BP räumt "katastrophale" Ölpest ein
Erstmals nennt auch BP-Chef Dudley die Ölpest "katastrophal". Der Konzern verspricht, das Öl weiter zu bekämpfen - auch mit der hoch giftigen Chemikalie "Corexit".
©Sean Gardner / Reuters
Ein toter und ölverschmierter Vogel am Strand von Louisiana. Experten halten nicht nur das Öl für eine Gefahr, sondern auch die Chemikalie "Corexit"
Ein toter und ölverschmierter Vogel am Strand von Louisiana. Experten halten nicht nur das Öl für eine Gefahr, sondern auch die Chemikalie "Corexit"
Geahnt hatten es viele, nun ist es offiziell bestätigt: Die Ölpest im Golf von Mexiko ist außer Kontrolle. Der Chef des Ölkonzerns BP, Bob Dudley, bezeichnet die Ölpest nun erstmals selbst als "Katastrophe". Bislang war der Konzern stets darauf bedacht gewesen, vor allem Erfolge im Kampf gegen die schwarze, für die Umwelt hoch giftige Masse zu vermelden.
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Vier Wochen nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon schwappen nun die ersten Tonnen Öl kilometerweit verteilt an die Strände der amerikanischen Golfküste. Eine beispiellose Verseuchung des fragilen Ökosystems im Marschland von Louisiana und in den Feuchtgebieten des Mississippi-Deltas nimmt ihren Lauf.
* Natur in Gefahr
* Meerestiere
* Vögel
* Pflanzen
* Fischerei
Natur in Gefahr
Aus den Lecks unter der explodierten Bohrinsel Deepwater Horizon schießen nach Schätzungen des Ölkonzerns BP und der Behörden täglich rund 5000 Barrel Öl. Das sind knapp 800.000 Liter der zähen schwarzen Masse. Allerdings gehen Forscher mittlerweile von einer deutlich höheren Menge aus, die bei bis zu 8 Millionen Litern liegen könnte.
Bedroht ist nicht nur die Küstenregion des amerikanischen Bundesstaates Louisiana, wo das Öl bereits auf Land getroffen ist. Nach Angaben der Wetter- und Ozeanografiebehörde der USA (NOOA) kommt es auch zu Auswirkungen für Tiere und Pflanzen entlang der Küsten der Nachbarstaaten Mississippi, Alabama und Florida. Derzeit schätzt NOOA, dass allein in Louisiana zehn Tierschutzgebiete betroffen sind.
Die Sumpflandschaften in der Region sind artenreiche Ökosysteme, die fast 40 Prozent der Feuchtgebiete der USA ausmachen.
Meerestiere
Louisianas Ministerium für Natur und Fischerei sieht 445 Fischarten, 45 Säugetierarten, 32 Amphibienarten und 134 Vogelarten unmittelbar durch den wabernden Ölteppich in Gefahr.
Meeressäuger, wie die Delfinart Großer Tümmler oder der Pottwall können sich im klebrigen Öl verfangen, wenn sie zum Luftholen auftauchen. Der Karibik-Manati, eine bereits gefährdete Seekuhart, wandert entlang der Golfküste in warme Gewässer.
Auch einige Schildkrötenarten könnten unter dem Öl leiden. Gerade beginnt die Zeit, in der sie ihre Eier an den Stränden ablegen und auf Futtersuche sind.
Einige Umweltschützer fürchten sogar, dass der Alligator Schwierigkeiten bekommen könnte, im brackigen Mündungsgebiet des Mississippi-Delta Nahrung zu finden. Viele Fischarten, die auf seinem Speiseplan stehen, könnten vom Öl eingefangen werden.
Vögel
Eine Vielzahl an Vogelarten lebt und zieht an der Golfküste entlang, um hier Eier zu legen, Nester zu hüten und nach Futter zu suchen. Allein an der Küste Louisianas zählt man rund fünf Millionen Zugvögel in den Sumpfgebieten.
Kommen die Vögel mit Öl in Verbindung und verkleben sich ihre Flügel, können die Tiere weder Wasser abweisen noch Luft aufnehmen. In der Folge können sie ihre Körpertemperatur nicht mehr regulieren und unterkühlen.
Der offizielle Vogel des Staates Louisiana, der Braunpelikan, hat gerade angefangen auf den Sandinseln, die parallel zur Küstenlinie verlaufen, zu brüten. Weitere rund hundert Zugvögelarten, darunter Schwalben, Ammern und Waldsänger, legen derzeit einen Zwischenstopp in der Region ein.
Hinzu kommen zahlreiche Vogelarten, die an den Stränden nisten.
Pflanzen
Besonders die weitverbreiteten Mangrovenwälder an der Küste des Golfs von Mexiko reagieren sehr empfindlich auf eine Ölverschmutzung. Sie sterben ab, sobald das Öl ihre Luftöffnungen in den Wurzeln verklebt.
