Outis schrieb:Dort stolpert man mehr oder weniger alle paar Meter über ein reales Grab eines biblischen Propheten, Königs oder dem auferweckten Lazarus.
Schön wärs. Die Davididen Jerusalems wurden in einer Familiengruft beigesetzt, deren Ort nicht bekannt ist. Das Rahelgrab wird am Nordende Betlehems verehrt, doch befindet es sich woanders, nördlich statt südlich des alten Jerusalems, östlich vom ephratitischen Rama. Dort, wo Abrahams Grab verortet wird, gibt es keine Höhle, in welcher er doch beigesetzt worden sein soll. Von keinem biblisch benannten Propheten wird in der Bibel berichtet, wo er begraben worden sein soll.
Die beiden noch gesichertsten "heiligen" Gräbers, Abrahams und Rahels Grab, waren ursprünglich gar keine Gräber, sondern heilige Stätten zur Verehrung eines Ahnherrn bzw. einer Ahnfrau. Rahels Grab lang auf halber Strecke zwischn dem benjaminitischen Rama und Bethel im Gebiet Josefs (Ephraim und Manasse). Rahel gilt laut Bibel denn auch als die leibliche Mutter von Joseph und Benjamin. Ihr "Grab" liegt am Schnittpunkt der beiden Stammesgebiete, stellt also ein die Einheit versinnbildlichendes Kultzentrum dar. Ebenso hatte David sich in Hebron am Südrand des judäischen Kernlandes (zwischen Jerusalem und Hebron auf dem Gebirge Juda) zum König ausrufen lassen, und zwar von den Judäern wie von den südlich von Hebron lebenden Stämmen der Kalebiter, Othnieliter, Jerachmeeliter... David schuf so eine Art "Groß-Judäa" mit Hebron als verbindendes Zentrum der beiden Größen "Altjudäer und Neujudäer". Die in Hebron existierende kultische Verehrung eines Abram/Abraham bildete hierbei das religiöse Zentrum dieses politischen Gebildes; Abraham wurde so zum Ahnherr der beiden ethnischen Bundespartner. Als David später auch noch König über die Nordstämme "Israel" wurde, verlegte er seine Residenzerneut an einen Ort direkt an der Schnittstelle der beiden nun vereinten Größen, nach Jerusalem zwischen dem südlichsten Nordreichsstamm Benjamin und dem nördlichsten Südreichsstamm Alt- bzw. Kernjuda. Diesmal bildete die Bundeslade, die David nach Jerusalem holen ließ, das beide Größen vereinigende Kultzentrum.
Josef, der Ahnherr der beiden StämmeEphraim und Manasse, wird in oder bei Sichem verortet, wiederum also in der Nähe der Grenze zwischen den beiden Stämmen, deren Einheit über Josef definiert wird. Isaak hat mehrere nicht näher lokalisierbare Heiligtümer im mittelpalästinischen Bergland (Biblisch die "Höhen Isaaks" genannt), wird aber auch in Beerscheba verortet, dem Zentrum des Stammes Simeon, welcher trotz seines Siedlungsgebiets bei Juda fern von den Nordstämmen stärker mit letzteren verbunden war. Jakob wiederum verband Pniel im Ostjordanland, Sukkot im Jordantal, Betel am Süüdrand des mittelpalästinischen Berglandes und Sichem in dessen Mitte miteinander. Israel schließlich war der Stammvater und Eponym des alten Zwölfstämmesystems, dessenVorläufer bereits auf einer pharaonischen Stele vom Ende des 13.Jh. v.Chr. Erwähnung fand. All diese Gestalten waren offensichtlich kultische Identifikationsfiguren verschiedener Stämmegruppierungen. Spätestens ab der politischen Einheit aller unter "Israel" zusammengefaßten Stämme und Stammesverbände unter David und Salomo wird die Verbindung all dieser Identifikationsfiguren untereinander allmählich in ein genealogisches Geflecht gebracht worden sein:
Abraham --- Sara
Isaak --- Rebekka
Jakob-Israel --- Rahel & Lea sowie Silpa & Bilha
Seit dem kennen wir sie als Menschen, als die Erzeltern Israels. Ursprünglich aber könnten es Gottheiten gewesen sein, die von regionalen Gruppen oder Verbänden von Gruppen verehrt wurden, vielleicht waren es aber auch verehrte Ahnen. Auf jeden Fall aber waren die mit ihnen verbundenen Ortschaften durchweg Heiligtümer (siehe Isaaks Höhen; mit "Höhe" (heb. bamah) ist ein Heiligtum gemeint). Heiligtümer aber werden durch Gräber profaniert (entweiht). Erst als diese Figuren zu Erzeltern uminterpretiert worden waren, erst da konnten einige dieser Kultstätten als die Grabstätten jener Gestalten interpretiert werden. Historisch gesehen setzte diese Uminterpretation frühestens nach David ein, der sein Groß-Juda noch mit Abrahams "Ort" im Sinne eines einheitsstiftenden Kultzentrums gebildet hatte.
