ElsbethM schrieb:In diesem Beitrag hab ich gleich zu Beginn geschrieben, dass ein Versprechen für mich bedingungslos ist
Und ich anhand von Beispielen erläutert, warum nicht. Und letztlich konntest Du inhaltlich wenig dazu sagen. Es gibt eben (Extrem)fälle, in denen auch Du einen unzumutbaren Zustand sehen würdes. Und damit ist es schlich nicht mehr bedingungslos.
ElsbethM schrieb:Und hier hab ich gefragt, warum man katholisch heiraten möchte, wenn man Gelöbnisse, die ungeachtet aller sich ändernden Umstände gegeben werden für hanebüchenen Unsinn hält.
Und das hatte ich ebenfalls beantwortet.
Das kann man natürlich anders sehen - aber gleichwohl kann man so eine Praxis kritisieren.
ElsbethM schrieb:Dazu wäre jeder verpflichtet, der davon Kenntnis hat.
Eben.
Und statt dessen wusste die Kirche von den Fällen. Sie kannte das Leid der Opfer. Und durch ihre aktive Vertuschung der Fälle mehrte sie deren Leid noch.
ElsbethM schrieb:Im Jahre 2010 wurden Missbrauchsfälle von dem Jesuitenpater Klaus Mertens aufgedeckt.
Aber dann beachte doch auch den Artikel, den Du zitiert hast.
Was ist denn passiert? Erst mal gar nichts. Erst mit zunehmendem öffentlichen Druck fingen erste systematische Veränderungen an. Es meldeten sich immer mehr Menschen und die Medien berichteten mehr. Und erst dann fing überhaupt eine Reaktion der Kirche als Institution an.
Du bist mir hier ehrlich gesagt in einer zu großen Verteidigungshaltung. Kannst Du natürlich so machen - aber ich empfinde das als kritikwürdig.
Die Kirche schädigt systematisch Menschen. Das ist etwas sehr Unmoralisches. Das ist wie wenn man einem Ertrinkenden beim Ertrinken zusieht. Und sogar noch einen, den man selbst ins Waser gestoßen hat.
Klar, etwas überzeichnet - aber dem Grunde nach.
Die Kirche nimmt für sich in Anspruch, ein besonderer Maßstab für Moral zu sein. Diesem Maßstab wird sie selbst nicht gerecht, weil ihre zentralen Mitglieder schwere Verbrechen an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft begehen.
Fairerweise muss man sagen, dass sie einem solchen Maßstab auch nicht vollkommen gerecht werden kann. Auch Priester hören nicht auf, Menschen mit menschlichen Schwächen zu sein.
Aber sie fördert und verschlimmert diese Verbrechen gleich in zweifacher Weise:
1. Sie erschwert den Opfern die faktische Möglichkeit der Gerechtigkeit. Das ist eine Schuld der Kirche selbst an den Opfern. Nicht nur eine Schuld mancher ihrer Mitglieder - sondern eine echte eigene Schuld der Organisation an sich.
2. Und damit nicht genug: Sie fördert auch den Missbrauch weiterer Opfer. Alleine dadurch, dass Täter weniger zu befürchten haben und dadurch zum Einen weitere Gelegenheit für diese Taten bekommen - aber auch in Folge schlechterer Aufklärung der Taten eine viel geringere Hemmschwelle haben.
Denn wir wissen: Der Täter wird nicht primär durch die Strafe an sich abgeschreckt - sondern durch die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung.
Das Blut mancher dieser Taten klebt an den Händen der missbrauchenden Priester. Also an der Person. Keine Frage.
Aber viel Blut - und ich würde mich insoweit aus dem Fenster lehnen und es als "das meiste" bezeichnen - klebt an der Kirche als Organisation.
Wie viele Kinder wären nicht missbraucht worden, hätte es einen vernünftigen Umgang der Kirche damit gegeben?
Wie viele Menschen hätten besser damit leben können, hätte die Kirche diese Verbrechen nicht systematisch unter den Teppich gekehrt sondern aktiv diesen Menschen geholfen?
Was hat die Kirche denn gemacht?
Selbst wenn sie positive Kenntnis hatte, hat sie auf die Opfer eingewirkt und zusätzlich Ermittlungen erschwert.
Fairerweise muss man auch den Staatsanwaltschaften Vorwürfe machen. Diese hätten einfach die Kirche wie jeden anderen behandeln müssen und eben im Verdachtsfall Akten beschlagnahmen und Personen verhören müssen. DAs fand sicher statt - aber zu wenig.
Und ist es heute - im Jahr 2022 - so, dass diese Fehler vorbehaltlos eingeräumt und dass wenigstens jetzt ohne jede weitere Verdunklung ein Schlussstrich gezogen wurde?
Leider nein. Es ist weiterhin ein scheibchenweises Einräumen von Dingen, die aufgrund der bekannt gewordenen Fakten nicht mehr zu leugnen sind.
Wäre es nicht sinnvoll, wenn die Kirche herginge und alle ihre vielfältigen Akten nach allen möglichen Anhaltspunkten für mögliche Wiedergutmachungen durchforstet? Aktiv an mögliche Betroffene heran tritt und die Hürden für Reparationen senkt? Dass sie aktiv die ihr bekannten Täter aus dem Verkehr zieht?
Wäre das nicht die Moral, an der sie sich messen lassen müsste?
Und zwar ohne, dass so ein Verhalten massiv eingefordert werden muss?
Und das sind nur die "richtig schlimmen" Aspekte. Da reden wir noch gar nicht davon, dass Frauen wie sonst nirgends in der Gesellschaft alleine aufgrund des Geschlechts benachteiligt werden.
Dass Meschen aufgrund ihrer Sexualität benachteiligt werden. Oder ihres Glaubens.
Die Kernaussage der katholischen Kirche ist:
Wir missbilligen, wenn Du einvernehmlich in einer gleichgeschlechtlichen, eheähnlichen Partnerschaft lebst. Wenn das so ist, kann es sein, dass Du nur deswegen nicht weiter als Arzt oder Erzieher für mich arbeiten darfst.
Aber wenn einer meiner Mitarbeiter, der am allermeisten die Moral der Kirche verkörpert, kleine Kinder vergewaltigt. Na ja, dann versetzen wir ihn zu anderen Kindern, drohen mit dem Zeigefinger und erschweren einen Täter-Opfer-Ausgleich in uns maximal möglichem Umfang.
Für mic ist das an Absurdität kaum zu übertreffen. Aber das empfindet natürlich jeder anders.