Dies ist nicht nur ein ökologisches Problem. Die Mangroven spielen auch eine wichtige Rolle im Küstenschutz. Gerade in der Region vor Louisianas Küste kommt es immer wieder zu starken Hurrikans. Die Mangroven bieten als eine Art natürliche Barriere Schutz für das gesamte Mississippi-Delta.
Künftige Stürme könnten größere Schäden anrichten, weil Mangroven nur langsam nachwachsen.
Fischerei
Der Golf von Mexiko ist der einzige Ort, an dem der Blauflossenthun im Westatlantik seine Laichgründe hat. Die Laichzeit hat gerade begonnen und die Meerestiere sind ohnehin eine gefährdete Art. Ihre Eier schwimmen an der Wasseroberfläche und auch die Larven bleiben in den oberen Wasserschichten, die direkt vom Öl verseucht sind.
Auch der Menaden, eine Heringsart, ist direkt vom Öl betroffen. Die Fische ziehen ihre Nahrung aus dem Wasser, indem sie es filtern. So kann das Öl direkt in ihren Organismus gelangen.
In den Gewässern vor der US-Küste leben zudem riesige Mengen Austern, Krabben, Muscheln und weitere Fische.
Noch geht die örtliche Industrie zwar nicht von einem dramatischen Einfluss auf die Fischereibetriebe aus. Dennoch geht die Furcht um. Einige Krabbenfischer haben bereits BP, Transocean und die anderen an dem Bohrvorhaben beteiligten Konzerne Halliburton sowie Cameron wegen Fahrlässigkeit verklagt.
Der Konzern will nun am Dienstagabend oder frühen Mittwochmorgen amerikanischer Zeit einen neuen Versuch unternehmen, den Ölstrom zu stoppen. Ursprünglich wollte BP bereits am Sonntag versuchen, das Bohrloch durch den Beschuss mit einer schweren Schlammmasse zu schließen. Nach Angaben des Unternehmens hätten die Vorbereitungen hierfür aber länger gedauert als gedacht. Klappt das Manöver nicht, will das Unternehmen die sprudelnde Ölquelle mit Golfbällen und Gummiteilen bombardieren. Danach gebe es noch andere Möglichkeiten, sagte Dudley dem Sender CNN. "Wir werden es immer weiter versuchen, wir werden nicht bis August warten."
Unterwasser-Aufnahmen vom Öl-Bohrloch
BP gibt das Video erst auf Drängen frei - das Öl fließt weiter.
Im August sollen die Bohrarbeiten an zwei Nebenzugängen zum Hauptbohrloch abgeschlossen sein. Dadurch würde BP dann eine schwere Flüssigkeit und Zement einleiten, um die Quelle für immer zu versiegeln. Am Wochenende hatten Roboter am Meeresgrund in 1500 Meter Tiefe Ausrüstung für das als "Top Kill" bezeichnete Manöver in Position gebracht. Medienberichten zufolge wird es danach aber immer noch mindestens eine Woche dauern, bis klar ist, ob das Loch tatsächlich verschlossen ist. Für die Operation werden drei große Schiffe und 16 Unterwasser-Roboter eingesetzt.
Das Öl sprudelt derzeit hauptsächlich aus einem Steigrohr, das beim Versinken der Bohrinsel Deepwater Horizon am 22. April abgerissen wurde. Zwar saugt BP seit einer guten Woche einen Teil direkt aus der Leitung ab. Dennoch tritt das Rohöl tonnenweise weiter ins Wasser aus. Wie viel genau, ist nach wie vor unklar.
Im Kampf gegen die Ölpest hat BP in den vergangenen Tagen auch die Chemikalie Corexit 9500 unter Wasser in der Nähe der Lecks eingesetzt, um das austretende Öl zu zersetzen, damit es nicht zur Wasseroberfläche aufsteigt. Die US-Umweltbehörde EPA wies das Unternehmen aber an, spätestens ab Montag auf ein anderes, weniger giftiges Mittel umzusteigen.
BP beharrt indessen auf der weiteren Verwendung von Corexit. Es verursache weniger Langzeit- Umweltschäden als andere Mittel und sei zudem wirkungsvoller, zitierte der Sender CNN aus einer BP-Mitteilung. Die Behörde prüfe jetzt die Stichhaltigkeit des Arguments und werde dann endgültig entscheiden.
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2010-05/Katastrophe-BPMan könnte jetzt ja sagen: "besser spät als nie", aber die jetzige Aussage, dass die ganze Sache außer Kontrolle geraten ist, ist viel zu spät!
Mit jeder Meldung, dass das Leck nicht unter Kontrolle ist, sinkt die Hoffnung.
Denken wir an das Schlimmste und hoffen auf das Beste.