Dort, wo Rahel "starb und begraben wurde" (1.Mose35,16-20), zwischen Bethel und Ephrata (= Rama der Ephratiter, nicht Bethlehem, wie später gedeutet), an genau dieser Stelle wird auch die Richterin Debora verortet (Richter4,4-5), zwischen Betel und Rama. Der Name "Debora" taucht dann auch in 1.Mose35 auf, direkt vor Rahels Tod und Beerdigung. Dort aber soll es die Amme Rebekkas gewesen sein (die Verbindung von Jakob/Israel und seiner Frau Rahel mit einer Amme Rebekkas, der Frau Isaaks, zeigt, daß hier die genealogische Verknüpfung der Figuren als Erzeltern schon weit fortgeschritten war). Diese Debora soll "unterhalb" Bethels beigesetzt worden sein. Der Topographie entsprechend also südlich von Betel. Und zwar unter einem Baum, wie auch die Richterin Debora unter einem Baum verortet wurde. Markante Bäume waren klassische Kultstätten.
Auch soll Jakob über Rebekkas Grab eine steinerne Massebe errichtet haben, doch waren Masseben keine Grabsteine, sondern wichtiges Inventar von Kultstätten, die Verkörperung der verehrten Gottheit. Neben eine Massebe aus Stein gehört zu einer solchen Bama-Kultstätte noch eine Aschere, ein hölzerner Kultpfahl, der den Heiligen Baum repräsentieren soll, die göttliche Segensmacht. Es konnten eben auch lebende Bäume verwendet werden, wie Amme Deboras Baum und Richterin Deboras Baum. Darüber hinaus heißt Rahel "Mutterschaf" und Debora "Biene". Beides sind geradezu Symbole für Segen, Fruchtbarkeit des Landes. EInes Landes, das auch so genannt wird: "ein Land, in dem Milch und Honig fließen". Rahel und Debora sind entweder Fruchtbarkeits-Göttinnen oder zwei verschiedene Ausdrücke für eine Gottheit bzw. für dessen Segensmacht (Baum) gewesen. Noch heute bitten Juden am (falschen) Rahelgrab traditionell um Kindersegen.
Wenn Du also in Israel ständig über Gräber von Königen, Propheten oder Erzvätern bzw. Erzmütter stolperst, so stolperst Du zum einen über später ausgedachte vermeintliche Gräber biblischer Könige und Propheten, oder Du stolperst über etwas, das zwar mit Abraham, Rahel etc. zu tun hat, aber sicher nicht als Grab. Und bei Rahel stolperst Du ganz sicher einige Kilometer zu weit südlich.
Sollte DIr ein Touristenführer mit der aufgeschlagenen Bibel in der Hand im Terebinthental westsüdwestlich des alten Jerusalem die Stelle des Tales zwischen Socho und Aseka zeigen, an der David den Goliat erschlug (1Samuel17), dann wisse, daß es ein Mann namens Elchanan aus Betlehem war, einer der Recken unter Davids Führung, der Goliat getötet hat (2Samuel21,19). Und zwar bei einem Ort namens Gob und während der Philisterkriege Davids, als dieser bereits in Jerusalem König war, lange nach Sauls Tod (zu dessen Lebenszeiten 1Samuel17 spielt).
All die Orte, über die Du in Israel wahrlich auf Schritt und Tritt stolpern kannst, weil sie für Plätze biblischen Geschehens oder biblischer Gestalten gelten, all diese Orte belegen nicht, daß das, was die Bibel über diese Orte, Ereignisse und Gestalten sagt, auch zutrifft. Nicht, daß deswegen alles gelogen sein müsse. Aber es geschah anders bzw. es geschah woanders. Die Personen waren andere oder sie waren etwas anderes. Manches wurde gleich ganz erfunden, oder es wurde nur etwas hinzugedichtet wie etwa ein vermeintliches Prophetengrab für einen historisch echten Propheten.
Biblische Archäologie wurde bis in die Mitte des 20.Jh. hinein immer wieder als Bibel-Beweis-Archäologie verstanden. Da mußten dann aufgefundene Lagerhäuser die "Pferdeställe Salomos" sein. Die israelische Archäologie ging noch sehr viel länger so vor. Noch heute sind manche recht schnell geneigt, gefundene Gebäudereste oder Siedlungsspuren biblisch zu interpretieren. Doch ist das der falsche Weg.Wenn, dann kann die Bibel als helfender Spurensucher herangezogen werden, aber nicht als Ergebniskatalog, in dem man abhakt, was Archäologie gerade neues entdeckt hat.
Outis schrieb:deshalb habe ich sie mir zur Frau genommen.
Jepp, steht da. Das Aufnehmen einer Frau in den Harem war ja ein "zur Frau nehmen". Aber eben noch kein Vollzug der Ehe.
Outis schrieb:Gibt es denn überhaupt keine Möglichkeit sowas im Nachhinein zu korrigieren?
In den ersten paar (5?) Minuten kann man noch korrigieren. Dann nicht mehr.