unglücksstelle hinausbringen und in die Tiefe lassen, direkt über den drei Lecks - ein großes Leck, wo das Öl aus dem Meeresboden strömt, und zwei kleinere im abgeknickten Bohrrohr selbst.
Die Kammern sollen sich, Kuppeln gleich, über die Lecks setzen, sie abdecken und das Öl auffangen. Das wiederum würde durch den Trichter und neue Rohre zur Wasseroberfläche hochgeleitet, als Öl-Gas-Wasser-Gemisch, und dort vom Bohrschiff "Enterprise" abgefangen, einem 250 Meter langen Spezialkahn.
Die Physik soll dabei mithelfen: Öl treibt unter Wasser stets nach oben, Pumpen sind also nicht nötig. Sofern das funktioniert, könnte diese Konstruktion den Ölfluss innerhalb von einer Woche um mehr als 80 Prozent drosseln.
Doch die Frage bleibt: Wird es klappen? Noch nie ist ein solcher Trick in derartig großer Tiefe versucht worden - in totaler Dunkelheit, bei enormem Wasserdruck. Einsätze habe es bislang nur in flachem Wasser gegeben, sagte BP-Geschäftsführer Doug Suttles, der die Kuppeln am Montag Reportern präsentierte.
Eine andere Option sind Chemikalien, die das Öl zersetzen und es zum Meeresboden sinken lassen. C-130-Transportflugzeuge haben schon Abertausende Liter über dem Golf abgeworfen, das Wetter machte ihnen am Wochenende aber einen Strich durch die Rechnung, erst am Montag besserten sich die Verhältnisse etwas.
Nach Angaben von BP-Chef Tony Hayward werden die Chemikalien inzwischen auch unter Wasser eingesetzt - "zum ersten Mal überhaupt in der Industrie". Ferngesteuerte Roboter spritzten sie am Meeresboden in das auslaufende Öl: "Das scheint einen bedeutenden Effekt zu haben", sagte Hayward auf NBC, ohne aber weitere Details zu nennen.
Ein weiterer Rekord: Dies werde der wohl größte Einsatz solcher Chemikalien in der Geschichte der USA, sagte Richard Gaudiosi, der Chef des Industriefirmenverbunds Delaware Bay and River Cooperative in Pennsylvania, dem "National Geographic".
Umweltschützer befürchten jedoch, dass diese Chemikalien der Meeresbiologie sogar eher noch schaden als helfen. Nach einer Studie des US National Research Councils (NRC) reduzieren solche Dispersionsmittel die Menge des Öls nicht, sondern ändern nur seine chemische und physische Form, so dass es sich leichter mit dem Wasser vermischt. Dies sei "einer der schwierigsten Kompromisse" in solchen Fällen: Das Öl bedrohe nun die Fische, Korallen, Austern und andere Lebewesen unter Wasser.
"Wir glauben, dass die Chemikalien hoch effektiv sind", sagte BP-Vizepräsident Bob Fryar am Montag. "Wir hoffen, dass das Öl es nicht bis zur Oberfläche schafft."
Glauben, hoffen - Worte der Ungewissheit.Quelle:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,692841,00.html