sacredheart schrieb:Ich frage doch auch keinen Blinden, ob meine Jacke farblich zu meinen Schuhen passt.
Ich frage gerne meine vegane Nachbarin, ob ich zum Filet oder zum Rib-Eye greifen soll.
Na ja, mache ich nicht, ich mag sie und ärgere sie natürlich nicht.
Aber es zeigt natürlich, woher diese regeln kommen. Sie kommen aus einer Zeit, als die Kirche die primäre moralische Instanz war.
Es kann gesellschaftlich schon gut sein, wenn das Volk in stabilen sozialen Umständen lebt - auch wenn es im Einzelfall furchtbar ist. Es ist auch sinnvoll, wenn man einem furchtbaren Leben nicht durch Suizid entkommen kann, sofern die Umstände allgemein so schlimm sind, dass es viele tun würden. Es ist auch sinnvoll, wenn Kleriker keine legitimen Nachfahren haben, dann verbleibt das Vermögen, das sie in die Kirche mitgebracht haben, auch nach ihrem Tod bei der Kirche.
Diese ganzen Regeln sind aus der Zeit gefallene Regeln. Sie dienten einem gesellschaftlichen Zweck, der sich lange überholt hat. Deswegen wirken sie in heutiger Zeit auch so deplatziert.
Man kann sich schon auf den Standpunkt stellen, dass kirchliche Moral nicht unbedingt dem Zeitgeist unmittelbar folgen muss (was ich albern finde, aber andere vielleicht nicht). Für viele bedeutet es ein Mehr an sozialer Stabilität.
Aber die Kirche - und die katholische im Besonderen - hat es bis ins Absurde übertrieben.
Warum findet denn so eine miese Aufarbeitung der Missbrauchsfälle statt? Weil die Kirche ihren Stand als moralische Instanz in Gefahr sieht und nichts sein kann was nicht sein darf.
Was ist nun die Folge? Die Kirch hat nicht nur das moralische Dilemma an der Backe, dass ihre moralgebenden Mitglieder genau so missbrauchen und vergewaltigen, wie in allen anderen Gruppierungen. Nein, es ist moralisch noch verwerflicher, weil sie darüber hinaus solchen Fälle auch noch systematisch jeden Anflug von Gerechtigkeit unterbindet. Und die Opfer nicht nur durch den Missbrauch leiden lässt - sondern noch viel mehr im Anschluss daran.
Das ist von der Idee her wie mit der "Ehe für immer", Verhütung, Homosexualität, Frauen als Priester etc. Man lässt einzelne Personen schwer leiden, damit das Gesamtkonstrukt keine Risse bekommt. Es geht nur darum, den Schein zu wahren.
Dabei hätte es auch anders laufen können. Man hätte sich damit abfinden können, nicht mehr DIE moralische Instanz zu sein - aber eine gute moralische Instanz zu werden. Das zu fördern, was menschlich "gut" ist. Indem man menschliche Schwächen, die nicht zu verhindern sind, in ihrer Wirkung abmildert.
Klar, es gibt auch gute Aspekte. Projekte gegen Hunger, Projekte gegen Gewalt (wenn die Gewalt von außen kommt) usw.
Aber das hat inzwischen immer mehr von:
"Hitler war doch nicht nur schlecht, er war tierlieb, Veganer und hat Autobahnen gebaut".
Nicht missverstehen, die Nazis sind eine völlig andere Qualität - aber wer so viel moralisch Verwerfliches macht, wie es die Kirche hier zeigt, kann kein moralisches Leitbild sein.